... Vorwärts fahren
04.05.15, 18:17 | 'Night after night'
Ein Platzhalter für den wundervollen Tag im Regen, mit zwei kleinen Mädchen um mich, die mir unverfroren Schönheit attestierten, die sich und ihre Matschhosen bis zu den Nasenspitzen einsauten, von ihrem lachenden Vater mir überlassen, um Würmer und Steine zu sammeln und Quatsch zu machen, während einen Meter entfernt die Profis durch den Schlamm rasten.
"Sie können mit Kindern", sagte er zu mir. "Ich sehe das", und ich bedankte mich nickend. "Wahrscheinlich haben Sie selbst Kinder. Dafür sind Sie ja gemacht", und er verschwindet dann für Stunden, und ich verneine leise, schüttle sanft den Kopf, während mir ein Sturm von Gründen zwischen den Ohren tost, warum denn ausgerechnet ich keine Kinder habe.
Und dann zeigen sie mir Bilder von ihren Kaninchen, von ihren Pflegepferden, den Katzen und dem Hund. "Meine Mama ist neununddreißig", sagt die Ältere, und dann rechnen wir aus, daß ihre Mama hundertundneun sein wird, wenn sie selbst ihren Hundertsten feiert. Meinen Hundertsten werde ich alleine feiern, denke ich, aber solche Gedanken sind nichts für Kinder und nichts für diese wundervollen Regentage, die man mit den Kindern draußen im Matsch verbringt und an denen man wieder lernt, daß es nur Wärme und Zeit braucht, und vielleicht ein bißchen Spaß am Ringeln der Würmer auf meiner Hand.
Um den Abschied zu vergessen, die Umarmungen verglimmen zu lassen, die verkrampfte Hand zu öffnen, die immer noch meint, eine kleine Faust umschließen und wärmen zu dürfen, um mit dem Schicksal und der Zeit zu hadern und schließlich über das Spiel zu lachen, das man im Begriff zu verlieren ist, weil man es so lange nicht verstanden hat, und weil man ein schlechter Spieler ist, ein schlechter Mensch womöglich, wenn alles seine Ordnung hat und die Guten gewinnen, wie sich das gehört, um all das zu verarbeiten und einzustampfen in den harten Boden, auf dem man sich an normalen Tagen bewegt, dazu gibt es die Nächte, und die letzte mußte sehr lang sein, denn es gab so viel zu bedauern, und sie mußte sehr einsam und sehr kalt sein, um das Feuer zu löschen und den Brand zu lindern, damit die Ruinen der Traumschlösser zu Asche werden können, damit sie nicht im Weg herumstehen, wenn man am nächsten Tag erwacht und sich wundert, daß es hell ist, sich wundert über die dünne Decke, die doch die Wärme hält, und so strecke ich denn mich wundernd die Hände hinaus in die Kälte, ziehe sie zurück und wiederhole das, bis all die Wärme verschwunden ist, und dann stehe ich mechanisch auf und denke mir, daß selbst meine eigene Wärme so schnell verschwindet, daß ich sie mir wohl nur eingebildet habe, auch wenn sie mich am Leben gehalten hat, während ich schlief, und vielleicht ist da kein Herz, sondern nur ein stotternder Zweizylinder, ein Selbstzünder, der einfach laufen muß, bis ihm der Treibstoff ausgeht, die Hefe des Lebens, oder bis man ihn dann doch einmal überdreht, ihn abwürgt und nicht mehr zum Laufen kriegt, weil da keiner ist, der noch einen Funken hat.
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Warum ich meinen Eltern ihre Versäumnisse nachtragen muß.
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Was tun, hirne ich noch, und das werfe ich mir ja selbst vor, daß ich an allem Spaß haben kann und doch nie weiß, was mir Spaß macht, und so erscheine ich unentschieden und unwillig im Sinne von willenlos, und dann ein Satz, ich sitze im Auto, ich trabe durch den Regen, ich warte an der großen Kreuzung, an der ich nie weiß, wo ich denn nun bin oder in welche Richtung ich Ausschau halten soll, und sie kommt die Straße hinunter auf mich zu, die Ampelmännchen sind grün, ich spüre ihre Wange an meiner, ich schäme mich für das neue Hemd, das mich ausweist als einen, der ein Wochenende im Jahr im Schlamm verbringt, damit beschäftigt, an einem Plastikband zu stehen und dafür zu sorgen, daß die mit den Rädern drin und die anderen draußen bleiben, ich schäme mich für meine nassen Hundehaare und für die Spuren der Samstage auf meinen Händen, die ich immer erst am Dienstag wieder los bin, wenn nicht zufällig eine Scharte länger zum Heilen braucht. Und dann sitzen wir an der Theke und ich weiß nicht, ob sie von mir abrückt oder auf mich zu, ich spüre das heute nicht, ich habe noch Kinderherzen im Kopf, aber ach! das soll keine Ausrede sein, ich kann das ja auch sonst nicht, ich kann keine Menschen lesen, und dann lacht der Bärtige hinter der Theke und erzählt von einer Berliner Mikrobrauerei, wir sitzen auf Stühlen, auf Abstand, getrennt von der Bedienung, die immer wieder zu den Tischen läuft, und beim zweiten Tatort meines Lebens fällt immer mal wieder der Strom aus, und ich grinse sehr an der Technik, die den Frauen die Stimmen raubt, aber vielleicht denke das auch nur ich. Sie trinkt noch eins an der Bar, als das Licht wieder angeht und Tische gerückt werden, und ich trinke keines mehr, denn das würde mich nur traurig machen heute, und ich bin schon randvoll mit Traurigkeit, daß ich sogar die blonde Filmfrau beneide für ihre noble Hütte mit dem Schwimmbad im Garten, dem Baumhaus, Sohn und Mann, auch wenn der nun mal zum Mordopfer werden mußte, denn an solchen Abenden kann ja nun keiner trauriger sein, als ich es bin, auch wenn ich rede und lache und glücklich bin, neben dieser Wärmenden zu sitzen, die ein Strom ist, die fließt und verbreitet, sich und ihre Wärme verteilt mit ihrem Lächeln, und Sie wissen das so gut wie ich, daß man traurig sein kann und glücklich zugleich. Und dann verabschieden wir uns an der Bahn, ich schicke ihr noch einen Gruß nach anstatt der Frage, die ich uns erspart habe, denn eine Zeit lang häuft sich das Glück der Träume höher, als die Schwere der Wirklichkeit es an den Boden pressen kann, und so lange häuft man, was immer man kann, damit der Haufen nur schneller wachsen möge, als er abrutschen kann. Ich sinniere dann so über den Schüttwinkel des Glücks und den Teufel, der angeblich nur auf die großen Haufen scheißt, und dann lösche ich das Licht und lege die Beine parallel, strecke die Arme aus, biete der Nacht das größtmögliche Ziel. Der Stolz, mich nicht zu krümmen, mich nicht zusammenzurollen, mich den Treffern auszusetzen, reglos zu verharren in den langen Nächten.
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Am Morgen eine Benachrichtigung, ein schönes Bild, an eine Mauer gelehnt in kurzen Hosen, ein lachendes Dezemberkind, und wenn ich nur wüßte, denke ich dann, was ich nur immer verkehrt mache.
"Sie können mit Kindern", sagte er zu mir. "Ich sehe das", und ich bedankte mich nickend. "Wahrscheinlich haben Sie selbst Kinder. Dafür sind Sie ja gemacht", und er verschwindet dann für Stunden, und ich verneine leise, schüttle sanft den Kopf, während mir ein Sturm von Gründen zwischen den Ohren tost, warum denn ausgerechnet ich keine Kinder habe.
Und dann zeigen sie mir Bilder von ihren Kaninchen, von ihren Pflegepferden, den Katzen und dem Hund. "Meine Mama ist neununddreißig", sagt die Ältere, und dann rechnen wir aus, daß ihre Mama hundertundneun sein wird, wenn sie selbst ihren Hundertsten feiert. Meinen Hundertsten werde ich alleine feiern, denke ich, aber solche Gedanken sind nichts für Kinder und nichts für diese wundervollen Regentage, die man mit den Kindern draußen im Matsch verbringt und an denen man wieder lernt, daß es nur Wärme und Zeit braucht, und vielleicht ein bißchen Spaß am Ringeln der Würmer auf meiner Hand.
Um den Abschied zu vergessen, die Umarmungen verglimmen zu lassen, die verkrampfte Hand zu öffnen, die immer noch meint, eine kleine Faust umschließen und wärmen zu dürfen, um mit dem Schicksal und der Zeit zu hadern und schließlich über das Spiel zu lachen, das man im Begriff zu verlieren ist, weil man es so lange nicht verstanden hat, und weil man ein schlechter Spieler ist, ein schlechter Mensch womöglich, wenn alles seine Ordnung hat und die Guten gewinnen, wie sich das gehört, um all das zu verarbeiten und einzustampfen in den harten Boden, auf dem man sich an normalen Tagen bewegt, dazu gibt es die Nächte, und die letzte mußte sehr lang sein, denn es gab so viel zu bedauern, und sie mußte sehr einsam und sehr kalt sein, um das Feuer zu löschen und den Brand zu lindern, damit die Ruinen der Traumschlösser zu Asche werden können, damit sie nicht im Weg herumstehen, wenn man am nächsten Tag erwacht und sich wundert, daß es hell ist, sich wundert über die dünne Decke, die doch die Wärme hält, und so strecke ich denn mich wundernd die Hände hinaus in die Kälte, ziehe sie zurück und wiederhole das, bis all die Wärme verschwunden ist, und dann stehe ich mechanisch auf und denke mir, daß selbst meine eigene Wärme so schnell verschwindet, daß ich sie mir wohl nur eingebildet habe, auch wenn sie mich am Leben gehalten hat, während ich schlief, und vielleicht ist da kein Herz, sondern nur ein stotternder Zweizylinder, ein Selbstzünder, der einfach laufen muß, bis ihm der Treibstoff ausgeht, die Hefe des Lebens, oder bis man ihn dann doch einmal überdreht, ihn abwürgt und nicht mehr zum Laufen kriegt, weil da keiner ist, der noch einen Funken hat.
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Warum ich meinen Eltern ihre Versäumnisse nachtragen muß.
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Was tun, hirne ich noch, und das werfe ich mir ja selbst vor, daß ich an allem Spaß haben kann und doch nie weiß, was mir Spaß macht, und so erscheine ich unentschieden und unwillig im Sinne von willenlos, und dann ein Satz, ich sitze im Auto, ich trabe durch den Regen, ich warte an der großen Kreuzung, an der ich nie weiß, wo ich denn nun bin oder in welche Richtung ich Ausschau halten soll, und sie kommt die Straße hinunter auf mich zu, die Ampelmännchen sind grün, ich spüre ihre Wange an meiner, ich schäme mich für das neue Hemd, das mich ausweist als einen, der ein Wochenende im Jahr im Schlamm verbringt, damit beschäftigt, an einem Plastikband zu stehen und dafür zu sorgen, daß die mit den Rädern drin und die anderen draußen bleiben, ich schäme mich für meine nassen Hundehaare und für die Spuren der Samstage auf meinen Händen, die ich immer erst am Dienstag wieder los bin, wenn nicht zufällig eine Scharte länger zum Heilen braucht. Und dann sitzen wir an der Theke und ich weiß nicht, ob sie von mir abrückt oder auf mich zu, ich spüre das heute nicht, ich habe noch Kinderherzen im Kopf, aber ach! das soll keine Ausrede sein, ich kann das ja auch sonst nicht, ich kann keine Menschen lesen, und dann lacht der Bärtige hinter der Theke und erzählt von einer Berliner Mikrobrauerei, wir sitzen auf Stühlen, auf Abstand, getrennt von der Bedienung, die immer wieder zu den Tischen läuft, und beim zweiten Tatort meines Lebens fällt immer mal wieder der Strom aus, und ich grinse sehr an der Technik, die den Frauen die Stimmen raubt, aber vielleicht denke das auch nur ich. Sie trinkt noch eins an der Bar, als das Licht wieder angeht und Tische gerückt werden, und ich trinke keines mehr, denn das würde mich nur traurig machen heute, und ich bin schon randvoll mit Traurigkeit, daß ich sogar die blonde Filmfrau beneide für ihre noble Hütte mit dem Schwimmbad im Garten, dem Baumhaus, Sohn und Mann, auch wenn der nun mal zum Mordopfer werden mußte, denn an solchen Abenden kann ja nun keiner trauriger sein, als ich es bin, auch wenn ich rede und lache und glücklich bin, neben dieser Wärmenden zu sitzen, die ein Strom ist, die fließt und verbreitet, sich und ihre Wärme verteilt mit ihrem Lächeln, und Sie wissen das so gut wie ich, daß man traurig sein kann und glücklich zugleich. Und dann verabschieden wir uns an der Bahn, ich schicke ihr noch einen Gruß nach anstatt der Frage, die ich uns erspart habe, denn eine Zeit lang häuft sich das Glück der Träume höher, als die Schwere der Wirklichkeit es an den Boden pressen kann, und so lange häuft man, was immer man kann, damit der Haufen nur schneller wachsen möge, als er abrutschen kann. Ich sinniere dann so über den Schüttwinkel des Glücks und den Teufel, der angeblich nur auf die großen Haufen scheißt, und dann lösche ich das Licht und lege die Beine parallel, strecke die Arme aus, biete der Nacht das größtmögliche Ziel. Der Stolz, mich nicht zu krümmen, mich nicht zusammenzurollen, mich den Treffern auszusetzen, reglos zu verharren in den langen Nächten.
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Am Morgen eine Benachrichtigung, ein schönes Bild, an eine Mauer gelehnt in kurzen Hosen, ein lachendes Dezemberkind, und wenn ich nur wüßte, denke ich dann, was ich nur immer verkehrt mache.
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