15.07.10, 02:49 | 'Nicht drueber nachdenken'
So richtig klug ist das alles nicht.
Da ist der ausgebeulte Reifen, den ich, vom Bäcker kommend bemerke und vorsichtig bis zur Tankstelle bitte und bettle, bevor mir der Mantel von der Felge springen kann. Da ist das Rad, mit dem ich am nächsten Abend unterm Dachvorsprung des Institutes stehe, während es aus gelbem Himmel den Regen herabprügelt. Da ist das Notebook, das ich unterm Arm trage, mit einfach allem darauf. Ein Stockwerk weiter oben baumelt noch das Kabel, über das ich eine Datensicherung hätte machen können. Stattdessen stehe ich im Regen. Und das Rad hat auch einen Platten. Ich wickle die Chipstüte, deren Inhalt ich in meiner hungrigen Verzweiflung in mich hineingestopft habe, um das Notebook. Das sieht dürftig aus, aber mit der Tasche könnte es gehen. Und falls Sie fragen: Die Tür habe ich schon hinter mir zugeworfen. Nette Idee, trotzdem. Dann ist da dieser Verein, dem ich eine neue Webseite zugesagt habe. Natürlich viel zu billig, wie der Zimmerer kopfschüttelnd verlauten ließ. Da sind die drei Tage in den Alpen, aber kein Fahrrad dabei. Stattdessen ein Reisebus und eine Menge Kraftwerke. Dabei hätte ich ja Termine. Dann eine Hochzeit. Ich mag keine Hochzeiten. Das stimmt zwar nicht, aber ich kann ja nicht sagen, daß ich diese Hochzeit nicht mag. Dann ist da diese Arbeit, die sich nun schon über mehr als sechzig Seiten ausbreitet, und die dringend fertig sein sollte. Mein Ziel, die zwei Wochen, waren nicht zu machen. Es werden drei, zähneknirschende. Und mittendrin setze ich mich einen Tag hin und bastle am Glossar. Nicht, daß ich die Einträge schreiben würde, nein, ich bastle nur daran, daß das Glossar tatsächlich funktioniert. In der Zeit, in der ich den Automatismus beherrschen lerne, hätte ich meine drei Variablen längst eingetragen. Dann ist da dieses Dach, auf dem ich neulich stand. Auf dem mir eine Idee kam. Und ich nach einer Wohnung fragte. Nur so. Ohne aus dieser heraus zu sein. Ohne zu wissen, wo es hin geht. Da ist auch noch dieser Wagen, der mir im Kopf herumspukt. Jetzt, wo ich eine Wohnung einrichten wollte. Stattdessen gehe ich mit einem Diesel schwanger, und unterm Tisch steht ein tobender Kraftprotz, für den ich ehrlich gesagt weder eine Verwendung noch ein Betriebssystem habe. Da ist dieser ältere Herr, an dessen Vorzimmertür ich zaghaft klopfe. Die Gesuchte ist nicht da, sie ist krank. Er hilft mir gern, jemanden zu suchen, ich biete ihm an, morgen wieder zu kommen. Schwachsinn, sagt er, morgen ist die noch genauso krank. Ich weiß nicht, welchen Termin ich habe, in welcher Gruppe ich bin und was genau ich brauche. Ich weiß nur, daß ich diese Woche irgendwann hier sein sollte. Ich finde nicht einmal meinen Namen auf der Liste, und selbst das erträgt der Herr mit Güte. Dann ist da noch dieses Zeugnis und die Verwirrung darum. Es gibt eine Vorlage von hier, eine von dort, und eine interne. Ich habe alle drei, aber die gesuchte nur als Kopie. Sagt man mir, also coloriere ich mühselig die schwarze Tinte am Rechner in leuchtendes Blau und drucke den Krempel farbig aus. Nie wieder schwarze Faserschreiber, schwöre ich mir, und daß ich auch daran einmal scheitern könnte. Dann ist da dieses Radrennen, das ich seit langem wieder mit Freude verfolge. Livestream, Liveticker, Livetelemetrie auf zwei Bildschirmen. Und ich ertappe mich dabei, einen zu mögen, den ich nie gemocht hatte. Dann ist da noch all das, was ich erzählen wollte. Was ich gemacht habe in den letzten, stillen Tagen. Was ich festhalten wollte und was mir jetzt langsam entgleitet. Der Mann, den ich immer im Scherz angetrieben habe, für den ich mich immer angetrieben habe, und wie er verzweifelt den Schuhbändel betrachtet, den er nicht mehr binden kann. Er kann sich nicht mehr weit genug bücken, und als er mich in der prallen Sonne allein mit dem zähen Haufen kämpfen lässt, mit den Händen das Gras hereinscharren, die Folien überziehen, die Sandsäcke legen, da verraucht der bissige Witz, der ihn anstacheln soll, und verdampft in der Hitze. Dann ist da dieses Fest, wo kommt das denn nun her, ich hatte das doch weg, und wußte so gar nicht, warum eigentlich. Jedenfalls stehen wir in der Bar und schwenken unsere Hemden wie Lassos, und mit einem Pilsglas in der Hand verschlafe ich dann die Heimfahrt. Da ist mehr, das ich verlassen habe. Einfach nur nicht mehr da gewesen. Lange genug, um mich fremd zu fühlen, und bei mir geht so etwas ja sehr schnell. Deshalb will ich ja auch nicht weg. Jedenfalls bin ich fremd dort, und deshalb stehe ich in Sichtweite und starre hinüber, während mir das Wasser bis an die Brust steht. Müde patsche ich herum, ein Ball zischt heran, und dann müssen wir das Wasser ablassen, weil man niemals Flaschen mit ins Schwimmbad nehmen sollte. Oder zumindest sollte man sie nicht von einem Ball zerdeppern lassen. Dann stehen wir da, ohne Wasser, und deshalb fahren wir in der Gluthitze an eine dreckige Pfütze, braten in der Sonne, bis mir der Schweiß im Bauchnabel zusammenläuft, und am Abend habe ich einen winzigen Sonnenbrand, dort, wo ich mit den Händen am Rücken nicht hinkomme. Es ist nicht viel, und es sieht ganz witzig aus, aber so ungelenkig ist das Altern eben, und mit Sonnenbrand unter den Schulterblättern kann man dann auch gar nicht mehr schlafen. Wie gesagt: klug ist das alles nicht.
Da ist der ausgebeulte Reifen, den ich, vom Bäcker kommend bemerke und vorsichtig bis zur Tankstelle bitte und bettle, bevor mir der Mantel von der Felge springen kann. Da ist das Rad, mit dem ich am nächsten Abend unterm Dachvorsprung des Institutes stehe, während es aus gelbem Himmel den Regen herabprügelt. Da ist das Notebook, das ich unterm Arm trage, mit einfach allem darauf. Ein Stockwerk weiter oben baumelt noch das Kabel, über das ich eine Datensicherung hätte machen können. Stattdessen stehe ich im Regen. Und das Rad hat auch einen Platten. Ich wickle die Chipstüte, deren Inhalt ich in meiner hungrigen Verzweiflung in mich hineingestopft habe, um das Notebook. Das sieht dürftig aus, aber mit der Tasche könnte es gehen. Und falls Sie fragen: Die Tür habe ich schon hinter mir zugeworfen. Nette Idee, trotzdem. Dann ist da dieser Verein, dem ich eine neue Webseite zugesagt habe. Natürlich viel zu billig, wie der Zimmerer kopfschüttelnd verlauten ließ. Da sind die drei Tage in den Alpen, aber kein Fahrrad dabei. Stattdessen ein Reisebus und eine Menge Kraftwerke. Dabei hätte ich ja Termine. Dann eine Hochzeit. Ich mag keine Hochzeiten. Das stimmt zwar nicht, aber ich kann ja nicht sagen, daß ich diese Hochzeit nicht mag. Dann ist da diese Arbeit, die sich nun schon über mehr als sechzig Seiten ausbreitet, und die dringend fertig sein sollte. Mein Ziel, die zwei Wochen, waren nicht zu machen. Es werden drei, zähneknirschende. Und mittendrin setze ich mich einen Tag hin und bastle am Glossar. Nicht, daß ich die Einträge schreiben würde, nein, ich bastle nur daran, daß das Glossar tatsächlich funktioniert. In der Zeit, in der ich den Automatismus beherrschen lerne, hätte ich meine drei Variablen längst eingetragen. Dann ist da dieses Dach, auf dem ich neulich stand. Auf dem mir eine Idee kam. Und ich nach einer Wohnung fragte. Nur so. Ohne aus dieser heraus zu sein. Ohne zu wissen, wo es hin geht. Da ist auch noch dieser Wagen, der mir im Kopf herumspukt. Jetzt, wo ich eine Wohnung einrichten wollte. Stattdessen gehe ich mit einem Diesel schwanger, und unterm Tisch steht ein tobender Kraftprotz, für den ich ehrlich gesagt weder eine Verwendung noch ein Betriebssystem habe. Da ist dieser ältere Herr, an dessen Vorzimmertür ich zaghaft klopfe. Die Gesuchte ist nicht da, sie ist krank. Er hilft mir gern, jemanden zu suchen, ich biete ihm an, morgen wieder zu kommen. Schwachsinn, sagt er, morgen ist die noch genauso krank. Ich weiß nicht, welchen Termin ich habe, in welcher Gruppe ich bin und was genau ich brauche. Ich weiß nur, daß ich diese Woche irgendwann hier sein sollte. Ich finde nicht einmal meinen Namen auf der Liste, und selbst das erträgt der Herr mit Güte. Dann ist da noch dieses Zeugnis und die Verwirrung darum. Es gibt eine Vorlage von hier, eine von dort, und eine interne. Ich habe alle drei, aber die gesuchte nur als Kopie. Sagt man mir, also coloriere ich mühselig die schwarze Tinte am Rechner in leuchtendes Blau und drucke den Krempel farbig aus. Nie wieder schwarze Faserschreiber, schwöre ich mir, und daß ich auch daran einmal scheitern könnte. Dann ist da dieses Radrennen, das ich seit langem wieder mit Freude verfolge. Livestream, Liveticker, Livetelemetrie auf zwei Bildschirmen. Und ich ertappe mich dabei, einen zu mögen, den ich nie gemocht hatte. Dann ist da noch all das, was ich erzählen wollte. Was ich gemacht habe in den letzten, stillen Tagen. Was ich festhalten wollte und was mir jetzt langsam entgleitet. Der Mann, den ich immer im Scherz angetrieben habe, für den ich mich immer angetrieben habe, und wie er verzweifelt den Schuhbändel betrachtet, den er nicht mehr binden kann. Er kann sich nicht mehr weit genug bücken, und als er mich in der prallen Sonne allein mit dem zähen Haufen kämpfen lässt, mit den Händen das Gras hereinscharren, die Folien überziehen, die Sandsäcke legen, da verraucht der bissige Witz, der ihn anstacheln soll, und verdampft in der Hitze. Dann ist da dieses Fest, wo kommt das denn nun her, ich hatte das doch weg, und wußte so gar nicht, warum eigentlich. Jedenfalls stehen wir in der Bar und schwenken unsere Hemden wie Lassos, und mit einem Pilsglas in der Hand verschlafe ich dann die Heimfahrt. Da ist mehr, das ich verlassen habe. Einfach nur nicht mehr da gewesen. Lange genug, um mich fremd zu fühlen, und bei mir geht so etwas ja sehr schnell. Deshalb will ich ja auch nicht weg. Jedenfalls bin ich fremd dort, und deshalb stehe ich in Sichtweite und starre hinüber, während mir das Wasser bis an die Brust steht. Müde patsche ich herum, ein Ball zischt heran, und dann müssen wir das Wasser ablassen, weil man niemals Flaschen mit ins Schwimmbad nehmen sollte. Oder zumindest sollte man sie nicht von einem Ball zerdeppern lassen. Dann stehen wir da, ohne Wasser, und deshalb fahren wir in der Gluthitze an eine dreckige Pfütze, braten in der Sonne, bis mir der Schweiß im Bauchnabel zusammenläuft, und am Abend habe ich einen winzigen Sonnenbrand, dort, wo ich mit den Händen am Rücken nicht hinkomme. Es ist nicht viel, und es sieht ganz witzig aus, aber so ungelenkig ist das Altern eben, und mit Sonnenbrand unter den Schulterblättern kann man dann auch gar nicht mehr schlafen. Wie gesagt: klug ist das alles nicht.
hora sexta   |  
15.07.2010, 10:49   |  
Verwundbar sein, und sei es nur zwischen den Schulterblättern. Das Altern ist eben auch kein Drachenblut, zum Glück, finde ich.
texas-jim   |  
15.07.2010, 11:21   |  
Der Liter kalter Milch gegen Mitternacht sorgt auch nicht für den besten Schlaf. Siehe oben. Herrjeh.
Ich würde ja lieber dort verwundbar werden, wo ich mich auch kratzen kann.
Ich würde ja lieber dort verwundbar werden, wo ich mich auch kratzen kann.