Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 30. 01 09

30.01.09, 14:21
Mach es gut, Opa Edi.

Wherever you may roam or sail.
# |  Rauchfrei | Gas geben


30.01.09, 13:19 | 'buying in just like a bunch of fools'
Liebes Leben,
als ich neulich erzählt habe, daß es so Tage gibt, da habe ich nicht gemeint, daß es nur noch solche Tage geben soll. Das mag ja sehr lustig anzuschauen sein, aber jeder Spaß hat mal ein Ende. Also: nächsten Freitag nicht noch ein Ordnungsgeld, ja? Danke.
Und könnte man es vielleicht so einrichten, daß ich mal einen Tag meine Fahrkarte nicht vergesse?

Klar, Du kannst jetzt sagen, daß das nie und nimmer die gleichen Spiele waren, die Du da mit mir getrieben hast.
Letzte Woche zu schnell und mit Telefon, diese Woche nur nicht angeschnallt. Dabei kamen grad die neuen Bußgelder im Radio. Das bisherige habe ich nicht genau mitbekommen, aber dafür steht es hier auf dem Zettel, den ich unterschreiben durfte. Haha, sehr witzig. Und nein, ich habe den Beamten nicht nach einem Abo gefragt. Sondern still und heimlich beschlossen, daß von heute an freitags nicht mehr studiert wird. Lieber ein Semester länger. Ist kostengünstiger.
Und daß ich gestern noch am Bahnsteig bemerkt habe, daß ich ohne Fahrkarte herumstand, das mag ja noch angehen. Fahre ich eben mit dem Auto. Da bin ich schon mehr umsonst in der Weltgeschichte umhergefahren. Das sehe ich nicht mehr so eng. Aber daß Du heute die zwei Mädchen auf den Bahnsteig stellst, die so ebenso offensichtlich Schwestern wie die Sünde persönlich sein müssen, mit ihren Pferdeschwänzen, der eine tief im Nacken, der andere verspielt ganz oben am Hinterkopf. Da mußte ich doch nachdenken, warum mir nun das eine viel besser gefällt als das andere, und ob das alles mit irgendwelchen Verhältnissen zu tun hat, oder doch nur mit diesen engen Hosen, und da waren wir schon zwei Haltestellen weiter, als ich darauf kam, nach meiner Fahrkarte zu sehen. Leider sehe ich nicht bis nach Hause auf den Schreibtisch, zumindest nicht vom Zug aus. Also stelle ich mich an die Tür und will aussteigen. Fahrkarte kaufen, sowas kann man ja beim Schaffner nicht mehr machen, seit neulich, und überhaupt heißt der jetzt Zugbegleiter und ist meistens eine sehr grantige ältere Dame, mit der ich nur ungern über meine Dusseligkeit diskutieren möchte. Klar, daß jetzt diese letzte, lange Strecke vor der großen Stadt kommt. Wir fahren an vielen kleinen Haltestellen einfach vorbei, die ich bisher nie beachtet habe. Heute würde ich sie sehr gern einmal kennenlernen, aber was hilfts. Sehnsüchtig starre ich nach draußen, und wenn es einen Gott gibt, dann - ach was, so verzweifelt bin ich nun auch wieder nicht. Ich glaube nur, daß sich noch nie jemand so nach Waiblingen gewünscht hat wie ich heute.
Und das bloß, um tief durchatmend auszusteigen und am Automaten festzustellen, daß ich kein Geld dabeihabe. Gestern eine Krawatte, fällt mir ein. Weil die so geglänzt hat. In blau und schwarz. Und für meine beiden kleinen Fans je ein Spielzeug. Traktor. Deutz-Fahr. Zweihundertfünfundsechziger. Ich war hin und weg. Ich habe sogar nach der neuen Baureihe gefragt. "X720 oder X750", habe ich gesagt. Die Verkäuferinnen haben nur kritisch geschaut. Dann nehme ich die beiden eben als Gebrauchte, wollte ich noch sagen, weil die gibts ja schon nicht mehr neu, aber das habe ich mich dann auch nicht getraut.
Ich laufe also zurück. Mit der Bahn war die Strecke schon ganz schön lang, und so wie ich mich eben noch nach Waiblingen gesehnt habe, wünsche ich mich jetzt nach Schorndorf zurück. Das ist mir noch nie passiert, daß ich mich nach Schorndorf wünsche, denke ich. Aber das ist wahrscheinlich auch Schorndorf noch nie passiert, daß sich jemand da hinwünscht.
Irgendwann reichts auch, und ich steige in die Straßenbahn. Schwarz. Hurra, ich bin ein Verbrecher. Aber es ist kalt draußen, und es sind noch gut sechzig Kilometer nach Hause. Habe ich erwähnt, daß es kalt ist?
Immerhin komme ich unkontrolliert bis zum richtigen Bahnhof - ich hätte ja gelacht, wenn ich den auch noch verschlafen hätte - und es hängt nicht einmal ein Strafzettel am Auto, weil der Dicke seinen Hintern ins Halteverbot gestreckt hat. Hurra! Oder so.

Ach ja, und dann war ich noch in diesem Laden, der nur an zwei Tagen in der Woche geöffnet hat. Wegen Hosen und so. Ich bräuchte ja noch keine, ziehe ich eben blaue Unterwäsche an, dann sieht man auch die Löcher nicht so. Aber es zieht da sehr unangenehm herein, und manchmal möchte ich ja auch ein wenig empfindlich sein. Außerdem ist es kalt draußen, wussten Sie das schon? Jedenfalls werde ich gefragt, von einer hübschen jungen Dame mit Pferdeschwanz, in optimaler Höhe angebunden übrigens, also der Pferdeschwanz, und nicht die Dame, und wo war ich noch gleich? Ach ja, die Hosen.
"Klassisch oder modern?" fragt sie mich, als ich noch gar nicht so recht durch die Tür bin. Mein Verkäuferinnenfluchtinstinkt schlägt mit einem Satz rückwärts zu, doch ebenso die Tür. Laut knallend. Gnadenlos. Mausefalle, denke ich. Und ganz ohne Käse. Sogar als Maus zu doof zum Überleben, denke ich, da merke ich, daß ich vielleicht auch mal was sagen sollte.
"Hallo", sage ich. Toll gemacht. Guter Anfang. Und jetzt noch einmal, und zwar so laut, daß die Mäusefängerin es auch hören kann.
"Ich brauche Hosen." Na klasse. In einem Hosengeschäft. Fehlt nur noch, daß sie "Damen oder Herren?" fragt. Tut sie nicht, sie kennt offensichtlich die Tücken der Tür. Und der Herren. Fragt sich nur, ob sie einen separaten Eingang für Damen haben, die muß man ja nicht in einen Laden sperren wie in eine Mausefalle. Oder so. Wie auch immer. Die Mäuseerschreckerin schaut schon wieder fragend, und ich habe schon wieder nicht zugehört. Herrjeh.
"Hä?" sage ich. Clever. Sehr clever. Erst mal doof stellen. Halt, stop, ich bin ja doof. Verflixt. Aber mich verwirren diese engen Hosen, die sie trägt, und der Pferdeschwanz, und sowieso und überhaupt.
"Eher klassisch oder eher modern?" fragt sie, und ich werde rot. Ich bin da ja flexibel, und mit den Stellungen kenne ich mich auch nicht so gut aus. Man steht ja nicht dabei, und sagt, das hier ist jetzt klassisch, da liegt der Mann oben, und das modern, da liegt die Frau oben, oder so. Ach so, Hosen.
"Äh," sage ich, und schaue an mir hinunter. Klassisch oder modern? Verflucht, ich hätte mich vorbereiten sollen. Ich kann doch nur Maschinen. Und Zahlen. Die kann ich gut.
"Dreißig, vierunddreißig," sage ich schnell, weil das weiß ich auswendig, und da bin ich einigermaßen stolz darauf. Die Avogadro-Konstante könnte ich auch noch, die fällt mir eben wieder ein. Die brauche ich genauso selten, wahrscheinlich liegt sie deshalb in der gleichen Gehirnschublade. Ich erwähne Avogadro lieber nicht, denn man weiß ja nicht, ob die Mäuserichverscheucherin mit meinen Gehirnschubladen klarkommt. Sie schaut schon wieder. Irgendwie - kritisch. Macht mir nichts, bin ich gewöhnt. Sie taxiert mich. Mäusebraten, Mäusesteak, Mäuseschenkel und Mäuserücken, denke ich, als sie an mir hoch und runter schaut.
"Vierunddreißig?" sagt sie zweifelnd, und ich strecke mich ein wenig. Aber hallo vierunddreißig, und daß ich bei der Weite ein wenig dazugemogelt habe, um es im Sitzen bequemer zu haben, das kann sie ja nun wirklich nicht - oder kann sie doch?
"Also gut," sagt sie, und überhäuft mich mit Hosen.
"Hell oder dunkel, neu oder used?" und ich nicke fleißig, und halte ihr meinen Arm hin. Sie legt die Hosen darüber, und dann führt sie mich zu einer Kabine. Weil ich nicht mehr über den Hosenberg sehen kann. Und, ehrlich gesagt, weil sie wohl vermutet, ich würde mich auf dem Gang umziehen, wenn sie mich nicht da hinführt.
Jedenfalls ziehe ich den Vorhang von drinnen schwungvoll zu, nachdem ich den Berg auf einer Bank abgeladen habe, und mache meine Jacke auf. Irgend etwas stimmt nicht. Ich drehe mich um, und vor mir steht die grinsende Mäuseschlächterin. Ich denke noch, naja und so, kann ich ja verstehen, daß sie sich den Spaß nicht entgehen lassen will, oder vielleicht bewacht sie auch nur die Mauselöcher, aber sie zieht nur ganz behutsam den Vorhang zur anderen Seite, so daß er auf der einen Seite auch tatsächlich zu bleibt, und ich sehe ihr Grinsen hinter dem dicken Stoff verschwinden. Ich schaue mich nach Mauselöchern um. Keine. Also doch Hosen.
Nacheinander ziehe ich Hose um Hose an, trete nach draußen, und werde mit einem "Gut", "Naja" oder "Mhm" wieder nach drinnen geschickt, wo ich die Hosen nach diesen Kriterien zu ordnen habe. Das ist anstrengend, immer wieder Hose runter, Schuhe vergessen, also Hose wieder rauf, Schuhe aus, Hose wieder runter, Vorhang auf, großer Fehler, Vorhang wieder zu, neue Hose rauf, Schuhe an, Vorhang auf, einmal drehen, auf Nicken, Grinsen oder Grummeln warten, und wieder rein, Hose auf das Grinsehäufchen, oder doch zum Grummeln? Zwischendurch ziehe ich den dicken Pullover aus, weil mir warm wird. Daraufhin scheint das Grinsen etwas häufiger aufzutreten bei der Mäusesachverständigen, und das freut mich, denn ich werde lieber angegrinst als angegrummelt. Sollen die, die mich fressen, wenigstens Spaß dabei haben. Ich bin ja nicht so.
Die drei Kleiderberge darf ich ihr am Schluß übergeben, und sie zuckt nur ganz kurz, als sie meine etwas unkonventionelle Art sieht, Hosen zu falten. Und den Seufzer habe ich mir sicher nur eingebildet. Oder die Lüftug. Lüftungen seufzen ja auch. Ständig.
An der Kasse steht eine weitere Mäuse... nun ja, Katze, und ich darf bezahlen. Sie trägt einen Pferdeschwanz. Der Kassenbon ist unbedruckt, aber was macht das schon. Sie trägt enge Hosen. Ich schiebe das weiße Stück Papier ein, und tatsächlich, die Tür geht auf, und als ich draußen mit meinen Tüten hantiere, fällt mir das Grinsen wieder ein. Auf meinem Hemd steht "Sex. Nur Pflügen ist schöner." und ich weiß jetzt wieder, warum ich den dicken Pullover übergezogen hatte, heute morgen.
# |  3 RauchzeichenGas geben