Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

04.01.09, 13:51 | 'Public preview'
Die Rückschau fällt zu schwer. Die Worte purzeln und stolpern und rennen und stoßen sich gegenseitig, sie fallen übereinander her, unentwirrbar.

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"Mein Fünfjahresplan ist völlig durcheinander" grinst mein Vetter hinter der Kaffeetasse, über den Tisch des Bauern. "Ich habe keinen, wenn man es genau nimmt." In fünf Jahren, sage ich, können wir längst irgendwo sein. Oder immer noch hier.

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"Freunde bleiben" sagtest Du so erwachsen, und ich habe genickt. Meine Freunde sagen nicht, sie sind und sie tun. Und als ich Dich bitte, lehnst Du schnippisch ab, und genauso lehne ich dann Deine Weihnachtsgrüße ab. Dinge, die man nicht tut, denke ich.

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Ich habe diesen Suchbegriff in der Liste gelesen, und möchte mich dafür sehr bedanken. (!)

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Und immer wieder der staunende Blick, und der Gedanke: Könnte ich nicht, mit ihr. Ertragen kann ich gut, wenn es nur Zentner sind. Aber Musik und Nähe und strafende Blicke, und dieses leidende Lächeln, als wäre man Kind und ungezogen und unverständlich; und wenn man das so aufzählt, dann versteht man sogar, aber ertragen kann man es trotzdem nicht.

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"Wo bist Du denn hin?" ruft man mir hinterher, durchs Telefon, weil sich da tatsächlich jemand darauf freut, sich mit mir die Hände zu waschen, die Kleider zu wechseln und am Vespertisch zu sitzen, bis die Lider zufallen.

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Frost ist mein Weihnachtsgeschenk. Pflügen macht Glück.

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Ich vergesse so viel und so schnell, und wenn ich nicht aufschreibe, nicht notiere, dann -. Erinnern! zwinge ich mich, doch vergehen ist leben und erhalten ist, ach.

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Immer noch der Umzug und die Hektik und Konfusion, und kein Auto und ein Parkhaus und irgendwann stehe ich in Arbeitskleidern in der großen Stadt, auf Kopfsteinpflaster, und die Leute schauen mich an, und ich schaue ins spiegelnde Schaufenster und auf meine zerschundenen Stahlkappen, und wundere mich, wie das denn nun wieder passieren konnte.

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Ich lasse mir das Feilen erklären, und er schaut meine Hände an und sagt "Weißfingerkrankheit", und daß man keine kalten Hände haben darf, und Klauen bekommt man, sagt er, und dann hat sichs mit den Mädchen.

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Wieso habe ich nur das alles wieder angefangen, frage ich mich, als am ersten Morgen gleich die Kettenbremse aufspringt und ich hilflos und fluchend eine Stunde in der Werkstatt verzweifle.
Ich wollte probieren, ob das noch so geht. Ob sich das Gefühl wieder einstellt nach sechs Jahren, im kalten Auto, rotes Radio, immer die selben dreizehn Lieder, das Egalsein, die völlig fehlende Angst vor Kurven und Zeit und Schnee, weil Leben keine Rolle spielt. Weil sich Bedeutung so völlig vernichtet hat; und überhaupt Vernichtung. Daß ich immer mit dem Glockenschlag ausgestiegen bin. Daß es dermaßen brannte, daß es eine Narbe gab. Durch die ich nichts mehr spüre, die taub ist und gefühllos.
Es wird nicht mehr so. Doch erschreckt stelle ich fest, daß es mehr die äußeren Zwänge, Joche, Gewohnheiten und Gewöhnlichkeiten sind, die es nicht mehr so werden lassen. Es liegt noch eine Überweisung hier, in dieser Kurve wäre es peinlich, und überhaupt die lange Haube und das glänzende Blech, und daß man mir dieses rotleuchtende Radio gestohlen hat.
Die Liebe zum Leben ist eine überflutete Insel im wogenden Meer, eine Kuppe, ein Riff, das aus der Brandung ragt. Und ich hangle mich von Klippe zu Klippe, und möchte ans Ufer, ich möchte Ebbe statt Flut und festen Boden, und vielleicht will ich doch viel lieber schwimmen. Deshalb sammle ich noch immer die lichten Momente, ich suche jeden Tag nach Schönem. Ich muß es nicht haben, ich möchte es nur bewahren, um zu beweisen, daß es sich noch einmal gelohnt hat.

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Der Bauer lispelt ein wenig, hat ein Kind und einen gebrochenen Daumen. Er ist so alt wie ich, und das kann es doch auch nicht sein, denke ich mir dann.

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Daß alles vergeht, und nur das sicher ist, das habe ich neulich jemandem geschrieben, und ob das nun Trost oder Furcht ist, dagegen kann ich nichts.

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Der Weihnachtsbrief, der mich lobt, er füllt mich mit Wärme. Hier sein zu dürfen, hier geholfen zu haben. Überhaupt eine Hilfe sein zu können, diesen Menschen, diesem knitzen Allkunn, dem seine Tochter am ersten Feiertag den Kopf schert.

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Verabschiede es und dann lass es gehen, habe ich irgendwo gelesen, und da steckt schon was drin. Genau wie im elefantösen Erinnern, Nievergessenwollen. Vielleicht ist es dazwischen, oder ganz weit weg davon.

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Was richtig ist, das weiß ich immer noch nicht. Aber es macht mir nichts aus, manchmal.

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Schnurgerade Furchen sogar, möchte ich dem roten Unglück zurufen. Doch es flieht die Zeit, es bleibt ein Blick, ein Glänzen in den Augen, dann ruft die Welt. Und wir klammern nicht, denn wir brauchen die Arme zum Schwimmen, und umarmend würden wir untergehen. Nur ganz kurz, wenn man Luft geholt hat, und sich emporgearbeitet, kann man sich berühren.
Dies ist Dein Bild, S.

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An der Wand hängt eine Schafwurst, zum Räuchern, grinsen wir.


Und ich sitze nun auch mal allein hier, und warte ruhig.

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Dort wäre es fast gewesen, ganz fast ganz knapp, und da saß ich dann auf meinem gepolsterten Hosenboden, und dachte so bei mir, daß es nicht tragisch gewesen wäre, aber ein ziemlicher Umstand, unversichert, und daß ich und sowieso und überhaupt, und was bildet sich diese Birke eigentlich ein? Und Träume von Mädchen in Schnittschutzhosen, auf einer Kellerstiege sitzend, an die glaube ich nun gleich gar nicht.

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Achteinhalb linker Hand. Warmschaffen, warmschaffen!

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Man kriegt mich ja immer, mit einem grünen Hemd in XL, und einem Katalog, "Komm, nimm den mit, wir einigen uns dann schon."

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Das Sprücheklopfen ist ein Handwerk, und ein Handwerk darf man bei keinem Pfuscher nicht lernen!

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Die ausgedachte Aussichtslosigkeit, von der ich erzählen wollte, die lasse ich nun im Knäuel, ohne die Fäden herauszuzupfen. Denn innendrin sind die Scherben, die spitzen Nadeln, und so kann ich es behutsam anfassen und irgendwo ablegen.

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Ich bemühe mich um Interesse beim Klassentreffen, und es fällt mir nicht mehr schwer. Ich bestaune Zugfahrten nach Paris und eine Apotheke in Fürstenfeldbruck, aufgebohrte Knochen und einen Master in Internationalen Beziehungen. Ich lächle ihm, der sich betrinkt, aufmunternd zu, und ihr, die sich unwohl fühlt. Und irgendwann schmeiße ich eine Runde und halte noch schnell eine Rede, drei, vier Worte, und weiß, daß ich das alles wirklich mag. Empathie, Empathie, und draußen beim Rauchen schaue ich so unauffällig auf die Schultern und Brüste und Hände, daß -.

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"Ich fand das sehr süß", sagt sie zu mir, und die Schwüle bilde ich mir sicher nur ein.

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"Eine Hüftoperation, das wäre was für Dich. Schlagbohrer und Zement und Dübel...", und ich frage lieber nach Bohrern als Hüften, aber blass werde ich schon lange nicht mehr.

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Natürlich darf ich nicht mit ihrem AMG fahren, nachdem ich derart schwungvoll neben ihr eingeparkt habe. Ich streiche mit der Hand über die Haube, über den Falz und das Emblem, sage "Dicker, wart hier auf mich!", und als ich auf ihrer Beifahrerseite einsteige, blinkt er zum Abschied. Automatik, sage ich naserümpfend, und das ist schon die Geschichte vom Fuchs und den Trauben.

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Ich bemühe mich, zu reden, und das ist tatsächlich etwas, das man Entwicklung nennen darf.

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Und die schönsten Sätze, die habe ich sowieso vergessen.

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Nur eins zum letzten Jahr: Zwei meiner Freunde haben sich das Leben genommen. Ich habe nur darüber nachgedacht.

Rauchzeichen




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