Der Neue passt zum Sommer. Celsius heißt er, und ist ein ganz schön dicker Brummer. Immerhin wurde er mit seinen Kumpels auf einer Palette angeliefert, und beim Hereintragen, Auseinandernehmen, Reinigen und Zusammensetzen kam ich ganz nett ins Schwitzen.
Der Große tut zwar noch fleißig seinen Dienst, und das immerhin seit knapp sieben Jahren. Aber trotzdem war es Zeit, und die Gelegenheit außerdem günstig. Weg also vom alten Pentium 4, der damals ein ganz schöner Kracher war, mit Hyper Threading und einer irrsinnigen Taktrate. Damals hatte man die Abwärme noch nicht im Griff, also ziehen sich Kupferbleche und Lüftungskanäle durch die ganze Kiste, und jedes Jahr ist darin Großreinemachen angesagt, weil er mit der ganzen Luft auch eine Menge Staub einfängt. Dafür wird er mit dem ganzen Staub immer leiser, bis er auf einmal sehr laut wird, wenn er gar nicht mehr nachkommt mit dem Kühlen.
Klein kommt er mir jetzt vor, wo der Dicke sich neben ihm breit macht. Es heißt nun wohl Abschied nehmen. Abschied von einem problemlosen System. Aufgesetzt irgendwann über die Weihnachtsfeiertage zweitausendunddrei. Das war damals, als man sich noch Zeit nahm, um ein System in den Sattel zu hieven, das man dann auch wirklich reiten konnte. Ich kann mich jedenfalls an keinen einzigen Bluescreen erinnern, nur an die hilflose Verzweiflung, mit der ich die damals neue Serial-ATA-Schnittstelle verflucht habe. Es waren schlicht und ergreifend keine Treiber dabei, und die Betriebssysteme hatten derartiges auch noch nicht. Seufzend machte ich mich also auf und fand - auf ein Diskettenlaufwerk hatte ich ahnungsloser Zukunftsgläubiger damals verzichtet, nicht zuletzt, weil es extra gekostet hätte - ich fand also heraus, was Slipstreaming bedeutet, wie man das macht, und sowieso und überhaupt. Klaglos nahm er das hin, und klaglos installierte er und vernichtete wieder, in der Box oder im System selbst, Sinnvolles und Unsinniges. Zu groß, zu schwer, er stemmte CAD und Fotos und Videos, und Aufgeben gab es nie. Wenige Updates, dafür die richtigen. Ein sicheres Netz. Datensicherung. Ein Staubsauger. Mehr brauchte es doch gar nicht für uns beide.
Dann sind wir zwei umgezogen, einmal, zweimal, dreimal. Beim letzten Umzug durfte er schon zu hause bleiben, es war einfach die Mühe nicht mehr wert. Traurig, wenn man von einem flachen Hüpfer mit zwei, drei Pfund ersetzt wird, denke ich. Aber das stimmt ja nicht, denn jedes Wochenende kehrte ich zu ihm zurück, und genoß den Abstand zum Bildschirm, die große Tastatur und nicht zuletzt die Möglichkeit, kalte Füße auf ihm zu wärmen. Was er jetzt tun soll, weiß ich noch nicht. Für einen Server säuft er viel zuviel, obwohl er in den Anfangszeiten auch das nebenbei erledigen mußte. Nachts alleine wachbleiben und die Sicherungen einsammeln. Das brachte ihm zwar eine zweite Netzwerkkarte und einen Plattenverbund ein, aber ich mochte ihm nicht die ganze Nacht beim ächzenden Schleppen der Datenpakete durchs ganze Haus zuhören. Also ließen wir das bleiben und beschafften die NAS. Muß man sich mal vorstellen, die ist schon längst wieder auf dem Sperrmüll. Ein Profigerät im Rackformat, das sich immer ein wenig überkandidelt aufführte, als sei sie ein pikierter Hochwohlgeborener in der Gesellschaft dreckiger Gören. Und er hier, zwar auch mit "Company"-Deklaration, aber doch eher als Sportgerät gedacht, ist immer noch da. Mit allem, was ich in den letzten Jahren erarbeitet habe. Mach es gut, Großer. Ein Backup noch, dann bist Du frei.
(Ich behalte Dich in der Sandbox, ja?)

Bitte, geh nicht!

(Aufgew.)

Hier sterben, denke ich. Bei Freunden auf der Bank vor dem Haus sitzend, ein Bier in der Hand, in die laue Nacht hinauslachend.