Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 4. 03 24

04.03.24, 09:59
Vielleicht ist das ja mein Kern und meine Natur, mich auf meinen eigenen Pfaden zu bewegen. Nicht, daß mir der Pfad etwa gehören würde, aber die Bewegung darauf.

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Alle zwei Jahre etwa packt mich der Gedanke, mein Auto zu putzen. Nun habe ich das weiße Auto schon knapp vier Jahre, und ans Putzen kann ich mich im Gegensatz zur Abholung per Rad nicht erinnern. Es gibt aber auch eine gute Geschichte ab, auf den strammen hundertvierzig Kilometern zum Autohaus mit den aus dem Rucksack herausragenden Nummernschildern im strömenden Regen von der Polizei angehalten zu werden, das Geld in einer wasserdichten Tupperdose verstat, in Erklärungsnöten, und im Autohaus selbst mit ungläubigem Applaus. Eine bessere zumindest, als dem deutschen Klischee zu entsprechen und den Tag mit einem Schwämmchen am Auto zu verbringen. Doch ich möchte meine Spinnereien umarmen - Noch mehr! höre ich die Eltern schon rufen - und gebe meinem Drang nach. Um den Kofferraum blühte in den Fugen bereits grünes Moos, im Kofferraum selbst war ein Sandstrand, es war wohl keinesfalls zu früh. Vermutlich habe ich den letzten Putzgedanken vor zwei Jahren nicht in die Tat umgesetzt. Und da ich mich um einen Besuch in der Waschanlage drücke, seit ich einen Führerschein habe, ist die Handwäsche eine gute Vorbereitung und Ablenkung gleichzeitig. Wann hat man das schon, daß man sich mental auf etwas vorbereitet und es dann nicht mehr durchführen muß? Ich beginne also, mit einem wunderbar weichen Schwamm, warmem Wasser und Werkstattreiniger, und drei Stunden später habe ich alle Türen gereinigt, und vor allem die ganzen Fugen, in denen sich trotz aller Regenfahrten nur der Schmutz sammelt. Und Rost möchte ja niemand, so rede ich mir die Spinnerei als werterhaltende Maßnahme schön. So verbringe ich also den Sonntagnachmittag, gerade noch so innerhalb der Untätigkeitsgrenze, und doch nicht so bewegungslos, daß ich darob bekloppt werden würde. Vermutlich sehen die Vielen, die an diesem sonnigen Sonntagnachmittag vorbeifahren und die Köpfe schütteln, das anders. So sei es, denke ich und putze weiter, bewundere den Schwamm, der hunderte Male beim Kontakt mit dem Lack die Farbe wechselt, und beim Ausdrücken im warmen Wasser wieder zurück.

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Das im Herbst nachgesäte dürretaugliche Gras steht leuchtend grün in den Pfützen auf der Wiese vor dem Haus. Ebenso grün das Moos, das ich mühevoll mit dem Vertikutierer bearbeitet hatte. Wie es scheint, hat ihm das ganz gut gefallen, und ich drohe ihm damit, einen Eimer Dünger von der Maisaussaat im Mai mitzubringen.

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Ich verspüre leichte Prüfungsangst und nehme das als gute und heilsame Erinnerung für mich, der ich ja mittlerweile auf der anderen Seite vieler Prüfungen stehe. Vielleicht also nach dem Lkw-Führerschein dann auch noch den für Reisebusse. Zu anderer Leute Vergnügen fahre ich ja am liebsten durch die Gegend.

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Die Bewegung, sie fehlt mir so sehr. An der ersten Yogastunde wollte ich deshalb trotz aller Mahnungen zur Unbeweglichkeit teilnehmen, und mich eher auf die Langsamkeit konzentrieren, dachte ich. Leider war ich spät dran, weil ich meine Unvereinbarkeiten derzeit oft durch viele Autokilometer auflösen muß, und so stolperte ich durchs Halbdunkel in einen Raum im angekündigten Gebäude. Die alte Isomatte muß es mir tun, ich reiße sie aus dem Rucksack, ziehe mir mit den Zehen die Schuhe von den Füßen, schlittere in Richtung des Kreises, in dem bereits zehn, zwölf Leute auf dem Boden liegen. Vielleicht muß das ja so, denke ich, ich habe ja keine Ahnung von Yoga, und ich habe deutlich zu viele verschiedene Formen von Gesellschaft gesehen, um eine schnell für falsch halten zu können. Leise lege ich mich an eine freie Stelle, und sofort begegne ich meiner Nemesis. Kichern. Ich erstarre, ich habe sicher etwas falsch gemacht. Meine Hosen sind alt, meine Socken sind löchrig, dafür schäme ich mich beides schon lange nicht mehr. Es muß etwas anderes sein, und so sitze ich starr und sprachlos, bis eine junge Frau zu mir spricht. Du bist hier falsch, sagt sie freundlich, wir im Erdgeschoss sind die Rückbildungsgymnastik.
Ich hatte schon auf der Herfahrt den ganzen Mut zusammengenommen und mich auf die Ankündigung der Trainerin verlassen, daß Yoga kein Frauensport sei, daß sich durchaus neben mir noch Männer angemeldet hätten, daß ich durchaus in Ordnung und willkommen wäre. Dieser zusammengenommene Mut allerdings zerstiebt, und ich murmle diverse Entschuldigungen, sammle Schuhe und Rucksack wieder ein und stolpere, die Matte in der Hand, zurück zum Auto, verfolgt von einem freundlichen Kichern aus der Gruppe. Ich werde wohl länger brauchen, um mich davon zu erholen, fürchte ich.
# |  7 RauchzeichenGas geben