Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Mittwoch, 23. 06 10

23.06.10, 11:47 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Lebewohl.

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Mist.

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"If this heart is really yours, then you should decide who is to take and break it, don't you think?"

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Ich sitze da und schreibe, oder glaube es zumindest. Immer wieder gammle ich fahrig herum, und plötzlich erwische ich mich dabei, etwas nicht zu wissen. Ich weiß aber, daß ich es wissen könnte. Und so sitze ich dann da und kritzle Formeln auf Papier, und da kommt auch schon der Freund und setzt sich zu mir, und "Adiabat!" sage ich, und "Kappa!" sagt er, und das sieht dann alles so aus:



Soll heißen: Sollten Sie je den Dämpfer Ihrer Federgabel am Fahrrad mit einem anderen Gas füllen wollen, wird diese ein wenig anders reagieren, je nach Isentropenexponent des Gases. Steigen Sie nur von trockener Luft auf Kohlenstoffdioxid um, so - aber wen interessiert das außer den beiden dort im summenden Rechnerraum, vergnügt über ein Blatt Papier gebeugt.

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Es regnet in Strömen, als wir losfahren, und verwundert wache ich irgendwann auf. Es muß irgendwas sein, das mich neuerdings schlafen lässt, wenn jemand anders fährt.
Dösend höre ich dem Gespräch hinter mir zu und lasse die Augen geschlossen. Ich will nichts sagen, nur zuhören. Sie reden von Großeltern und Sammelleidenschaften, von Erlebnissen und Telefontarifen, von Frauen und Professoren. Das Gespräch wandert, aber es bleibt nie stehen. Das ist Small-talk, denke ich da, das ist also das, was man so macht.

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Da ist einer, der seinen Geburtstag feiert, in einer Ecke dieses riesigen Zeltes. Einer, der tatsächlich ein Gastgeber ist, der nach allem schaut und alles besorgt. Einer, der einen sich tatsächlich eingeladen, willkommen fühlen lässt. Mir ist wohl und ich bin müde, und so kann ich ins Bett fallen, denke ich blinzelnd.

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Meine Furcht.

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Der Samstag verschwindet. Ich schreibe und drucke und hefte ab. Klassischer Beamtendreikampf, denke ich. Mittendrin schrecke ich auf - Fehlt mir etwas? Ich sehe aus dem Fenster in das trübe, nasskalte Wetter. Alles. Nichts.

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Ich werde zum Essen genötigt, wieder und wieder. Erstmals die Hoffnung, es möge allen schmecken, was ich gebacken habe, und das fühlt sich sehr hausmännlich an, auch wenn es das Wort gar nicht gibt.

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Wir verkaufen Bier an die wenigen Gäste. Die Band ist großartig, und die nächste noch großartiger. Es ist kalt, und es ist eben nicht mehr umsonst, und überhaupt habe ich auch keine Ahnung, warum diese Feste nicht mehr funktionieren. Die großen Festivals platzen aus allen Nähten, und die kleinen, die nahen, die sterben ausnahmslos.

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Ich trage das alte Hemd mit der Sau in Gold, das neue mit der Sau in weiß, und als ich das zeigen soll, da stehe ich plötzlich irgendwie mit entblößtem Oberkörper vor dem Bürgermeister, aber das macht nichts, man kennt sich ja.

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Ich kaufe eine CD bei der Band, und dazu unterschreiben sie alle darauf. Die Drogen. "Die besseren Ärzte", sage ich zu einem, und er schaut mich an. Über Musik können wir beide nicht streiten, also trinken wir noch eins und schunkeln ein wenig.

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"Ich möchte es in den Wolken lesen
wenn es wieder in Strömen gießt"
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Die Steaks sind wunderbar, und mit Schalotten und Ketchup im Milchwecken, eines in jeder Hand mache ich mich beschwingt zu Fuß auf den Heimweg. Die letzte Band spielt Klassiker als Südstaatenrock, und sie begleiten mich bis nach hause.
Es war wohl das letzte dieser Feste.

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Der riesige Lautsprecher kratzt, die Spule riecht verbrannt. "Hast Du immerhin einen Werkstattmagneten", sage ich, das Cuttermesser noch in der Hand, und werfe ihm die Leiche zu. Grinsend erzählt er von der Nacht, von den Wirrungen, und er streckt lachend die Zunge heraus, als er vom Morgen erzählt.

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Ein Regal, ein großes. Ich habe die Kisten so satt, in denen sich die Bücher verstecken.

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Ich sehe mir ein Auto an. Einhundertdreißig Dieselpferde, dafür nur eine gelbe Plakette. Ein Kombi in silber, das unscheinbarste aller Autos. Ein Volkswagen, und dann denke ich wehmütig an den Beemes und daran, daß ich so alt nun auch wieder nicht bin. Dann lieber MX-5 und das Rad zu hause lassen.

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Bis spät in die Nacht hält mich ein Buch wach, und ich lasse das einfach zu. Selten genug, daß ich noch lese und nicht mehr loslassen kann. Selten genug, daß ich die Augen zusammenkneife, um weiterlesen zu können. Selten genug, daß ich so viele Seiten schaffe. Als das Buch bricht, lege ich es zur Seite, ich möchte heute nacht nichts vom Tod lesen.

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Glück ist, wenn an dem einen Tag, den Du auf dem Dach verbringst, die Sonne scheint. Und so schraube ich unermüdlich, kniend, sitzend, gebückt, je nach dem, was mir am wenigsten weh tut, auf dem Blechdach in der Sonne, vom kühlen Wind umschmeichelt, denn so richtig Sommer ist es noch nicht.
Nebenbei erzählt die Bäurin vom Kaiserschnitt, und nebenan mäht einer, und ich lache mit den anderen Schraubern und denke an die erste Anlage, die ich montiert habe, vor zehn Jahren. Es war eine Chance, denke ich heute, wenn ich mir diesen Chef so ansehe, es war eine Chance für jemanden, der sich gern bewegt. Zum ersten Mal der Gedanke, ich könnte an jemandes Stelle sein. Zum ersten Mal der Gedanke, daß es schon recht so ist.
Abends steige ich hinunter und aufs Rad, und es scheint noch immer die Sonne, es ist noch immer Glück. Meines.

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Ich komme nicht recht voran zwischen drei Dutzend Dokumenten und Hilfeseiten und meinem eigenen Text. Es ist der Platz, kommt es mir irgendwann, und zehn Minuten später habe ich einen zweiten Bildschirm und das Klackern der Tastatur im Ohr.

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Heute kommt, nach Wochen! die Radfreizeit in der Tageszeitung. Ich bin nicht auf dem großen Bild, ich war wohl am Strand, wo ich hingehöre. Da fehlen noch ein paar, die wohl dabei waren. Andere recken die Arme in die Luft, spreizen Zeige- und Ringfinger, sie lachen laut heraus. Ich erkenne die Kinder wieder, ich finde Namen im Gedächtnis, und Bilder, und plötzlich habe ich Heimweh nach dem Bodensee. Nach den Zelten, den Rädern, nach dem Steg. Und wenn ich vom nächsten Jahr auch noch nichts weiß, das hier weiß ich sicher.

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Jetzt: Mähen.
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