Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Sonntag, 24. 05 09

24.05.09, 21:22 | 'Welt als Wille und Vorstellung'
Ich fahre mit dem Rad die Alb hoch, im Sonnenglast, und komme halbversengt oben an. Das Wasser ist leer, und ich fahre beim Chef in den Hof. Faule Stricke! rufe ich ihnen zu, weil sie am Werkzeugschrank lehnen, als sei das ein Tresen. Ich fülle mein Wasser auf und fahre weiter. Die Steige hinunter zittern die Arme, und ich kann gar nicht so schnell treten, also klemme ich die Beine an den Rahmen.
Draußen am Schwimmbad halte ich, sie stehen alle drumherum. Das Rad an den Baum gelehnt, die Schuhe von mir geworfen, springe ich hinein, und mir bleibt fast das Herz stehen. Zehn Grad. Aber gut, sehr gut.
Ich setze mich in einen Stuhl zum Trocknen, und später springen der Kleine und ich noch einmal ins Wasser. Die anderen schütteln den Kopf, was kümmert's uns, wir spritzen und prusten wie die Walrösser.
Frisch geduscht setze ich mich mit Kaffee und den Resten vom Mittag, mit Buch und blankem Bauch in die Sonne. Drüben lärmen Kinder, im Berg wiegen sich sanft die Gipfel, wenn ein Luftzug von der Alb hinabstreift. Isch des schee, wenns schee isch! denke ich mir, und deshalb halte ich es an dieser Stelle fest.
# |  Rauchfrei | Gas geben


24.05.09, 17:18 | 'You're the storm'
"Hör mal genau hin", sagst Du, und klopfst Dir selbst mit den Fingerspitzen an die Wangenknochen. "Hört es sich dumpf an? Auf einer Seite vielleicht?"
Und ich höre genau hin, ich nähere mein Ohr, bis mich ein vorlautes Haar von Dir kitzelt und ich Deinen Atem auf meinem Hals spüren kann. Ich höre lange hin, und wenn dies die größte Nähe ist, die je zwischen uns entstehen könnte, es wäre nicht vergebens gewesen, dieses Leben.
# |  Rauchfrei | Gas geben


24.05.09, 17:00 | 'Blech reden'
Spät in der Nacht frage ich leise, wer denn nun Meister, und wie das mit der Tabelle jetzt ist. Da bin ich dann plötzlich wieder sehr weit weg.
# |  Rauchfrei | Gas geben


24.05.09, 16:58 | 'Nachdenken im Dativ'
Ich überlege schon noch, Was denken die anderen, aber ich überlege mit einem Grinsen, und dann mache ich meist.

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Schon die Hälfte der Tabletten.

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Meine Hände prickeln manchmal, als würden winzige eiskalte Regentropfen auf sie herabfallen. Ich schaue dann nach oben in den blauen Himmel. Kein Regen.

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"Hey, Texas!" ruft er mir zu, und sie schauen fragend.

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Keine Trophäe. Sondern der Sieg an sich.

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Als sie mich in die Schulter beißt, denke ich kurz daran und verneine. Ich laufe trotzdem ein wenig gebückt.

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Die Einladung zum Abbaufest, und ich meine fast, sie ist ein wenig verlegen.
Als das Piratenmädchen an mir lehnt und sie neben mir sitzt, schaue ich hinab und wieder hinauf. Unsere Blicke treffen sich. Rosa, sage ich, und sie nickt. Gefällt es Dir?
Was ich davon sehen konnte, sehr, sage ich.

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Ich erfahre, daß sie in Kanada ist, und hänge einen Zettel an ihre Tür. Irgendwann wird sie ihn sehen, doch wer weiß, was dann?
# |  Rauchfrei | Gas geben


24.05.09, 16:29 | 'Heller als tausend Sonnen'
Es macht mich traurig, daß ich nicht schon früher, nicht schon immer so war. Aber es macht mich auch froh, daß ich noch hierher gefunden habe.
Daß ich überhaupt dort bin, dort sitze. Weil meine Prioritäten wackeln, und daß ich solches überhaupt je schreiben würde! Ich habe nicht einmal gezweifelt an mir, ich habe den Großschwader dort hingebracht, wo er benötigt wird, und bin dann gegangen. Sollte ich viel öfter tun, vielleicht.
Ich fahre also los, ich habe Würste dabei, und Käse, Wecken und Brezeln, und Wasser. Freunde, denke ich auf der Fahrt, und auf dem Parkplatz traut sich die Wehmut aus ihrem Loch.
Wir begrüßen uns, und ich versteige mich in das, was ich für Deutsch halte. Die Dame ist hübsch und blond und trägt große, braune Augen, Rehaugen möchte ich sagen, aber ich habe letztens erst wieder ein Kitz zermäht, und das trennt mich zu sehr. Von allem hier. Im Stillen wünsche ich dem Freund und ihr viel Glück, und bin schon fast mit dem Kopf geflüchtet, zum Kitz, auf die Wiesen, in die Singularität, da entwischt ihr ein Wort, ein Diminuitiv, ein rollendes R und ein Sch, wo keines hingehört. Schwob? frage ich, und sie lacht. Wir brauchen uns beide nicht mehr zu verstellen, ich sage Kreizkrabbasack! und für alle anderen hat sich wohl gar nichts geändert. Gehört haben nur wir beide, was passiert ist. Und das macht mir gar nichts mehr aus - das Schnöselhafte des Deutschen ist einem simplen Verstandenwerden gewichen, vielleicht macht das das Alter, vielleicht das Arbeiten, ich wechsle spielend ins Englische, ins Deutsche, mit Mühe ins Französische, und beim Essen wieder ins Heimische. Ich gewinne nur, ich verliere nicht. Ich kann das bewahren und trotzdem zugewinnen, und das ist eine Erkenntnis für mich, jaläckmeno, zur Not fluche ich auch auf Deutsch.
Wir grillen und fachsimpeln, und sie haben alle Salate gebracht. Aus den Ecken dröhnt Musik, und überall helle Fenster! Ich war noch nie samstags im Wohnheim, an langen Wochenenden sowieso. Und wie sie lachen, sie vermissen nichts, und mir gefällt es auch. Ich bin sehr ruhig und sehr warm, ich erzähle und höre zu, und ich habe das Gefühl eines großen Gleichgewichtes, und einer gewissen Ähnlichkeit, zwischen all denen, die hier sind.
"Als ich gegangen bin, warst Du verzweifelter Erstsemester. Jetzt bist Du Tutor", sage ich zu einem, und er grinst. I've come a long way.
Ich versuche das auszudrücken, gegenüber einem, daß ich das jetzt vermisse, da ich es wieder spüre, das Fachliche, das Elitäre - ich habs geschrieben, hol mich der Teufel. Wem kann ich denn vom Feinstanzen erzählen, und wem höre ich bei Verpackungen von Kabelrollen zu? Man muß schon verliebt sein, in sein Fach, um hier zu bleiben, um fünf, sechs Jahre in Benztown durchzustehen. Maschinenbau zu studieren, Maschinenwesen heißt es hier. Und daß Maschinen Wesen sind, und man sie mögen kann, darin sind sich die einig, die bis hier gekämpft haben. Das ist mehr als ein Beruf, denke ich, aber so richtig erklären kann ich es nicht, was uns eint. Es ist das Hinarbeiten, es ist das Nichtaufhaltenlassen, es ist das Lernen von Volumenintegralen ohne zu Murren. Gehört eben dazu, da muß er durch, der Lurch, wenn er ein Frosch werden will.
Genau so rede ich, und werde verstanden, und auch das eint uns, und das vermisse ich ehrlich. Das ist, vielleicht, endlich die Zusage, eine Universität lieben zu lernen, und einer Fachhochschule zu entsagen. Ihr seid nicht tief genug, denke ich, aber ich weiß doch auch nicht, ob das stimmt. Adiabat, erinnere ich mich, und Seiliger, und Cetan, und das gibt es nur hier, denke ich, aber noch zweifle ich, und auch das Abwägende, das Ambivalente, das SoundSo, ist von uns. Habt ihr das auch?
Wir spielen Tischtennis in der Dämmerung, und unterhalten uns zu zweit. Ich erzähle von der Medizinerin, weil sie hier niemand kennt. Man glaubt mir trotzdem mein Reden vom Engel, von den Eiswasserdampfaugen, und ab und zu geht ein Ball an mir vorbei, wenn ich wieder nur am Gestikulieren bin.
Eine korpulente Lettin drängt meinen Spielpartner ab und spielt mit mir, wir lachen, und ich lächle ihrer hübschen Freundin zu. Irgendwann spielt sie mit mir, und dann sitzen wir schon da und reden, als wäre es das Einfachste der Welt, kennenzulernen. Ich laufe über den Hof und rede mit anderen, mit Fremden, sie trägt rotes, langes Haar, und die anderen sitzen bereits drinnen. Bin ich nur langsamer, werde ich langsamer alt? Wie lange seid ihr verheiratet, frage ich den Freund, und das Blitzen in den Augen zeigt mir, daß wir doch nicht so schnell auseinanderdriften, alles halb so wild, wieder mal.
Ich gehe wieder nach draußen, sage Nurkurz und weiß doch, und wir beiden laufen ein wenig umher. Ich zeige, was ich kenne, und das ist wenig genug. Als ich hier gewohnt habe, bin ich nie gelaufen, nie ziellos, und ich verfluche die Abende am Fenster, neunzehn Zoll messend, und ich verfluche das, was mich hielt, und immer noch fluchend schwöre ich, daß es mich nie wieder kriegen soll.
Sie nimmt meine Hand, und mir wird warm, ihre Finger fahren die Adern auf meinem Arm nach, und irgendwo hört der Weg auf, hier war ich noch nie, oder schon sehr lange nicht mehr.
In ihrem Zimmer schraube ich eine neue Birne ein, die banalste Ausrede der Welt, und dann wieder draußen, sie hat ein Notizbuch dabei und liest mir russische Buchstaben vor. "Stol" heißt Tisch, und den Rest habe ich vergessen. Sie stützt sich auf mich, lehnt sich an mich, und ich schreibe meinen Namen in das Buch. Sie schreibt ihn noch einmal, in kyrillischen Buchstaben, und das sieht auch nett aus. Sie trinkt Kräuterlikör, ich trinke weiter Wasser und erzähle vom Bodensee.
Irgendwann liest sie meine Handlinien, ich rieche in ihrem Haar und wir küssen uns. Dann gehe ich. Montag, sagt sie, und Freitag, sage ich. Erst muss das Öl warm sein, dann kann man Gas geben, denke ich mir, und das Auto empfängt mich freundlich leuchtend. Was sich nicht alles getan hat, so bei zweihundertzehn, auf der tausendfach gefahrenen Autobahn, klappernd zuerst, gequält dann, so einfach jetzt, und das waren nicht nur die drei, vier Fahrzeuge, die ich besaß.
In dem Fenster brannte eben kein Licht mehr, sie sind schon nach hause, aber vielleicht hängt das an der Zweisamkeit, die sie suchen.
Dann trifft mich der Schlag, der Blitz, und ich erweitere hiermit: Es ist immer noch die Suche nach dem Antrieb. Doch es sind auch Ansichten, Einsichten, Aussichten, die ich suche. Sehen, sehen, und plötzlich verstehe ich auch das Reisen, zumindest kann ich es nachvollziehen, herrjeh.

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Ich bin Fuchs genug, Molekularbiologie zu suchen im Internet, und an den Freund zu denken, der legitim zum Vatertag durfte, aber ungewollt. Aber am Ende sind das Kleinigkeiten, es ist ein großes Spiel, und ich halte meine Hände über meinen Karten. Hohe Karten, hohes Setzen, denke ich.

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Am Nachmittag noch, da läuft sie um unser Bädle, unser Schwimmbad, und ich schnappe sie, und halte sie über das Wasser. Sie kreischt, und ich lasse sie wieder herunter, und selbst das hätte ich nie getan, wo kommt das her, was soll das bitte, und wieso fühlt es sich so gut an?

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Tags zuvor schon, als ich radle, eine Nachricht, und ich fahre vorbei, und wieder vorbei, und beim dritten Mal halte ich an. Die Pedalplatten knirschen auf dem Waschbeton, und da sitzt ein Mann im Wintergarten, den ich nach seiner Tochter frage. Unter seinen Augen unterhalten wir uns in er Wiese, und irgendwann fällt mir das Spiegelbildliche auf, die verschränkten Arme, die zurückgenommenen Schultern. Da erschrecke ich dann doch, und fahre davon. Ruf mich an, sage ich, und das ist so einfach. Nur das Nichthoffen, das Unhoffen, das simple Probieren, das lerne ich noch.
Was soll man erhoffen, von einem Engel? frage ich, und Erlösung, Du Depp, schreie ich mir zu und schlage mir die Hand an die Stirn.
Ach ja, denke ich, Du hast ja recht.

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Jetzt eben doch noch das, dem ich mich verweigerte bis jetzt. Vatertag. Nüchtern, und staunend stehe ich im Zelt.
Ich habe einen Engel an der Hand, das blonde Haar gewellt, und mir fällt immer noch ein, wie sich die Farbe im Sommer änderte, von der Sonne gebleicht, und wie sich das Sehnen anfühlte.
Wo sind denn alle, fragt sie, und ich fühle mich, als müsste ich präsentieren. Qualifizieren, und so kann das nicht gutgehen. Wir sitzen dann da mit Freunden, und irgendwann driften wir dann, sie sendet mir einen Rettungsring auf den leuchtenden kleinen Schirm, und daran hängt ein Seil, und Seile sind etwas tolles, weil sie einen Kreis bieten, und nicht nur einen Bogen, und weil man von beiden Seiten ziehen kann, und auf beiden Seiten Knoten lösen. Seile kann man auswerfen, und Schlingen knüpfen, und zur Not kann man sich daran aufhängen, wenn -.
Ich treffe einen Studienkollegen, Diplomand, und daran hätte ich ja nie geglaubt. An das Reden, das Treffen, nicht das Diplom.
Ich stehe dann an der Bar und schaue dem Treiben zu. Herze und umarme, und wieso erst jetzt, denke ich immer wieder. Ich kenne euch doch alle schon, aber eure Namen? Jetzt, da ich euch vorstellen soll, da stocke ich, und das trifft mich, und wer wäre ich, das nicht aufholen zu wollen?
Wir frischen Nummern auf, und Zeugs, und Geschichten. Wir lachen, und ich gefalle mir.
Irgendwann kommt eine, die auch dieses Augenfeuer hat, die mich schmelzen und erstarren lassen kann, und nimmt mich in den Arm. Komm mit mir, sagt sie, und sie versucht, mit einem fremden Geldschein zu bezahlen.
Ich rufe "Ramsaschtruat!" und sehe zum ersten Mal ein Lächeln von dort. Woher, woher, wenn ich das wüsste.
Ich schaue der Traube zu, die sich um den Engel bildet, und ein Freund packt mich an der Schulter. Sein Haar ist wirr und schön, sein Blick gilt mir, wir trinken einen, und "Nicht nachlaufen!" sagt er mir, schulterklopfend, und ich weiß, daß er es gut meint. Aber Engel, sage ich, und weiß doch.
Mach Dich nackich, höre ich, und da steht einer, ein Großer, und lacht, und sagt, daß ihm diese Anmache gar zu billig wäre. Stunden später werde ich ihn wieder treffen, und er wird mich nach dem Engel fragen. Sie hat einen anderen aufgefordert, und der hat sich nicht geziert, so schlage ich dem ehemals Großen um die Ohren, und sehe ihm zu, wie er schrumpft. Man kann auch zu selbstsicher sein, aber anderer Leute Elend, was solls, ich hab mein eigenes.
Der Engel trägt eine Jacke, die mich sticht, weil sie nicht von mir ist. Ihre Schuhe sind schmutzig, ihr Blick fiebrig. Du gehörst ins Bett, sage ich, und Ja, Papa, sagt sie. Sie wird nicht gehen, das weiß ich, also lasse ich sie. Nicht mein Elend, denke ich wieder, aber doch irgendwie. (Ihre schmutzigen Schuhe hatte sie tags darauf erneut an, und dieser Anblick hatte etwas Tröstendes für mich, er brach die Perfektion, den Engelsschimmer, und dadurch wurde dann wieder alles noch perfekter und schimmernder, und ich dachte mir, Was solls, besser wirds nimmer, und ich gestand zunächst mir, bevor ich ihr einmal gestehen werde.)
Irgendwann fahre ich, mit zweien, und mit einer rede ich lange, und da wächst ihr plötzlich ein Herz, oder vielleicht sehe ich das erst jetzt, weil es verdeckt war, oder ich zu weit davon entfernt gesucht habe, und mir wächst eine kleine Verliebtheit, nein, ein Mögen, das an die Stelle von etwas anderem tritt, für das ich mich heute schäme.
Ich ruf Dich an, klingelt es, und da schlafe ich schon.

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Gekauft: Badehose. Mit Totenkopf.

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Als ich radle, wieder, da halten sie mich an, mit dem Auto, mit den Händen, und ich habe mehr Worte als Kilometer abgespult, und da schaue ich mein Rad an und denke, wenn das Dein Schicksal ist, dann ist es gut.
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