Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

15.03.10, 00:31 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Es scheint so, als hätte ich neben dem Radfahren eine weitere Leidenschaft fürs Erwachsensein entdeckt, wobei Erwachsensein hier im Sinne von Verschrobensein heißen soll. Mit leichtem Kopfschütteln, immer für ein bißchen Klatsch gut, und immer mit dem Hintergedanken, da sei jemand nicht ausgelastet. Wie dem auch sei: die Mundharmonika.

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Vier Kinder im Kurs, die ich alle an die Wand nageln könnte. Vier ältere Damen, die sich nur ums Mittagessen sorgen. Dazwischen ich und ein Lehrer mit Backenbart.

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Bei den "Jungs" will er mich nicht einteilen, und bei den "Erwachsenen" auch nicht. Das führt dazu, daß ich in den Kanons mein eigenes Stimmchen habe und in den Grüppchen immer vorspielen muß.

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Neid auf diese unglaubliche, federleichte Musikalität.

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Immer, wenn ich mal nicht durch die Harmonika atme - sie ist kein Blasinstrument im eigentlichen Sinn, weil man sie in beiden Richtungen spielt - , weil ich mal wieder aus dem Takt geflogen bin und mich dann auch nicht mehr so sehr auf Finger, Lippen und darauf, nicht zu ersticken oder zuviel Sabber in die Kanzellen zu pusten, konzentrieren muß, höre ich, wie schräg wir noch klingen.

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Wie mich die Kinderlieder abstoßen. Die mochte ich nie, ich war schon immer ein Rocker. Meine Schlaflieder waren von den Animals, den Stones, vom Meister Dylan.

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Wie mich das Lied vom Seemann fasziniert. Stundenlang übe ich und wünschte, ich säße auf dem Felsen über dem Dorf, die Füße baumelnd, in kurzen Hosen, und spielte dieses Lied hinunter.

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Und ich hatte immer Angst, mir würde irgendwann nichts mehr zu tun einfallen! Dabei muß man nur die Genauigkeit steigern, schon springt es einen an, füllt die Tage aufs Angenehmste.

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Ich kaufe ihm die Harmonika ab, und ich zweifle tatsächlich, weil ich zuvor die Preise nicht im Netz gesehen habe. Wie es uns abhängig macht und unsicher und beeinflussbar. Wo bleibt meine eigene Einschätzung des Wertes? Dieser gesunde Menschenverstand, von dem man so viel hört?
Zaudernd kaufe ich das Instrument, und abends warte ich mit den Fingern über der Tastatur, bis ich mir sicher bin, ob ich wissen will, wie ich denn nun wieder übers Ohr gehauen worden bin.

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Seine Liederbücher verkneife ich mir dann doch.

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Es scheint, keiner esse meine Kekse, aber es mag mir auch niemand sagen, ich solle keine mehr backen.

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Wie ich beschützen, behüten möchte, mit derselben Hilflosigkeit und Sturheit wie ein Rind.

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Eine Leinwand, ein Projektor, und irgendwann geben wir auf. Das reicht mir für einen Samstagabend, und diesem Eingeständnis fehlt jede Bitterkeit. Nach dem Altwerden üben wir nun die Sesshaftigkeit. Ab heute in diesem Theater.

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Wie viel es vorzubereiten gäbe für den Ausflug auf den Gletscher. Organisieren nennen sie das hier und ziehen die Stirn wichtig hoch. Ich horche mir die kurzatmig vorgetragene Stakkato-Liste an - Sie merken schon, ein Musiker! - und winke bei allem ab. Selbst die Ski kann man dort sicher leihen, und es läge mir fern, daraus eine Wissenschaft zu machen.

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Ob ich jetzt noch schnell ein Schlafliedchen...?

Rauchzeichen




smokediver   |   15.03.2010, 01:23   |  
Oh, ein Harmonikaspieler. Hab mir selbst eine ende Januar zugelegt, aber weder Bücher noch Unterricht dazu. Dennoch schon den ein oder anderen Takt mit Leidenschaft gespielt.

Und außerdem, wie soll man denn seine Depression ausleben können, wenn da keine Harmonika für nen ordentlichen Blues vorhanden wäre?

texas-jim   |   17.03.2010, 09:47   |  
Ja, der Blues. Die hohen Töne, so um sechs und acht. Ab fünf muß man sehr aufs Einzeltonspiel bedacht sein, habe ich gelernt. Von eins bis vier gern auch Akkorde.
Und grundsätzlich eher drunter bleiben als drüber, klingt besser.
Bücher braucht es nicht unbedingt, denke ich. Eine kurze Einführung für die Haltung, die Begriffe und die Tonleiter hat mir sehr geholfen - ich bin nicht so bewandert mit Noten. Danach ist alles Übung, und harptabs.com hilft einem gern aus.
Ich habe den Seemann und Blueberry Hill zuerst gespielt, weil ich die Lieder gut kenne und mich nur auf die Töne konzentrieren muß.

smokediver   |   17.03.2010, 21:50   |  
Habt Dank für den Link.

Und ja, die Noten und ich sind auch auf Kriegsfuss. Mittlerweile hab ich so Ansatzweise gar keine Ahnung mehr von musischer Theorie. Dabei war ich doch in jüngeren Schuljahren gar nicht unbegabt und sogar im Chor?!?!??? :D

texas-jim   |   18.03.2010, 00:13   |  
Ach, das ist auch alles nur Mathematik. Ich käme damit schon klar, denke ich. Aber wer will das?
Wichtig sind die Belegung der diatonischen Harmonika und vielleicht noch die gängigen Akkorde. Ansonsten eben das "Happy Harmonica System" oder die Plus-Minus-Schreibweise. Plus ist Ausatmen, Minus ist einatmen. Mehr ist gar nicht.

Und erinnern Sie mich nicht an den Chor! Durch das laute und ausdauernde Absingen unschöner Lieder hatte ich es irgendwann geschafft, verbannt zu werden. Das war das Ende meiner Gesangskarriere.
Mitrauchen