Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 22. 02 10

22.02.10, 00:31 | 'Overdressed im Schlafanzug'
Und es ist doch nur der Zweifel, der sich festigt.
# |  Rauchfrei | Gas geben


21.02.10, 12:04 | 'I see a red girl and I want to paint her black'
# |  Rauchfrei | Gas geben


21.02.10, 11:55 | 'Single Trails'

Auf der Alb laufen sie mit Hunden, sie fahren Ski mit Drachen, und unter den Langläufern knirscht der Schnee.
# |  6 RauchzeichenGas geben


21.02.10, 11:54 | 'Heller als tausend Sonnen'

Wenn ich nur jeden Morgen Dich im Sonnenlicht sehen darf.


Am Morgen der kurzen Nacht.
# |  Rauchfrei | Gas geben


21.02.10, 11:51 | 'Das Auge des Betrachters'
Meine abgrundtiefe Verachtung gegenüber den Jungen und Schönen, den Städtern, die dort sitzen in diesem ach so mexikanischen Restaurant, und vergeblich erzähle ich, daß hier die selbe Franscheiße verkauft wird wie überall. Nachdem man uns hat stehen lassen, trotz des reservierten Tisches. Zur Seite gebeten, zur Seite gedrängt, weil wir im Weg standen. Und da muß man ja immer erst laut werden, den Jovialität mit den Fremden, die liegt mir nicht, die geht aber sicher auch. Das Auftreten, als kenne man, als sein man bekannt. Das allfällige Grüßen, und wie sie sich beim Eintreten gegenseitig versichern, daß sie hier den "Chef" kennen, der sich wahrscheinlich über alle lustig macht, mit seinen Preisen und dem bemüht mexikanischen Deutsch-Englisch-Durcheinander auf der Speisekarte. Ich will doch nicht mit der Bedienung um mein Getränk würfeln, wie arm ist das denn? Ich würfle mit Freunden, und wer chikt, der bezahlt eben die Runde, so ist das nun mal.
Wir sitzen da zu viert, und ich bin sehr ruhig. Ich sehe mich um, und ich merke, daß mir die Nervosität fehlt. Die der Leute, die die ganze Woche vor dem Fernseher verbringen, aber der Samstag, der muß dann, und da wird dann auch schon mal Aufhebens um ein Schirmchen auf einem Glas gemacht, denn Ordnung muß ja sein, beim perfekten Amüsement. Auch die fehlt mir desjenigen, der sich beweisen muß, der dazugehören möchte und deshalb hier ist. Ich bin gefallenhalber hier, und das ist ja sowieso Schwachsinn, ebenso wie der Schneefall draußen. Bei solchem Wetter gehöre ich auf die Feldwege rund ums Dorf, wo man mich beiläufig bergen kann, wenn den Beemes doch der Schlupf überkommt, und nicht auf Bundesstraßen mit Halbwilden in Fronttrieblern und ohne Respekt vor dem Tod.
Überhaupt gefallenhalber. Ich wußte nichts besseres, also habe ich zugesagt. Das Beste erfährt man ja immer erst hinterher, also sitze ich hier in dem, was Unternehmer den worst case nennen. Und ich würde es ja ganz anders nennen, aber hier drin zu fluchen, das würde euch so passen. Es ist seltsam: Wenn ich einen Vorschlag zur Samstagabendreise mache, möchte ich, daß es allen gefällt. Dann gefällt es mir auch. Wenn ich einen Vorschlag annehme, möchte ich entweder mit - weil es mir gefällt - oder gefallenhalber. Eine seltsame Art von Ausgleich, aber wer hat schon behauptet, das Leben sei gerecht?
Mir gegenüber ein Pärchen, und immer wieder ein hoffender Blick von der Seite. Es soll auch mir gefallen, was ihr gefällt. Sie bittet, und sowas bricht mir ja immer das Herz. Also rede ich. Nein.
Zuerst denke ich nach. Ich kenne meine Gegenüber nicht - den schlaksigen Jungen mit den schlauchförmig schlaff herabhängenden Armen. Das Mädchen mit den glatten Haaren und den Beinen wie Saustallpfosten, verzeihen Sie bitte, aber da kenn ich mich aus. Was möchte ich wissen, überlege ich, aber ich kann ja schlecht fragen, wann wir wieder gehen. Sie haben ja noch ihre Jacken an. Überhaupt Jacken, denke ich und sehe mich um. Skijacken aus Materialien, mit denen man sicher zum Mond fliegen könnte. Daß es zum Skifahren nicht reicht, ist ein ganz anderes Ding. Dann die Mäntel der Herren. Herrenmäntel. Mit Kragen, aus Filz und mit Schal. Wie alt seid ihr eigentlich und was glaubt ihr überhaupt? Zu lange Jacken mit pelzbesetzten Kapuzen, hallo Roald Amundsen.
Und die geschleckten Haare, oder doch lieber die Skimütze auflassen? Im geschlossenen, überheizten Raum beim Essen, na wohl bekomm's. Scheint ja nicht viel drin zu sein, was eure Köpfe wärmen könnte. Dann Hemden. Extravagant, so hat man euch das sicher verkauft. Darin fallt ihr auf, und in einem Schwarm Kanarienvögel kann einer noch so gelb sein, es bleibt doch ein Kanarienvogel. Die Mädchen, hergerichtet wie für den Opernball, und ich bin mir sicher, daß die Prozedur ein Drama war. Stiefel, Fickmichstiefel, wieder Stiefel. Und dann draußen im Matsch ausrutschen.
Das Essen kommt, und später werden sie mit billigen Gutscheinen bezahlen. Solchen, die ich wegwerfe, damit ich nicht in diese Läden muß. Irgendwas kompliziertes, das die Aushilfe in der Küche sehr schick aus der Gefrierverpackung geholt hat. Anspruch verkauft man hier, und mexikanische Küche.
Tapas, so schätze ich, sind dort ein Arme-Leute-Essen. Schmecken nach nix. Oder sind es Tortillas? Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Gleichgültigkeit wird von der Zunge direkt in den Kopf übertragen, aha. Jedenfalls kenne ich mich aus mit regionalem Essen, dem hiesigen zwar nur, aber darin bin ich Experte, da bin ich durch. Und ich erkenne ein Arme-Leute-Essen, wenn ich es sehe. Nichts gegen die Armen, nichts gegen das Essen, aber wenn ich sehe, was hierzulande eine solche Mahlzeit war, dann bin ich lieber hier arm als in Mexiko. Oder ich kann hier gar nicht so arm werden wie die da schon sind. Sägemehl esse ich schließlich nur unfreiwillig, wenn es beim Aufladen staubt. Und die Soßen nennen sich ganz anders, haben giftige Farben und sind direkt aus der Flasche. Einheitsbrei, aber danach geht ihr noch Fischmäc und Chicken Nuggets essen, aber Kaninchen verweigern, das ginge gar nicht, da habt ihr Mitleid. Häckseldelphin und Presshuhn gehen, solange nur Panade drumherum ist, und die Form viereckig. Welt. Echt.
Aber am ärmsten sind doch die, die sich das verkaufen lassen. Als echt, und dazu brummt stampfende Musik aus zu kleinen, zu teuren Lautsprechern. Zwei Geschosse, etwa zweihundert Quadratmeter, und ihr macht dumpfen Krach aus Brüllwürfelchen? Es macht nichts, daß ich das Mädchen gegenüber nicht verstehe. Ich habe sie inzwischen nach dem Kinofilm gefragt, den die beiden sich angesehen haben, als klassischen Pärchenabend, auf den sie sich stundenlang vorbereitet haben. Fünfmal telefoniert, besprochen, organisiert, geändert, und das sind Leute, die das wirklich für einen Beruf halten. Organisationsassistent. Betriebswirtschaft. Habt ihr schon mal was bewegt? Sie schaut mich an und denkt nach. Der Film. Aha. Ist ja schon eine halbe Stunde her, das muß man nicht mehr wissen. Filme, die einem jahrelang nachgehen, die kennt ihr gar nicht. "Schon" sagt sie, und das war ihre Filmkritik, halb ihrem Freund zugewandt. Die beiden reden miteinander, er erzählt ihr, welches der um uns sitzenden Mädchen ihm gefällt. Das muß ich nun wieder alles hören und verstehen, da kann die Musik nicht laut genug sein.
Weißt Du noch? sagen sie Mal um Mal, als hätten sie die Welt erlebt.
Und ich denke an den Morgen zurück, als ich auf meine Finger sehe. Wie ich da im Tran die Mädels holte, die genauso schwerfällig waren wie ich. Ich bin da nicht so hart zu ihnen, ich kenne das ja selbst. Stehe auf dem Futtertisch und sehe einen Kuhfladen. Nichts, was nur einmal im Jahr vorkommt, aber auch nicht jeden Tag. Auf dem Futtertisch. Ich räume ihn weg und mache weiter. Treibe irgendwann die zweite Gruppe hinaus zum Melken. Wundere mich, daß ich eine vergessen habe. Muhend steht sie da. Auf dem Futtertisch.
"Wie bist Du denn da hingekommen?" frage ich sie, aber Antworten auf wichtige Fragen muß man sich ja sowieso immer selber geben. Ich mache das Tor auf und winke die Dame herein. Nun komm schon. Irgendwann im Melkstand erzähle ich das, und es klärt sich so, daß am Vorabend sechs Damen ausgebüchst waren, und nur fünf wieder eingefangen. Eine ging verschütt, die ist ja auch ganz schwarz, und hat sich, wie die Mädels nun mal so sind, wenn man sie alleine lässt, nicht weggetraut. Mehr nicht, eine Anekdote des Halbschlafes, wenn morgens die Groschen noch etwas schwerfällig sind, aber hier würde ich sie nicht erzählen wollen, und deswegen mag ich nicht hier sein.
Ich schaue nach draußen ins Schneegestöber. Schwere, nasse Flocken. Eine Straßenlampe, gelb genug für eine große Kreuzung. An einem gebogenen Mast eine Ampel, die von Zeit zu Zeit durchschaltet. Meist ist sie rot. Wie gern säße ich auf dem Ausleger des Mastes, finge Schneeflocken mit der Zunge und schaute dem Verkehr zu, der sich mühselig durch die Straßen plagt und sich aufhalten lässt, von einem roten Licht.
Ich lasse irgendwann die Prozedur des getrennten Bezahlens über mich ergehen, und dann dürfen wir uns verabschieden. Ich bleibe unumarmt, und dabei hilft es sehr, wenn man die Arme vor der Brust verschränkt. Wenn sonst nichts hilft. Wir lassen die beiden allein, die weiter mit sich selbst reden und sich gegenseitig bestätigen, was -ach!- das nun wieder für ein schöner Abend war. Es ist eins, und ich muß eh gleich wieder raus.
Aber eins noch. Im Jugendhaus ist Geburtstag, und als wir eintreffen, wimmert eine Dame ihrem Conny Kramer nach, und ich bin alt genug, um das lustig zu finden. Der Kleine, das rote Unglück, und von überall Flaschen, die auf mich gerichtet sind. Wir verbringen die gleiche Zeit hier, die wir auch dort saßen, doch sie ist hundert, tausend Mal mehr.
"Einmal durchdrehen, bitte", sage ich, und wir machen die Bohlgassbrasilianer, jonglieren zur Musik und tanzen ausgedachte Figuren. Nur Spaß muß es machen, und bitte das Blut selber aufwischen, das war einmal der einzige Tagesordnungspunkt.
Hier bin ich so voll Liebe wie dort voll Abscheu, und wahrscheinlich ist das umgekehrt genauso. Aber ich habe Recht, und ihr täuscht euch nur. Lasst euch täuschen, werdet getäuscht. Ihr werdet keine Freunde haben, und keine Erinnerungen. Ihr werdet nie jung und dumm gewesen sein, sondern ihr wolltet immer nur spielen. So tun als ob. Sie spielen Beziehung, sagen "Schatzi"; sie spielen Krieg, sagen "Bring isch disch um"; sie spielen Freundschaft, sagen "Kollege", und sie wissen es, daß das alles nicht wahr ist. Daß das alles nichts ist gegen die zwei Sätze, die ich zwischendurch, auf einer Bierkiste sitzend, sage. "Der Wald meiner Tante. Hast Du Zeit?" Und da grinst einer und schlägt ein, mit seiner breiten Pranke, und ich weiß, ich könnte keine besseren Freunde haben. So wie alles kommt Freundschaft wohl von Schaffen, aber das werde ihr wohl nie verstehen, die ihr noch nie nach Tag und Nacht und Tag und Nacht ein Silobier in der Hand hattet, schwankend und beseelt, und eine Stunde später schon wieder auf dem Weg.
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