Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 2. 12 13

02.12.13, 18:10 | 'Overdressed im Schlafanzug'
Ich liege auf dem Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und schaue nach oben in ihr Gesicht, umrankt von einem wild verwuschelten Lockenkopf. Sie sitzt auf meinen Schenkeln, hat die Hände auf meine Brust gestützt.
Wir reden über dies und jenes, und vom Hundertsten zum Tausendsten bin ich ja immer gern dabei, mit einem Satz. Husch und weg, wo war ich gleich? Ihre Hände, ach ja. Die vergesse ich ganz, während ich von irgendwas rede, von der Arbeit vielleicht, oder von irgendwas anderem, das man machen kann, denn nur vom Tun rede ich gerne, beim Sein schweige ich meist.
Ihre Hände jedenfalls, die wandern auf mir, und das bemerke ich gar nicht, denn vom Tun zu reden entführt mich ins Tun, entführt meinen Kopf, mein Herz, meinen Körper, daß ich am Ende Schrauben anziehe oder Hebel bediene und mich immer alle verwundert anschauen, wenn ich dann wieder in der Wirklichkeit auftauche und mich umsehe nach den Schrauben und den Hebeln.
Einen Augenblick später bin ich ganz woanders, ich gestikuliere womöglich, ich weiß es nicht mehr, ich rede von Kompatibilitäten und Problemen, von dem, was einen eben so beschäftigt, wenn man stets vom Hundertsten ins Tausendste, und da noch Rundungsfehler, Sie verstehen; also erschrecke ich mich ganz fürchterlich ob ihrer kalten Hände an ungewohnter Stelle, und womöglich frage ich, obwohl ich das nie zugeben würde, noch mit erhobenen Händen frage ich sie, was sie denn da tue, beim Barte des Propheten, das sage ich in letzter Zeit überhaupt gern. Und sie antwortet, sagt lächelnd, sie prüfe die Kompatibilitäten, und in diesem Moment brechen wir zusammen vor Lachen, ich bin wieder da aus meinen Zahlenkolonnen, richte mich auf und krümme mich, und sie schüttelt ihre Mähne, und was hätte werden können, ist weg, verflogen, abgerundet vielleicht, und manche Dinge rechnet man ja besser gar nicht aus.
# |  Rauchfrei | Gas geben


02.12.13, 12:23 | 'What's my age again'
Die Bahn kommt zu spät, der Bus auch, und mit der dritten Alternative, die ich kopflos erhaste, komme dann auch ich zu spät. Hektik macht mir nicht viel aus, aber wenn es dann nicht klappt, herrjeh. Ich grummle also vor mich hin, als wir über den Weihnachtsmarkt schlendern, und erst, als ich ausgelacht werde, bemerke ich meine eigene Wunderlichkeit.

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Woody Allens Filme sind so bedrückend wie Walsers letzte Bücher. Massenunfälle in Zeitlupe, und nicht einmal die Augen bekommt man geschlossen. "Blue Jasmine" verstört mich sehr, und als ich meiner Begleitung die Tür aufhalte, sage ich gedankenlos, daß die Hoffnung vielleicht doch der Feind ist.

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Mädchen, die am Morgen früh raus müssen. Liegenbleiberinnen machen es mir doch nur schwer.

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Schnell noch einen Filter holen. Das Öl ist längst bestellt und geliefert. Vorausplanung statt Lagerhaltung, Einzelhandel statt Sammeleinkauf, und ich müsste mal drüber nachdenken, ob das noch gut ist.

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Alt ist sie geworden, denke ich. Und obwohl ich sie schon Jahre nicht mehr berührt habe, obwohl wir uns körperlich so aus dem Weg gehen, daß wir im Flur fast nicht aneinander vorbeikommen, weiß ich, daß ihre Haut immer noch warm und weich ist, und daß man die Falten unter den Fingern nicht spüren kann. Dann erzählt sie vom Sturz und von der Operation, und hilflos wie immer warte ich auf den Satz, der meinen Einsatz verbirgt. Der kommt nicht, also verabschiede ich mich, so daß es ist wie jeden Samstag, ein Kaffee und andere Hosen, und dann bin ich wieder weg. Nicht einmal die Päckchen habe ich aufgerissen.

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Tiere treiben, und immer, wenn ich mir Gedanken über den Sinn des eingepferchten Lebens mache, stoße ich mich daran, daß alle eingepfercht sind, irgendwie. Kann doch keiner fliegen, und wenn doch, ertrinkt er halt, weil er nicht schwimmen kann.

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Tage, an denen mir die Routinezeit vergeudet vorkommt.

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Der Stammtisch ist kleiner als früher, und trotzdem sitzen wir lang und laut.

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Ich will dieses Muster nicht mehr, denke ich, also beiße ich mir auf die Zähne und bin freundlich, obwohl Angst mich immer bissig macht. Ich kann mir eure Namen nicht merken, lächle ich und komme dann ins Gespräch mit einem, der Sägen testet und mit einer, die ein ebenso hübsches Gesicht wie ein einfaches Gemüt hat. Seltsamerweise verstärkt es den Eindruck, daß sie mit dem Bus gekommen sind. Ich müsste mal drüber nachdenken.
Stattdessen esse ich eine Wurst, scharre mit den Füßen in den Hackschnitzeln und trinke Bier. Dann landen wir in einer Kneipe, ich trinke einen Schnaps, und das war es dann auch.

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Frühstück mit Kopfschmerzen hatte ich ja auch lange nicht mehr, und jetzt weiß ich auch wieder, warum.

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Der Ölfilterdeckel ist fest, also fahre ich dorthin, wo zölliges Werkzeug lagert, und dann bocke ich fahrlässigst das Auto auf. Der große Wagenheber passt erst darunter, als ich auf einen Keil fahre, und da ist mir längst alles egal. Es ist dunkel und kalt, ich rupfe den Filter heraus und tausche ihn gegen einen neuen. Das Öl passt genau in eine der Plastikboxen, und auf dem Boden liegend wackle ich am Wagenheber, um die letzten Tropfen herauszubekommen. Ich werde nicht unter einem Auto sterben, das weiß ich irgendwoher. Nicht beim Ölwechsel jedenfalls, und da muß ich dann doch lachen.
Ich tausche sogar den Kupferring, ziehe die Schraube wieder fest, und das Gefühl, daß es nach "fest" ein ganz klein wenig leichter ging verfolgt mich mit dem Wissen um die Beschaffenheit von Aluminium bis in die Nacht, und ich weiß jetzt schon, daß ich in zwei Jahren wieder unter dem Auto liegen werde, und es wird mir siedigheiß einfallen, daß ich damals vielleicht ein wenig zu sehr an der Schraube, - aber ach. Klappe zu, dicht.

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An einem Sonntagabend im Vereinsheim bin ich der einzige Tänzer in Stallhosen, der einzige mit Hosenträgern, weil der Gummibund nie so lange hält, wie sich der dicke Stoff flicken lässt, und außerdem der einzige, der kein Bier trinkt.

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Ich gehe duschen, hole Pizza beim Italiener, und dann sitzen wir da und sehen einen Film im Jugendhaus. Schön so. Jetzt, wo ich herauswachse.

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Es ist Nacht, als ich ins Haus komme. Der Schlüssel dreht sich schwer, und auf irgendeine meiner geistigen Listen notiere ich, daß ich das Schloß noch richten will. Unbedingt, setze ich dahinter, bevor - und da fällt mir nichts ein.

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Die Rechnung hat gestoppt, ich höre das an den Lüftern, und dann komme ich doch ins Suchen, ins Coden, und am anderen Rechner, am dritten Bildschirm repariere ich nebenbei den neuesten CHDK auf die Kamera, schieße ein Bild in die Nacht, und dann bin ich müde und muß noch fahren.

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Auf der Straße bin ich oft und viel gerade, und erstrebenswert ist diese Fortbewegung so gar nicht, und auch darüber müsste ich doch nochmal nachdenken. Stattdessen halte ich mich bloß wach, rieche die Pizza im Kofferraum und das Kletterchalk vom Beifahrersitz, das ich schon längst mal nachkaufen wollte, und denke daran, wie lange ich schon nicht mehr laufen war, wie lange ich schon wieder backen wollte und was eigentlich aus der Idee geworden ist, Gitarre zu üben.

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Es ist halb zwei, als ich mit zwei Rucksäcken und zwei vollen Händen in meine Wohnung stolpere, und irgendwo in meinem Kopf hat sich ein Problem gelöst und gelockert, und den Rechner habe ich ja nur zugeklappt, der ist ja sofort wieder da und leuchtet mir eintgegen. Dann sitze ich da, die Zahnbürste im Mundwinkel, bis meine Füße Eisklumpen sind, weil ich irgendwo zwischen "Hosen runter" und "Schlafanzug an" war, und dann doch in Codezeilen verlorenging. Ein Kennfeld muß ein Loch haben, murmle ich, und dann ist es nach zwei, und das Telefon sagt mir eine lächerlich kurze Zeit bis zum Wecken an, ich lege die Wäsche nicht mehr zusammen, sondern falte mich ins Bett. Wochenendende.
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02.12.13, 09:58 | 'Das Auge des Betrachters'
Wo geht eigentlich meine ganze Zeit hin?
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