Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 1. 12 08

01.12.08, 23:36 | 'Kann Spuren von Irrsinn enthalten'
Verflucht noch eins, das Volumenintegral über einen Zylinder, der mit einer schiefen Ebene geschnitten wird, das hätte vor ein paar Jahren noch für ein müdes Lächeln gesorgt, anstatt einen von Papier und Ordnern und Büchern überquellenden Tisch.
# |  1 RauchzeichenGas geben


01.12.08, 21:08 | 'Achtung-Code 15 - in heat'
Dienstagnacht in Triesdorf. In den Rußwolken eines Bauerndiesels brennen wir über die Bahn. Beim Anstehen werde ich angesprochen, wieviel Hektar, und sonst so? und da weiß ich, daß ich hier richtig bin.
"Fahr mich zurück, fahr mich zurück, ich muß sie wiedersehen!" Die Nacht endet in einer Küche. Wir sitzen da auf der Arbeitsplatte, ich streichle den Hund und esse dem Bauern die Schokolade weg. Irgendwann geht im Stall das Licht an, und ich verabschiede mich.

Freitagnacht im Nachbardorf. Sie hören auf, sich zu prügeln, als ich vorbeilaufe. Ich komme mir alt vor, und irgendwann laufe ich nach Hause.

Samstagnacht in der Hütte, hinter der Bar. "Fest mit Durchdrehen", werden sie tags darauf sagen. Die Theke schwimmt, der Boden ist eine Badewanne, und ich trage den Kleinen auf den Schultern, während wir tanzen, singen und unsere Hemden schwenken. Der Zimmerer steht auf einem Barhocker, er kippelt und fällt. Landet auf den Füßen wie eine Katze und wirft den Barhocker, der zu Bruch gegangen ist, hoch zu mir. "Mach mal Malle", schreit man mir zu, und ich schiebe den Regler hoch. Drunten tanzen sie, und der Jüngste macht die Geste Churchills, die bei uns etwas ganz anderes aussagt. Wie ein Grillhähnchen, grinst er. Jemand steht hinter der Gräfin, und der Rausch und das Grillhähnchen und so - sie springt einen glatten Meter vom Boden weg. Hinter der Bar schenkt einer großzügig aus, und der andere wischt mit einem durchweichten Lumpen direkt hinter ihm her. Wir singen dem Maurer ein Ständchen zum Geburtstag. Und das einzige Lied, das er hören möchte, das habe ich nicht da. Wir schmeißen eine Runde, und irgendwann schläft er im Stehen. Musikbestellungen per Textnachricht, und ich schreie nach unten, daß ich noch ein Blaues will. "Du kannst gefälligst Halbe trinken!" krakeelt es von dort, und wer wäre ich, zu widersprechen. Ich schließe ab, und zu zweit laufen wir voll Glück heimwärts.
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01.12.08, 20:50 | 'Heller als tausend Sonnen'
Die ältere Dame, die im Zug neben mir saß, und deren Kopf irgendwann auf meiner Schulter zu liegen kam. Sie entschuldigte sich, als sie durch ein Rucken des Zuges aufgeweckt wurde, und keine Minute später lehnte sie wieder an mir. Grinsend las ich weiter in meinem Buch und hatte den Eindruck, die anderen Fahrgäste betrachteten mich mit Ehrfurcht.

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Irgendwann saß schräg gegenüber von mir ein Mädchen. Ihre langen Locken lugten unter der Kapuze hervor, und wenn mir ein Synonym für Kapuze eingefallen wäre, das mit einem "L" beginnt, dann, ja.
Sie trug eine silbern glänzende Perle unter der Unterlippe, und wenn ich weiter an sie denke, werde ich auch noch "Mandelaugen" sagen. Mandelaugen! Ha!
Sie trug abgearbeitete Zimmermannshosen, was ich noch hätte ertragen können. Der leuchtend orangefarbene Meterstab, der sich in der Seitentasche lümmelte, im genau richtigen, kronenkorkenzernarbten Zustand, und ihre Hände waren klein, hell und mit kurzen, wundervoll gerundeten Fingernägeln. Irgendwann stand sie auf, und die Schlaghosen fielen über die groben Schuhe. Sie ging an mir vorbei zur Tür, und ich schaute durchs Fenster in die Dunkelheit. Ich blätterte zehn Seiten zurück und las das Kapitel erneut.

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Ich stapfe durch den Schnee auf dem Parkplatz. Unter einer weißen Decke blinkt es hoffnungsvoll, und ich rufe Hey Dicker, gleich gehts los! Neben mir kehrt ein Mädchen hingebungsvoll ihren Kleinwagen ab, als ich einsteige. Die Reifen scharren im Schnee, und ich werde noch auf dem Parkplatz von meiner Hinterachse überholt. Der Schnee rutscht zur Seite herunter, und ich tätschle das Armaturenbrett, als wir uns über die Fahrtrichtung wieder einig sind.
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01.12.08, 13:58 | 'Nicht drueber nachdenken'
Drittelt man das Leben, so ist man die ersten fünfundzwanzig Jahre ständig am Verhungern, während man die zweiten über ständig darauf achten muß, nicht auseinanderzugehen wie ein Hefeknöpfle, und die letzten damit verbringt, auf jemanden zu hoffen, der einem das Essen kleinschneidet.
# |  2 RauchzeichenGas geben


01.12.08, 13:48 | 'Heller als tausend Sonnen'
Bei Prechts "Kosmonauten" schwanke ich zwischen atemloser Begeisterung für die Schlichtheit, die Korrektheit und die Genauigkeit, und dem würgenden Unwohlsein ob der tausendfach gehörten Phrasen. Wie seltsam, daß es mich bereits für ein Buch einnimmt, wenn nicht jeder Konjunktiv ein "würde" mit sich herumschleppt, wenn ich Zeichen sehe, wo ich Zeichen setzen würde (hihi), und wenn mir ab und an ein scharfes "ß" über den Weg läuft. Wie schön, daß sich im Satz die Sicht ändert, daß jeder neue Halbsatz sich drehen und wenden kann, bis man grinsend den Rest des Satzes, den man sich schon gedacht hatte, streicht und einfach nur noch liest, anstatt Stichworte aufzureihen. Wie schön, über den "Tabletthalter" zu stolpern, weil man sich denkt, daß Precht auch darüber gestolpert sein muß. Daß er dasaß, den Stift über dem Papier verhaltend, verharrend, und über die Mode der Selbstbedienung auf Tabletts fluchte, die ihm verbot, das Abtragen der Tassen einer Bedienung anheimzustellen.
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01.12.08, 12:38 | 'Zerdrueckt'
Und immer meine ich, mich wehren zu müssen. Verteidigen, bewahren, schützen, bedecken. Als ob ich stolz sein könnte. Oder mich schämen müsste. Überhaupt sollen und müssen.
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01.12.08, 12:34 | 'Warten aufs Christkind'
Ich stehe am offenen Fenster und fange Schneeflocken. Wird ein richtiger Winter, denke ich mir.
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