Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 15. 06 10

15.06.10, 01:52 | 'buying in just like a bunch of fools'
Plötzlich fiel mir auf, daß ich eine sehr seltsame Figur abgeben mußte, vor dem riesigen Regal mit den Haarwaschmitteln, von blond bis schwarz, und hilflos kratzte ich mich am Kopf, nur um festzustellen, daß da ja neuerdings wieder keine Haare mehr sind. Problem gelöst, lachte ich mir zu, vergaß auch noch das Tomatenmark und marschierte erleichtert zur Kasse.
In der Reihe vor mir ein Pärchen mit einem Einkaufswagen, danach ich mit meiner großen Tasche. Als ich noch kein so gewiefter Einkäufer war, nahm ich mir auch immer einen solchen Wagen, nur um draußen entsetzt festzustellen, daß ich niemals alles in die Tasche bekommen würde. Es aber drinnen in die Tasche packen traute ich mich nicht, um nicht sofort und auf der Stelle vom Ladendiebstahlsondereinsatzkommando verhaftet und hingerichtet zu werden. Ich gehe heute übrigens immer noch ungern einkaufen.
Das Mädchen vor mir lächelt meine Brust an. "Racing" steht da, und "I'm in it." Das Hemd habe ich vor Jahren gewonnen, als ich ein einziges Mal an einem Stoppelcross teilnahm und versehentlich Vierter wurde. Man attestierte mir mehr Glück als Verstand, und noch heute verdeckt in glücklichen Situationen der breite Schulterriemen meiner Tasche den Rest der Aufschrift: "for the chicks." Glück und Verstand eben.
Die beiden packten ihre Sachen auf das Gummiband, das klebrig befleckt war. Seine vorne, ihre danach, und lächelnd legte sie einen Plastikklotz dazwischen. Als wollte sie die Welt wissen lassen, daß sie beide nur in derselben Wohnung lebten, oder sie ihn nur mitnahm, weil er ein Auto besaß. Vielleicht war das aber auch nur ihre Art, mit ihm Schluß zu machen und von jetzt an ihr Zeug wieder selbst zu bezahlen. Muß man auch kein schlechtes Gewissen haben, dann, und er hat sich die unsichere Ausgabe auch gespart, und so grinsten die beiden sich an, als hätten sie ein Spiel erfunden.
Ich packe meine Einkäufe auch auf das Band, in genau der Reihenfolge, wie ich sie später gerne wieder einpacken würde. Was hart und unzerbrechlich ist, nach vorne, was weich und empfindlich ist, nach hinten, und was ich bestimmt bis zur anderen Straßenseite schon gegessen haben würde, noch weiter nach hinten. Es gibt nicht viel Schöneres, als direkt aus einer Einkaufstüte zu naschen, wenn man einmal davon absieht, daß jemand anders die Einkaufstüte für einen tragen könnte.
So träume ich mich in kleinen Schritten nach vorne, begleitet vom Piepsen der Registrierkasse und dem Stimmengewirr eines großen Supermarktes, immer auf der Höhe meiner wenigen Waren, die ruckelnd neben mir her wandern, stehenbleiben, und gleich darauf wieder losgerollt werden.
Was wäre, denke ich, wenn in dieser Parallelität ein kleiner Fehler eintreten würde? Ein n+1, wo keines hingehört, und schon wäre jeder Einkauf um eins versetzt und jeder müsste mit dem auskommen, was ein anderer für ihn ausgesucht hätte. Wie vorsichtig müssten wir einkaufen, füreinander! Und wie ähnlich, denke ich nach einem langen, leeren Blick auf das Band, sähen sich unsere Einkäufe trotzdem. Das Mischmasch aus Gemüse, Brot, Käse, aus Markenartikeln und billigem Mirdochegal. Verdutzt schaue ich nach vorne. Das Mädchen vor mir hat denselben Mischmasch wie ich gekauft. Ein anderes Brot, aber Brot. Ein anderer Käse, aber Käse. Ein anderes Gemüse, aber Vitamine sind ja eh farbenblind, glaube ich. Dort ein Duschgel mit Vanilleduft, hier eine Zahncreme, aber ich habe ja noch nie zu denen gehört, die behauptet haben, daß alle Menschen gleich seien, und die Frauen noch dazu. Ganz am Ende zwei Modemagazine, nun gut, ich war nie für Gleichmacherei von Ungleichem, und wenn ich die ganzen kurzen Sätze nicht längst auswendig könnte, würde ich mir ja auch einmal wieder eine Motorradzeitschrift kaufen. Aber was, setze ich an und hebe schon die Arme zu großer Geste, was soll dann dieser riesige Supermarkt, wenn wir alle doch am Ende die gleichen vier, fünf Dinge einkaufen. Weil keiner mehr braucht, und keiner mehr will, und sowieso alle genauso verwirrt sind wie ich, zwischen all den Regalen und Angeboten? Ich sage das alles nicht, ein strenger Kassiererinnenblick bringt mich zum Schweigen. Ich komme gleich dran, sagt er, aber vielleicht schaut sie auch nur so leer in die Gegend wie ich und flüchtet im Kopf vor dem nervtötenden Piepsen und dem ewig surrenden, fleckigen Förderband, das einen immergleichen Warenstrom - piep - auf sie zutreibt.
Die beiden vor mir haben bezahlt und eingepackt, sie verschwinden lachend, ihr Einkaufswagen rattert auf seinen Plastikrädchen über die Fliesen. Meine Waren werden über die Glasplatte gezerrt und mir zugeschubst, und ich war schon immer sehr darauf erpicht, an dieser Stelle keinen Stau zu verursachen, also packe ich, ohne aufzuschauen, immer schneller, fast von selbst, alles in meine große Umhängetasche, und die beiden Modemagazine finden am Ende auch noch ein Plätzchen. Halt, da war doch was, und ich öffne den Mund zum Protest, da heißt es siebzehnsiebenundachtzig, und schnell klappe ich den Mund zu und den Geldbeutel auf, ich habe mal wieder nicht vorausberechnet und das Geld nicht parat, also werfe ich einen Schein hin, die Leute schauen schon, die wollen alle nach hause, es ist ja doch Weltmeisterschaft und überhaupt spielt Italien und hat nicht der in der Schlange hinter mir schwarzes, pomadiges Haar und ein böses Gesicht, ach, das ist gar kein Mann, starre ich entgeistert, Verzeihen Sie mir bitte, gnä' Frau, möchte ich sagen, und sammle stattdessen mein Wechselgeld ein, stopfe alles in die Tasche und verlasse schnell den Supermarkt, bevor La Mamma bemerkt, daß sie den Wein gar nicht bekommen wird, den sie aufs Band gelegt hat. Aber mein Brot und Käse werden ihr auch nicht schaden, und so laufe ich pfeifend zurück nach hause und bin den beiden schon gar nicht mehr böse, wahrscheinlich Mathematikstudenten mit ihrem n+1, die der Welt ihre Theorien nahebringen wollen. Und so lasse ich mir nun, bei anderem Gemüse und anderem Käse durch die beiden Modemagazine eine ganz andere Theorie beibringen, von Lippenstiften in Nude-Tönen und Sommerfarben und wer weiß, vielleicht passt mir ja womöglich eines dieser Sommerkleidchen, denn wer wäre ich, mich der Mathematik zu widersetzen? Und morgen früh werde ich nach Vanille duften nach der Dusche. Nur meine Zähne nicht, denke ich wehmütig an die leere Tube im Bad, an die hat die Mathematik nicht gedacht, aber wozu hat man schließlich einen Mitbewohner?
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14.06.10, 21:17 | 'Press any key to reboot'
Morgen bringe ich aber das Telefon zur Reparatur, hols doch der Teufel, hier ist es zu ruhig.
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