Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

19.08.13, 13:20 | 'Heller als tausend Sonnen'
Es ist sonnig und warm und ein Freitagnachmittag. Ich radle nach Hause, ich radle an den Gärten vorbei. In kurzen Hosen steht sie da, einen Pinsel blauer Farbe in der Hand. Möchtest Du mit mir essen, frage ich, und ich frage das ohne Stottern, ohne Warten, mit einer Selbstverständlichkeit, die mir gefällt.
Sie nickt, und ich radle weiter. Kaufe im Gemüseladen ein und im Supermarkt. Bringe meine Einkäufe in Sicherheit vor der Wärme. Ein Wochenende, wie es alle haben, ein Freitagnachmittag für Gewöhnliche. Ich fühle mich sonnig und radle wieder los. Schnappe mir eine Farbrolle und kremple die Hosenbeine hoch, lege das Hemd ab. Wehre den Hund ab, der schon wieder ein paar weiße und blaue Flecken abbekommen hat.
Wir streichen den Pferdehänger, und ich erzähle die Schauergeschichten vom fernen Flughafen, von K.O.-Tropfen, Vergewaltigungen und Raub. Sie lacht nur und erzählt von ihrer Reise nach Indien. Mach Dir keine Sorgen, lacht sie, und ich nicke, während ich mir vornehme, weder zu essen noch zu trinken und schon gar nicht zu schlafen.

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Ich laufe auf den Sandplatz, das Pferd am Zügel hinter mir, und mit einem Fuß im Steigbügel beginnt das Glück. Es holpert zu Beginn, es holpert zwischendurch, aber es macht mich glücklich. Auf Kommando reite ich enge Kreise, die Volten heißen, und Diagonalen, von denen ich nicht mehr weiß, wie sie heißen. Ich lasse das Pferd die Gangarten wechseln, gebe Hilfen und versuche, die Ecken nicht abzukürzen. Das alles ist noch sehr unbeholfen, wird aber, und bei jedem Lob werde ich ganz leicht. Zwei Jahre noch, sagt sie, dann kannst Du reiten, und für mich hört sich das an, als wäre das gleich morgen. Reiten ist Lernen durch Probieren, durch Beobachtung und Kontrolle von außen. Reiten ist ein Riesenspaß, und wenn ich einen Fachbegriff nicht verstehe, dann frage ich, was er bedeutet. Und den versammelten Galopp schlage ich nach, sobald ich aus dem Sattel bin, nehme ich mir vor.

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Es ist wieder spät, bis ich in der Küche stehe. Unsere Tage waren lang, und sie sitzt auf der Couch, an die Seite gelehnt, und so kann sie mir in der Küche zuschauen. Dann kommt der Hund dazu, legt sich auf die kühlen Fliesen zwischen meine Beine, und dann kommt sie mir zur Hilfe, und es wird sehr eng in der kleinen Küche. Gemüsefrikadellen, Bratkartoffeln und Dip, und dafür mag ich dieses Internet ja auch sehr. Den Dip habe ich versalzen, die Kartoffeln sind gewaschen und gewürfelt, und wie immer setze ich mich an die Stirnseite neben sie und sehe ihr zu, wie sie schöpft.
Bleib sitzen, sage ich später, und ihre braunen Augen spucken Feuer durch die Müdigkeit: Ein Befehl?
Nein, sage ich leise. Eine Bitte, und halte ihr den Rechner hin. Ich spüle, Du schaust meine Korrekturen durch. Das Feuer wird Glut, und sie lacht darüber, daß es Dinge gibt, die ich nicht diskutiere. Schusterjungen, essentielle Vanilleöle und Schachtelsätze. Und, daß meine Gäste nicht spülen.

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Nach Mitternacht begleite ich sie nach draußen, der Hund umwuselt uns freudig. Draußen geht immer. Sie fröstelt, und ich widerstehe, behalte meine Arme bei mir und meine Hände an der Plastikdose. Vesper für Dich, sage ich, und daß sie das so gar nicht gewöhnt ist. Immer war es anders, sagt sie, immer habe ich das gemacht. Ich schüttle den Kopf: Lass mich etwas machen.

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Weltwechsel. Der Häcksler brüllt, ich springe auf den fahrenden Schlepper, die Bremsen blasen zischend Luft ab, ich gebe Gas. Das Gras ist ordentlich, das bißchen Mais ist kümmerlich verhagelt. Alles läuft. Ich fange an, das Silo fürs Abdecken herzurichten, und da muß auch mal ein Fingernagel dran glauben. Blut und Lachen.

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Der Bauer schüttelt den Kopf, ich baue den Frontballast an und nicke. Ich spiele mit dem Nachläufer des neuen Schwergrubbers, mit den Hohlscheiben, die so gern zustopfen. Höher, tiefer, schneller. Dann mit Scheinwerfern.

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Irgendwann taucht der Vetter auf und setzt sich zu mir. Wir heben zwei Stahlplatten an, prosten uns zu. Zwei Pils, siebzehnhundert Umdrehungen, Vollast. Wir ziehen einige Bahnen gemeinsam, dann geht er nach Hause. Frau und Kind, lache ich ihm nach und schließe die Tür. Das Brüllen bleibt draußen, hier drin hört man nur den Turbolader böse zischen. Um die Scheinwerfer kreisen Tausende Fliegen.
Ich wechsle den Acker, ein zweiter Grubberstrich. Es holpert, und ich drehe die Ventile aus den Reifen, bis sie walken. Die Schläge kommen unregelmäßig und heftig, und ich denke kurz an irgendwelche Arbeitsschutztabellen. Dann schaue ich zum Telefon. Ein katastrophenfreier Tag, gerettet durch Gemüsefrikadellen. Ich freue mich sehr, und dann lasse ich mich weiter durchschütteln.

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Ein schneller, zu schneller Hefeteig, und daß ich nie die Zeit habe, ihn gehen zu lassen. Das Telefon schellt, und als ich zehn Minuten später auf dem Hof stehe, ist der Bauer am Kehren. Sonntagmorgen.
Ich gehe Stroh schwaden, der Bauer packt die Posaune aus. Ein Kirchenfest heute, weil die Kirche Mariä Himmelfahrt geweiht ist, und wir lachen über mein christliches Werk. Wenn ich fahre, kann er spielen gehen.

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Ich räume die Halle aus, klaube Paletten zusammen und schraube die Zinken an der Gabel fester. Zwei Sätze am Telefon, wann denn nun die Presse kommen soll, und als die Musik im Hintergrund einsetzt, bricht das Gespräch ab.

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Ballen laden, und unvorsichtig laufe ich am Wagen entlang. Der Radlader ist ein wenig schnell, der Stapel kommt ins Trudeln, und einen Schritt später wäre ich drunter gelegen. So ist das nur Hups und Hihi.

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Weltwechsel. In kurzen Hosen fahre ich in die große Stadt. Wir kommen gleichzeitig an, und der Regen, den heute keiner wollte, kommt auch dazu. Ich setze mir eine Mütze auf, sie zieht die Kapuze übers Haar, und dann satteln wir auf.

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Die Gerte aus dem kleinen Zweig. Die Gerte ist eine Geste. Ich mag sie trotzdem nicht. Aber er spitzt die Ohren.

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Trab und Galopp, und ich spiele mit Körperhaltung und den Zügeln. Koordination, sage ich, und immer wieder fragt sie, ob alles klar sei. Dabei komme ich vor lauter Lernen nur nicht zum Lachen, sage ich.
Dann werden wir langsamer, reiten Seite an Seite, sie telefoniert, die Füße aus den Steigbügeln gezogen, die kleine Faust um die Zügel geballt. Unsere Knie berühren sich, so eng laufen die Pferde, und irgendwo versteht der doch, was ich meine, denke ich lächelnd. Du bist so still, sagt sie.
Ja, sage ich. Das bin ich, wenn es mir gut geht.

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Der Auszug.

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Wie sich alles fügt.

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Junger Hüpfer!

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Ich mache Salat und präsentiere die Rosinenbrötchen. Irgendwann mäste ich Dich, sagt sie und lacht dabei. Ich freue mich darauf, sage ich.

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Sie erzählt davon, wie sie gehen mußte.

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Mädchenabend. Übermorgen. Ich winke den staubigen Ecken zu: Dann kann ich mich mal um euch kümmern, sage ich.

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Wir schieben ein wenig die Tage hin und her, und bevor ich mich berappeln kann, haben wir gebucht. Hier ein Tag mehr, und dort einer. Meine Bedenken wischt sie weg. Schnell entschlossen. Ich habe einen Flug gebucht, viel mehr kann ich dann nicht mehr sagen. Die Vielgereiste macht sich lustig, lässt mich den Reiseleiter spielen. Wir werden auf einem unsicheren Flughafen übernachten, zwei Wochen lang ein Zimmer und ein Zelt teilen. Wanderritt, sage ich, und Schottland, sagt sie. So ist das nächste Jahr gleich mit verplant.
Wir weclen den Hund, der langgestreckt auf seiner Decke liegt. Sie kniet sich zu ihm, er lupft ein Ohr. Er weiß es längst, er lässt sich bitten. Sie wuschelt ihn, krault den großen Kopf. Dann springt er auf. Mit Rosinenbrötchen in den Händen stehe ich in der Tür. Lass mich Deinen nächsten Tag auch retten, sage ich.
Als sie weg sind, wird es still. Ich bin müde und aufgewühlt. Räume ein wenig hin und her. Das Telefon brummt. "Wir haben einen Flug gebucht." Und ich mag es, wenn sie sich über mich lustig macht. "Und sind galoppiert. Ein Abenteuer!" antworte ich. Dann wird es ruhig.

Rauchzeichen




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