Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

30.03.09, 03:21 | 'Das Auge des Betrachters'
Fight your fear with anger.

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Es ist alles verflogen, was ich mir zurechtgelegt habe.

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Ich habe nicht von Deiner Präsenz erzählt, von Deiner überwältigenden, mitreißenden Körperlichkeit.

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"Sie suchen sich keine Rolle aus, Ihre Rolle wird Sie finden", sagt unser Regisseur, und beim Theologiestudenten schauen mich alle an. Der wird sich unsterblich in das Mädchen verlieben und daraufhin sein Studium abbrechen, und als ich das lese, habe ich schon fast resigniert. Trüge ich derzeit weder Haare noch Brille, ich käme als Bauernlümmel durch.

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Er möchte nicht von Laien reden, sondern von Volksschauspielern, und mit seiner eindringlichen Stimme redet er von Kinski, der sein solcher gewesen sei. Ich schaue in die Dorfgesichter der Volksschauspieler um mich, und dann schäme ich mich dafür, mir einzubilden, schnauben zu dürfen.

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"Weil man Dich so selten sieht", sagt er, und der Vorwurf ehrt mich, "ansonsten lade ich niemanden ein."

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"Ich habe einfach Deine Unterschrift gefälscht", sagt er und prostet mir zu. Und diese Frechheit, dieses ellbogenhafte Nichtbeachten, es nötigt mir Respekt ab, während mich der Affront sprachlos machen möchte vor Zorn. "Kurzer Dienstweg", lacht er, und er meint das freundschaftlich, zumindest möchte ich ihm das gern glauben.
Wenn Du den Betrag korrigiert hast, soll mir das gleich sein, sage ich, weil man sich ja nicht über alles aufregen kann.

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Sie strauchelt und fasst mir haltsuchend in den Schritt. Tastend. Reibend. Sie bleckt die Zähne, und das soll dann wohl erotisch sein. Ich warte ab, es ist schließlich ein Spiel, und sie ist noch am Zug. Sie wird ein wenig unsicher, weil mir die Lüsternheit fehlt, wie auch die Abwehr. 'Schuldigung, nuschelt sie schließlich, doch sie unterbricht sich nicht.
Es ist dieses Schwanken, das mich abhält, der Unwille, getestet zu werden. Vorhersehbarkeit ist der Feind, und ich wende mich ab, während ich ihr lächelnd versichere, daß genug für alle da ist.
Die Zote begrüßt sie, die Zweideutigkeit geht ins Leere.

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Die Rückseite ist Spitze, während vorne glänzendes, glattes Tuch blitzt, und das kommt mir so falsch vor, so sichtbar, so aufgetragen, daß ich nicht einmal den geforderten zweiten Blick riskiere.

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Und das liegt nicht einmal daran, daß sie ihre Kehrseite den wechselnden Händen darbietet. Es ist das Wissen um die Kausalitäten, es ist das Widerliche am Einfachen, es ist das Widerstreben gegenüber der Triebhaftigkeit, die mich am Ende abhält.

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"Tanz für mich", und sie hat ihre Arme um mich geschlungen. Ich streiche ihr das Haar aus der Stirn und sanft hinters Ohr. Das kannst Du Dir nicht leisten, flüstere ich, und hätte sie diesen Schmollmund nur eine Sekunde länger vor mir hergetragen, ach.

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Stattdessen winke ich dem Freund mit dem Kinnbart, und wir tanzen zu unserer Musik. "Du bist ja noch kranker als ich", ruft er mir ins Ohr, und dabei trage ich sogar noch mein Hemd.

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Der Vetter grinst selig, und ich kann ihm nicht helfen auf seinem Weg ins Taka-Tuka-Land.

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Schulterfrei heute, und am diesem zweiten Abend sehe ich die zweite Tätowierung. Ich bedanke mich dafür, daß sie gestern gefahren ist, und genauso falsch erzählt sie, wie sehr es ihr gefallen hat mit uns. Chapeau, sage ich, und wir grinsen uns an, weil die Karten auf dem Tisch liegen, und wir uns sowieso nicht wiedersehen werden.

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Hätte ich als Grund den Trieb, ich würde verstanden. So bleibe ich allein damit, daß ich mir nicht sicher bin. Daß ich mir mißtraue, meiner Analytik, und besonders dem Gefühl. Das ist es schließlich, daß ich zu stark fühle, um mir zu trauen, und doch zu schwach, um hörig zu sein.

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Ich halte fest das Widerstreben gegen ein Lachen. Gegen das Fernsehen. Gegen die Behutsamkeit, die meine Hand erstarren lässt, wenn sie nach ihr greift. So sitze ich, um nicht zu verstoßen, starr und stelle fest, daß meine Hand taub und eingeschlafen ist, und ich bin mir selbst zuwider dafür. Gegen behaarte Beine, und ich heiße mich selbst einen oberflächlichen Idioten. Gegen das Nichtverstehen. Gegen das fragende Unterordnen, das sich nicht einmal das Bitten zutraut. Immer wieder sehe ich zu dem Bild von ihr an der Wand, aber was hilft das Bild?

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Je vorsichtiger der Umgang, desto derber müsste die Sprache werden.

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Du schreibst mir, daß Du schon wieder alleine schlafen mußt. Einen Abend, zwei, drei Abende. Und Tage später fragst Du mich, ob ich das nicht gelesen habe. Ich sehe sie, die Frage nach dem Verstehen, doch Du stellst sie nicht. Zwinge mich doch, zu erklären! Treibe mich in den Monolog, aus der Tür, aus Deinem Leben!
Ich gähne und sage, daß ich jetzt ein Bett brauche, und als Du mich fragst, ob ich noch etwas zu tun habe, da flüchte ich Feigling über die goldene Brücke, die Du mir baust.
Schade, daß Du nicht bleiben magst, und soviel Mut hätte ich Dir nicht zugetraut.

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Ich habe Angst, daß ich Dir etwas wieder wegnehmen muß, das ich Dir geben soll. Ich weiß, daß ich es Dir wieder nehmen muß, und das möchte ich Dir ersparen. Oder vielleicht auch mir, soll doch ein anderer Dein Herz ein erstes Mal brechen.

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Du legst mir die Fernbedienung auf den Bauch. "Such Dir etwas aus." Ich reiche sie zurück, Du kennst Dich besser aus, und diese Spitze, die kannst Du nicht spüren.

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Das ist der freie Wille, sagt Gott in dem Film, in dem Gebete E-Mails sind, und ich überlege, ob ich darum beten soll, daß der freie Wille nur ein Scherz sein möge.

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Mit meinem Freund hat mich einst ein Mädchen verglichen, und das war beileibe kein Kompliment. Heute wünsche ich mir mehr denn je, der Vergleich träfe zu.

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Vielleicht möchte ich auch einfach die Arbeit nicht machen? Der erste zu sein, den Weg zu bereiten? Vielleicht möchte ich keine Straße bauen, die ich nicht befahren mag?

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Je weniger ich das will, umso mehr fühle ich mich verpflichtet.

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Es geht diesmal nur ein wenig schneller, denke ich. Das Nachlassen, das Genervtsein, das Flüchten.

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Es ist Sonntag, und ich krieche mit Winkelschleifer und Mörschel unter einem alten Kunststofftank herum. Die Schläge dröhnen durchs Dorf wie die Kirchenglocken, hol mich der Teufel.

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Ich liege unterm Mischwagen, und es ist immer noch Sonntag. Ich muß mich beim Abschmieren nicht beeilen, das ist Sonntag. Ich bin ein wenig verschämt fürs Schmutzigsein, das ist Sonntag. Ich mache das, was ich gerne tue, und das sollte doch Sonntag sein.

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Pfeifend fahre ich über die Dörfer, um den neuen Tieflader abzuholen. Kein Licht, keine Bremse. Wenn ich auf der Bundesstraße angehalten werde, spare ich mir zumindest die Entscheidung über den Lastwagenführerschein,


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Im Fernsehen wird gekocht. Aha.
Im Fernsehen bleiben zwei wach, zwei Tage lang. Einer radelt, einer schaut fern, und ich schaue beim Fernsehen und Radeln zu, und ich bin sicher, daß mich gleich der Redundanzblitz trifft, wenn ich durch den Fernseher einem beim Fernsehen zuschaue, der - fernsieht. Und da sage noch einer, man könne nicht in der Zeit reisen und sich selbst begegnen.
Der radelnde Proband fragt nach den Folgen für seine Gesundheit. Nur zwei Tage, möchte ich ihm den Vogel zeigen, doch bevor ich mich ereifern kann übers Fernsehen, da packt mich das Grinsen und Kopfschütteln, und das ist das einzige, was mich diesem Wahnsinn noch fernhält.

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Und ich lag da, so weit auf der Seite, daß ich zur Hälfte in der Luft lag, um dem Drängen zu entgehen.

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Und wie sie da stand, über mir, und ihren Platz forderte, da mußte ich meine Abwehr so deutlich machen, daß -.

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Ich werde Dich zurücklassen, vor diesem flimmernden Fernseher, auf diesem Sofa, inmitten all dieser Kissen, und weiter wird das Licht aus diesem Raum auf den Hof scheinen, Abend um Abend, schattenlos.

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Wie seltsam, wo ich doch genau dieses verherrlicht habe, neulich. Das Sofa, das Flimmern, und daß es mir nun so widerstrebt, daß ich speien möchte, das bringt mich auf den Gedanken, es wäre nur Mittel zum Zweck, Sinnbild, Symbol, place your love here.
Und daß ich mir nicht einmal hier trauen kann, daß ich nicht zu dem vordringen kann, wofür all dies steht, das macht mich noch kritischer mir gegenüber. Denn erst, wenn ich weiß, kann ich suchen. Doch ich werde erst wissen, wenn ich gefunden habe.

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Dies ist der Punkt, an dem ich resigniert lächelnd aus dem Karussell aussteige, um vielleicht vom Glück gefunden zu werden.

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Es wäre nur noch schmerzhafter, jemanden zu enttäuschen, der sich aus freiem Willen entschied, als einen, der getrieben, gelenkt, programmiert gewesen wäre.

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Sie sitzt auf seinem Schoß, und er grinst selig. Näher wird er nie herankommen, ist er noch nie, denke ich, und ich erschrecke davor, daß ich ihn dafür verachte, daß er so unbeholfen ist, und so unterworfen. Daß ich nicht einmal neide, denn Neid, den könnte ich noch verstehen. Doch mein Herabsehen ist grausam, und ich schlucke den Scherz hinunter, den ich schon auf der Zunge hatte.

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Mehr denn je fehlt mir der Neid. Der Vergleich macht die Egalität deutlich. Dieser hat einen schicken Bart, und bezahlt Alimente. Jener hat eine wunderschöne Freundin, vor der ich schreiend davonlaufen würde, müßte ich mit ihr reden. Nächster leuchtet umringt, doch sein Magen verdirbt ihm mittlerweile selbst den Kaffee.
Und selbst? Die Kraft des tiefen Schürfens, und auch dessen Beschwerde. Das Faszinierte an so vielem, und die fehlende Hingabe, Bestimmung, wieauchimmer.

Rauchzeichen




stilhaeschen   |   30.03.2009, 16:52   |  
Puuh. Starker Tobak - und man wünscht ihr, sie möge von dieser Plattform nichts ahnen.

texas-jim   |   01.04.2009, 11:11   |  
Sie spielt Minigolf im Internet. Kann man meine Verzweiflung ahnen?
Mitrauchen