01.05.24, 10:37
Ein oder zwei Male im Jahr werden die Durchschnittslöhne durch die Medien gereicht. Und bevor wie üblich der Streit losgeht, wie schmal oder breit der Streifen zwischen bitterer Armut und obszönem Reichtum denn sein darf, wird in schöner Regelmäßigkeit auf die eingeschränkte Aussagekraft des Durchschnitts hingewiesen. Bis zum Median reicht der Wille zur Aufklärung meist noch, aber quadratische und geometrische Mittelwerte werden dann schon gar nicht mehr betrachtet. Derzeit geistern statt der Löhne die Arbeitszeiten durch die Medien, und dabei gehen die Medien, allen voran der ehemalige Kanzlerkandidat, noch einen Schritt weiter zurück und betrachten nur die Summe der geleisteten Arbeitsstunden. Man muß schon ein Weilchen graben, was den Vorteil hat, ebendiesen ehemaligen Kandidaten weit hinter sich lassen zu dürfen, um wenigstens den Hinweis zu finden, daß der Durchschnitt sinkt, auch wenn die Summe steigen mag, der einzelne im Durchschnitt also weniger Stunden leistet. Bis zum Median reicht es dann nicht mehr, und ein Schelm, wer mehr als den Willen zum allzu frühen Feierabend dahinter vermutet.
novemberregen   |  
01.05.2024, 11:38   |  
Ich war über die Darstellung auch überrascht.
Gleichzeitig frage ich mich, warum es wünschenswert sein sollte, dass die einzelne Person mehr Stunden arbeitet. Natürlich verstehe ich den Zusammenhang zwischen Arbeitstätigkeit und Steuer-/Sozialabgaben, die hängen aber ja wiederum vom Lohn/Gehalt ab und nicht (oder nur in Sonderfällen, Werkstudium z.B.) mit den Arbeitsstunden zusammen, zusätzlich ist das bei Personen, die (im Bereich Sozialversicherung) über der Beitragesbemessungsgrenze liegen, dann auch wieder egal, ob sie noch 1000 Euro mehr verdienen oder nicht, weil sie die Stunden erhöhen. Ich weiß insgesamt überhaupt nicht, was die Aussage dieser Aussage sein soll.
Gleichzeitig frage ich mich, warum es wünschenswert sein sollte, dass die einzelne Person mehr Stunden arbeitet. Natürlich verstehe ich den Zusammenhang zwischen Arbeitstätigkeit und Steuer-/Sozialabgaben, die hängen aber ja wiederum vom Lohn/Gehalt ab und nicht (oder nur in Sonderfällen, Werkstudium z.B.) mit den Arbeitsstunden zusammen, zusätzlich ist das bei Personen, die (im Bereich Sozialversicherung) über der Beitragesbemessungsgrenze liegen, dann auch wieder egal, ob sie noch 1000 Euro mehr verdienen oder nicht, weil sie die Stunden erhöhen. Ich weiß insgesamt überhaupt nicht, was die Aussage dieser Aussage sein soll.
texas-jim   |  
01.05.2024, 17:00   |  
Ich habe gar nicht den Wunsch äußern wollen, daß irgendjemand mehr arbeitet. Mit meinem letzten Satz wollte ich mich nur drüber lustig machen, wie schlampig da recherchiert, nachgedacht und berichtet wird. Das könnte ich aber durchaus zu einem allgemeinen Punkt ausbauen: Mir ist in den meisten Fällen egal, wie lang jemand für eine Arbeit braucht, aber ich möchte gern ein gutes Ergebnis sehen. Daß es diesen Wunsch aber gesellschaftlich und politisch gibt, um Geld in die verschiedenen Kassen zu spülen, ist natürlich wahr.
Verwenden könnte man die Zahlen durchaus für soziale und politische Analysen. Ich habe zum Beispiel europäische Vergleiche der Wochen- und Jahresarbeitszeiten gesehen. Ich kenne Diskussionen um Arbeitslose, um die Teilzeitfalle, aber auch die um "Dekadenz" und "Faulheit". Und wo ich so drüber nachdenke, würde mich ein Histogramm der Wochenarbeitszeiten durchaus interessieren, um mich einzuordnen.
Verwenden könnte man die Zahlen durchaus für soziale und politische Analysen. Ich habe zum Beispiel europäische Vergleiche der Wochen- und Jahresarbeitszeiten gesehen. Ich kenne Diskussionen um Arbeitslose, um die Teilzeitfalle, aber auch die um "Dekadenz" und "Faulheit". Und wo ich so drüber nachdenke, würde mich ein Histogramm der Wochenarbeitszeiten durchaus interessieren, um mich einzuordnen.
novemberregen   |  
01.05.2024, 17:10   |  
Nein, sorry, ich meinte nicht dich, in vielen Artikeln zu dem Theme geht es darum, dass es ein Problem sei, dass die Stunden pro Person sinken und das finde ich zusätzlich noch nicht gut erklärt (also: ich verstehe es jedenfalls nicht).
texas-jim   |  
02.05.2024, 06:47   |  
Ach so. Über anderer Leute Gedanken kann ich auch nur spekulieren, und da fallen mir spontan drei ein, wobei ich mir die damit nicht zu eigen machen will:
Zum einen die Faulheitsdebatte, die aus dem Klagen über die Infrastruktur herrührt. "Keiner macht mehr was richtig, keiner will mehr was tun." Die Verknüpfung zwischen vielen Stunden und dem Richtigmachen ist natürlich mehr als fragwürdig.
Zum anderen der Fachkräftemangel, für den es natürlich nach einer einfachen Lösung klingt, wenn jede Fachkraft mehr Stunden in ihrem Fach verbringt.
Zum dritten sind es Kosten- und Steuerfragen, da man bei zwanzig Halbtagskräften mehr Aufwände vermutet als bei zehn Vollzeitstellen, sei es bei Schreibtischen, Rechnern, der Abrechnung, den notwendigen Übergabearbeiten. Dazu kommt die Einkommensteuer, die mit sinkender Arbeitszeit auch prozentual sinkt, die Steuer also mit steigender Arbeitszeit überlinear ansteigt.
Zum einen die Faulheitsdebatte, die aus dem Klagen über die Infrastruktur herrührt. "Keiner macht mehr was richtig, keiner will mehr was tun." Die Verknüpfung zwischen vielen Stunden und dem Richtigmachen ist natürlich mehr als fragwürdig.
Zum anderen der Fachkräftemangel, für den es natürlich nach einer einfachen Lösung klingt, wenn jede Fachkraft mehr Stunden in ihrem Fach verbringt.
Zum dritten sind es Kosten- und Steuerfragen, da man bei zwanzig Halbtagskräften mehr Aufwände vermutet als bei zehn Vollzeitstellen, sei es bei Schreibtischen, Rechnern, der Abrechnung, den notwendigen Übergabearbeiten. Dazu kommt die Einkommensteuer, die mit sinkender Arbeitszeit auch prozentual sinkt, die Steuer also mit steigender Arbeitszeit überlinear ansteigt.