Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 18. 06 10

18.06.10, 00:17 | 'Das Auge des Betrachters'
Tage, an denen alles zusammenkommt.

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Mühsam laufe ich draußen auf dem Parkplatz herum, hilflos im Kreis, ich balanciere auf dem Randstein um ein einen Baum herum, den eine grausame Seele dort in das geteerte Elend gepflanzt hat.

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Von Menschen gemocht zu werden, die man nicht mag. Dieses gequälte Lächeln, und das als Lebensziel.

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Diesmal nicht, nein.

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Alles Gute zum Geburtstag, sage ich zu ihr. Es ist still auf der anderen Seite, es ist eine freudige Stille, und es sticht mich dann doch, daß ich so leicht schon Freude machen kann. Daß so wenig erwartet wird von dem Verschlossenen, dem Bissigen, dem Unverständlichen. "Ich komme", sage ich zum Schluß.

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Ich fahre nach hause an diesem Abend. Drei große Limousinen hintereinander, wie an einem Seil aufgereiht ziehen wir unsere Bahn auf der linken Spur, pflügen die Straße um. Zwischendurch werfe ich einen Blick auf die Satelliten, und dann denke ich, daß es einem kleinen Vierzylinder, der mit diesen dunklen, langgestreckten Raubtieren auf die Hatz geht, nicht gar so schlecht gehen kann. Die Nadel steht starr auf einer roten Linie, die Satelliten errechnen genau zweihundert, und das alles auf Winterreifen.

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Dennoch, es gibt mir zu denken. Was bin ich, was will ich, das Übliche eben.

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"Für jemanden wie Sie", sagt der Weißhaarige, als ich verlegen in seinem vollgestopften Büro stehe, "für jemanden wie Sie sehe ich kein Problem." Auf einen Notizblock schreibe ich hastig meinen Namen und meine Adresse. Es hat nur diesen Schubs gebraucht.

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Das Mädchen von der Berufsakademie hat für ihre Abschlussarbeit eine Traumnote bekommen, schreibt sie und lädt mich zum Kaffee ein.

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Wo ich mich eben an das stumme Telefon gewöhnt habe, ein kurzer Ton. Mein Engel, und auch hier Kaffee, und Sie sollten einmal sehen, wie ich leuchten kann, wenn mich Engel einladen.

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Kein Nachtreten, stattdessen mühseliges, hartes Schlucken.

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Frei zu sein.

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Sie sieht ängstlich aus und gar nicht gut. Ich sehe sie verstohlen an und denke, daß es viel schlechter kommen kann. Sie sieht mich verstohlen an, und mit gesenkten Blicken schauen wir aneinander vorbei. Was sie denken mag?

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Eine Einladung zur Hochzeit, und wie sie sich freut. Ich sage zu, gefallenhalber, und auch das werde ich ertragen.

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Ich bin so froh, daß es Dir besser geht, mein Freund.

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Am Morgen zehnfaches Nachrichtensignal, das Netz hat wohl einen guten Start erwischt. Leider um vier Uhr morgens, da starte ich ja so ungern.

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Der Moment, in dem man alles versucht hat. Der stumme, schwarze Klotz, und daneben ein fröhlich blinkendes und krähendes Gerät, das zielstrebig und selbstmörderisch versucht, über die Tischkante zu hoppeln.

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Ab und zu, da läuft es. Ich mag zwar meine Sätze nicht, aber sie füllen die leeren Seiten. Ich mag meine Sätze kein zweites Mal lesen. Und wenn ich am Ende eine Datei mit mir herumtrage, wie ich das seit neuestem immer tue, die unverrückbar erscheint, die fertig ist und auf ihre Beurteilung wartet, da gesellt sich zur Freude der Stachel, daß es nicht schnell genug ging. Nicht effektiv genug. Hastig blättere ich die Seiten durch. Arbeit für einen Tag. Für zwei, drei vielleicht, denke ich herablassend und mich gleichermaßen überschätzend. Nicht für Monate. Galle steigt auf, ich rieche saure Milch. Erst der Drucker besiegt stechend diesen Geschmack.

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Ich stoße die letzten Rechnungen an. Nun brauche ich einen Plan zur Auswertung, und dafür brauche ich nur einen leeren Schreibtisch und einige Blätter Papier.

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Wie man ihm die Last ansieht, und an seinen gereizten Kommentaren auch anhört. Keine Aufheiterung, sagt seine Stimme, also höre ich ihm ruhig zu, bis er sich so weit gesteigert hat, daß er sich selbst kaum mehr das Lachen verkneifen kann. Solange Du das kannst, denke ich, solange Du nur das kannst.

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Ein Fohlen.

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Das Lechzen nach Ablenkung. All dies wäre längst nicht so bedeutsam, gäbe es wirklich Bedeutsames. Allein, ich sehe nicht einmal das Wetter von hier. Nur den Einbruch der Nacht bemerke ich, wenn das Licht an Farbe verliert.

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Der saure Magen.

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Irgendwo auf einer Autobahn einer, der mir einen Abriss gibt von denen, die nicht mehr da sind. Wie manche Menschen zu Zentren werden, wenn sich das Netz spannt und an manchen Stellen schon reißt. Sie sind Knoten, diese Menschen, und man muß diese Seile sehr fest halten.

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Hier habe ich einmal gewohnt. Hier hast Du einmal gewohnt. Drei Generationen habe ich hier gekannt.
Eine Wohngemeinschaft braucht einen guten Grundriss, denke ich, um zu funktionieren. Ich denke an den dunklen Schlauch ohne Mittelpunkt, aber man muß ehrlich genug sein, um nicht alles der Architektur anzulasten.

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Ausgemergelt sieht er aus. Fahrig. Ein Fokussierter, ein Zielstrebiger. Da wird es schon mal unscharf an den Rändern.

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Wir tanzen, wir trinken, wir essen. Ich streiche Dir über den Kopf, wo die Haare so kurz sind wie auf meinem. Wir gleichen uns an.

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Ich finde eine Pfanne, werfe vier Eier und Mehl hinein. Tollkühnheit siegt, und Mundraub wird sowieso nicht bestraft, also schauen sie mir entgeistert zu, und irgendwann gehen wir dann auch.

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Erstmals das Bedürfnis, jemanden wiederzufinden.

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Menschen, die hierbleiben. Und ich, der immer nur fragen möchte, ob sie denn zu hause nichts hält. Aber das ist es nicht, ich verstehe das ja. Ich kann es nur nicht fühlen, es reißt mich doch so, dieses Zuhause.

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Aus meiner Tasche fällt eine schwarze Haarklammer, warum auch immer. Ich beschließe, daß dahinter eine Geschichte stecken muß.

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Das Wegsein als Ziel. Nicht der Weg.

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Ich verstreue einige englische Worte, um ihm das Programm zu erklären, und er sieht dankbar aus. Später stellt er sich vor und sagt "Glad to meet you", und man mag ihm das glauben. Wie schnell man Software-Autorität erwerben kann. Wo doch nichts weniger sein kann als das Einlassen auf die Wege, die sich andere ausgedacht haben.

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Nach seinem Vortrag wechselt er gelassen wieder die Schuhe. Es war in Ordnung, sagt er auf Nachfrage, packt seine Schuhe in eine Tüte und ist von jetzt an Ingenieur.
# |  6 RauchzeichenGas geben