15.03.24, 19:46
Und wie ich so fahre, auf dem freitagnachmittäglichen Heimweg von der letzten Vorlesung der Woche, auf der vierspurigen Bundesstraße in Richtung Sonnenuntergang und Heimat, den Blinker gesetzt, kein Arg im Sinn, und wenn ich recht drüber nachdenke, sowieso kaum die Sinne beisammen, wie das so ist auf routiniert befahrenen Strecken und ohne Pressanz, da habe ich mit einem Mal beide Hände am Lenkrad und den Fuß hart auf der Bremse, ein Auge im Rückspiegel und eines auf der Frau, die eben mit ihrem Akkurad auf die Fahrbahn schlingert. Ich will eben nach dem Warnblinklicht greifen, da tackert es schon munter. Auch Jahre nach dem Ende des Erprobungsfahrerdrills sitzen manche Reaktionen noch tief, werde ich später denken. Spiegel, Schulterblick, mit wehend offener Jacke rennen, Geschrei. Man müsse doch in den Ort, werde ich angemotzt, aber herrisch und laut kann ich auch, und grob zerre ich Rad und Fahrerin in Richtung Leitplanke. Dahinter ein Abhang, den ich der Dame nicht zutraue, und einen Wimpernschlag später sind wir auf dem Rückweg, die Frau auf dem Rad und ich mit beiden Händen am Gepäckträger. Wir fahren ab auf der Auffahrt, vorbei an den blauen Tafeln mit dem netten Grinse-Auto drin, und ich denke noch, ob sie unsere Umrisse vielleicht in Kreide auf den Asphalt malen werden, oder ob es nur Kurzzeichen gibt, einen Smiley da, wo mal der Kopf war, und vielleicht einen Daumen, wo ein Arm hingehört hätte. Da lang geht's zum Dorf, schreie ich die Frau an, und zumindest das scheint sie zu verstehen, und für einen Augenblick sehe ich in ein Leben, in dem man nur geschubst und angeschrien wird, aber Empathie ist so ein Ding mit Anlauf, und für Anlauf war nun gerade keine Zeit. Ich zeige mit ausgestrecktem Arm den Weg, und tapfer tritt sie los, nun auf der unbefahrenen Nebenstrecke unterwegs, und sogar in Richtung ihres laut vorgetragenen Ziels. Ich renne zurück zum Auto, es hupt hier und da, und meine Güte, denke ich, ich kanns ja auch nicht erklären, was ich da so mache, zu Fuß im Rentnergalopp auf einer Schnellstraße.
nnier   |  
15.03.2024, 20:02   |  
Uff. Aber jetzt kann ich es ja erzählen, als ich neu in der großen Stadt war, geriet ich mit meinem Fahrrad auch mal ganz naiv auf eine innerstädtische Kraftfahrstraße. Nachdem vorbeisausende LKW mir ein paar Einheiten Nebelhorn verpasst hatten, begriff ich dann doch und schleppte mein Rad durch das Dickicht eine Böschung hinauf in irgendwelche Privatgrundstücke, aber alles besser als da unten, gleich in welcher Fahrtrichtung.
nnier   |  
16.03.2024, 10:01   |  
Gleich noch eine solche Sache fiel mir heute nacht ein: Wir fuhren mit Kind und VW-Bus auf die sogenannte Hochstraße, als wir dort auf eine ältere Dame trafen, die ihr Fahrrad hinaufschob. Sie war ganz überzeugt, den Weg zu kennen, ließ sich aber nach ein paar Minuten immerhin überreden, sich von uns hinüberfahren zu lassen. Dazu packte ich ihr Rad auf den Heckträger und platzierte sie hinten, neben dem Kindersitz. Noch Tage später fragte mein kindergartenkleiner Sohn danach, wie es wohl der "alten Frau" gehe und ob sie zu ihren Verwandten gefunden habe.