Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 22. 06 09

22.06.09, 12:17 | 'Dying to say this to you'
Und wie ich heute morgen so aussteige, auf dem großen Parkplatz und auf der falschen Seite, da ist mir sehr warm in der Kälte, des Mitleids mit der Kupplung wegen, und des erschreckten "Huch", das die Fahrerin bei Gegenverkehr von sich gab. Und mir wird noch wärmer, als mir auffällt, daß ich all die weisen Ratschläge, die ich mir auf Klebezettel notiert hatte, ignoriert habe. So stehe ich dann Minuten später am Kaffeeautomaten, der nur Zwanzgerle nimmt, und in diesem Ausdruck bin ich eben übel steckengeblieben, weil es zu der Zeit, in der ich sprechen gelernt habe, nur Zehnerle gab, Kreuzerle eben, oder Fuffzgerle, meinetwegen, aber das war schon eine Menge Geld, weil silbern; jedenfalls ist mir sehr warm, und ich krame im Geldbeutel, und mir wird siedigheiß, als ich so denke Gestern, ja, da standest Du am Tresen und dachtest noch so, eins trinken wir noch, und dann hast Du zu dem Mädchen gesagt, daß sie das Kleingeld bekommt, und dafür könntest Du Dich jetzt ohrfeigen, also für das Kleingeld, nicht für das Bier und nicht für das Mädchen, und jetzt stehe ich da, ohne Zwanzgerle und ohne Kaffee, und da hilft mir auch das Bier nicht mehr, herrjeh.

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Bestimmt zehn Mal fahre ich an der Baustelle vorbei, winkend. Mit Mist, mit dem Radlader, mit dem Mischwagen. Irgendwann, nach Feierabend, halte ich an vor diesem Backsteinlebenstraum, und ich setze mich zu ihnen auf die Bank, zwischen Scheune und wachsendes Haus. Möchtest Du eins, fragt er, und das gehört dazu, also turne ich über den Bau, die Flasche in der Hand, und rufe aus den angedeuteten Räumen Worte wie "Kinderzimmer", "Wohnzimmer" und so weiter, und dann lasse ich mir die Heizung erklären, Scheitholz, metrig, und ich nicke sehr fachmännisch zur zusätzlichen Ölheizung, man weiß ja nie.
Dann sitzen wir wieder da, und ich schaue die beiden an, er ist so alt wie ich, auf den Tag genau, und irgendwo haben wir uns getrennt, in der Schule schon, oder kurz danach, wer weiß das schon, ich kann das gar nicht so recht glauben, daß sie das sein kann für ihn, ich kanns nach acht Jahren noch nicht glauben, und wer das jetzt angreift, diesen Hausbau, und warum da zwei Kinderzimmer eingeplant sind, ich kann das alles nicht sehen, ich gönne ihm das, er sieht glücklich aus, und das wärmt mich, weil er jetzt etwas haben wird, um das er herumlaufen kann, an dem er tun und machen kann, Kollege, sage ich immer wieder, und drehe die Flasche in der Hand, Kollege, weil das jetzt stimmt für ein halbes Jahr, und zu ihr könnte ich das auch sagen, weil das richtig wäre und korrekt.
Ich wünsche den beiden alles Gute und steige übers Trassierband, nebenan baut noch so ein Jungspund, den ich gut kenne, es scheint schon so zu sein, daß ich es bin, der das alles nicht versteht, weil die verstehen das ja alle.
Heute morgen laufe ich den Gang entlang, der wird entlassen und jener, und es fällt ein Name, und mich schaudert, ich sehe einen Traum in Trümmern, ich sehe einen Hilflosen, einen, der jeden Tag aus dem Haus geht, damit niemandem auffällt, daß er zu Hause bleiben könnte, und ich sehe einen, der sich belastet hat, auf Jahre hinaus, aber wahrscheinlich unterschätze ich, und hoffentlich habe ich auch hier wieder falsch verstanden, passiert mir ja oft, und trotzdem habe ich jetzt Angst, mit einem Mal, denn ich bin ja noch in der Seifenblase, hier schillert noch alles, Qualifikation, Weiterbildung, Geduld, und trotzdem, ich will ja auch einmal Kind1 und Kind2 auf ein Blatt Papier schreiben können, -.



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Sie fährt zurück, aus dem Parkplatz, und schon drehen die Reifen durch im Gras, doch es reicht noch so eben, und ich entspanne mich auf dem falschen Sitz ein wenig, als wir mit allen vieren auf dem Schotter stehen. Sie schaut in den Spiegel, sie wird doch nicht, sie fährt noch einmal vor, und das wars dann auch schon. Lass mich mal, sage ich hoffnungslos, aber mit diesem vollbepackten Reisefahrzeug, in der Schräge, in der Wiese, mit zugeschmiertem Profil, was solls, ich rufe drüben an, Könnt ihr mal kurz? und sie sagen Ist nicht wahr, und ich höre sie gröhlen im Zelt, das gehört dazu, doch verlassen kann man sich auch, Wir sind gleich da, sagen sie.
Solange räumen wir den Kofferraum aus, die ganzen Taschen und Kisten, und als ich auf der Suche nach dem Abschlepphaken bin, hängen nur noch meine Beine aus dem Auto. Lachend steht sie neben mir, die Arme verschränkt, und fragt mich, ob wir nicht lieber eine Nummer im Kofferraum, und ich drehe mich zu ihr, den Haken in der Hand, Hättest Du das nicht früher fragen können, sage ich, da kommen schon die anderen.
Da sind sie schon, den Weg entlang, und ohne viel Aufhebens hängen wir an, einmal Zerren genügt, da stehen wir oben, jetzt wird alles gut. Wir würden ein Bier trinken, sagen sie grinsend, und das verspreche ich selbstverständlich. Wir beladen das Auto wieder, und dann fahre ich.
Es wird alles verworren, und das lasse ich lieber, jedenfalls schreiben sie um mich herum, die beiden, und dann ist sie ganz nah und sagt, daß es keinen Rückzieher geben wird. Sie schaut mich an, und ich sie, und ums Auto herum regnet es, Blitz und Donner, und ich senke den Blick, Miststück, sagt sie zu mir, und daß sie ein Biest sei, und damit müsse man umgehen können. Mir wird das zu schwer, zu schwierig, ich steige aus, ach was, das stimmt doch alles nicht, ihr Atem an mir, ihre Hand in meinem Haar, ich fahre an ihrem Schlüsselbein entlang, und in solchen Momenten kommen mir meine Hände immer sehr rauh und grob vor, die Scheiben beschlagen und wir sind uns einig. Ich steige aus und winke, als sie davonfährt. Und dann überlege ich noch, wann ich zum letzten Mal im Auto, das muß schon sehr lange her sein, ich rechne zurück, ein paar wochen nur, wie das verfliegt, denke ich noch, dann kann das nicht so tragisch sein. Ich schlafe ein, das Telefon neben mir. Trotzdem.

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Wir sitzen beim Kaffee, am Sonntagnachmittag, weil ich ja erwachsen bin, seit gestern abend, und früh aufgestanden und geradelt, und die halbe Nacht gearbeitet, aber das muß man ja niemandem sagen, das wissen Sie schon, da kann man dann sonntagnachmittags auch mal Kaffee, und Kuchen, auch wenn das altbacken klingt, ich mag das. Ihre Schwester liegt auf dem Sofa, Autounfall, ich bedaure sie von der Küche aus, und da kommt sie auch schon und erzählt, und ich mag das Mädchen mit dem leichten Silberblick und den großen Ohrringen, wie sie damit liegen kann frage ich nicht, wahrscheinlich hat sie die extra wieder angelegt, als ich gekommen bin, denn Mädchen sind ja so.
Die Tür schlägt, der Hund bellt, ich stehe auf und stelle mich den Eltern vor. Onkel und Tante, Cousin und Cousine, und dann verziehen wir uns, das ist so teen als wären wir nicht beide twen und was rede ich da eigentlich?
Ich bastle am Rechner, während sie um mich herumtänzelt und das einseitige Gespräch am Leben hält. Das macht ihr nichts aus, das weiß sie schon, ich konzentriere mich auf die Maschine und das Problem, ich bin dann sehr tief unter Wasser und sehe die Menschen nur als Schatten an der Oberfläche. Sie geht nach unten und kommt wieder, Sie finden Dich sehr nett, sagt sie, und das ehrt mich ja irgendwie, sehr nett gefunden zu werden, weil irgendwie bin ich das ja auch, oder möchte es zumindest sein, aber das ist auch irgendwie ein Todesurteil, etwas Endgültiges, und "Kumpel mit Titten" sagt sie noch irgendwann, ich erfinde das nicht dazu, ich weiß nur den Zusammenhang nicht mehr, jedenfalls schmeckt das alles ein wenig schal, weil das Feuer raus ist, da kann ich noch so sehr unter den Tisch krabbeln und Kabel sortieren. Ich kann nicht ans Problem, weil ein Teil davon im Arbeitszimmer steht, und da kann man micht nicht reinlassen, da ist nicht aufgeräumt. Dieser Logik habe ich nicht viel entgegenzusetzen, also kapituliere ich fürs erste, verabschiede mich und gehe. Nett.
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