Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Donnerstag, 22. 09 11

22.09.11, 10:58 | 'Umanandastand'n ond rearn'
Daß am neuen Rad alle naselang die Bremsen festsitzen, daran habe ich mich ja mittlerweile gewöhnt. Räder ausbauen, Beläge ausbauen, Kolben gängig machen, wieder radeln. Und einen Trainingseffekt hat so eine blockierende Bremse ja auch. Außerdem kann man mit der Zahl der totgebremsten Beläge hausieren gehen.
Nun sitzt der Steuersatz fest. Keine eingepressten Lager, stelle ich fest, sondern gedichtete Lagersätze mit Fasen an den Lagerschalen, die für Sitz und Vorspannung sorgen. X-Anordnung, krame ich altes Lagerwissen aus, aber ob das für Querbelastung nach Lehrbuch richtig ist, oder ob hier der Montage Rechnung getragen wird, das weiß ich nicht mehr auswendig. Jedenfalls ist das untere Lager voller Rost, und ein ortsansässiger Händler erklärt sich gern bereit, den Garantieanspruch beim Händler durchsetzen zu wollen. Ein neuer Steuersatz kostet immerhin dreistellig. Daneben steht stumm mein günstiges Versenderrad, drei Jahre alt, Winterbetrieb, und schon einige Langtouren auf den Reifen, und hat keine Probleme mit nichts. Soviel zu den Marken, denke ich.
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22.09.11, 10:30 | 'Keep on ploughing'
Nach dem ellenlangen, filigranen Werkzeug von neulich haben wir dieses Mal einen rechtsseitigen Labmagen. Dort liegen die Gedärme, dort braucht es Gefühl. Diese klassische Methode sehe ich nicht so oft, und so bleibe ich gebannt stehen und beobachte die arbeitenden Eingeweide durch das flaschengroße Loch. Beobachte, wie er seinen Arm in dem Mädel versenkt, bis zur Schulter, und denke, wie groß so eine Kuh doch ist. Wie sie zu zweit konzentriert arbeiten. Behutsam ziehe ich mich zurück und fahre einen anderen Weg aus dem Hof.
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22.09.11, 10:26 | 'In Fetzen gerissen'
"And where the grass grows through the concrete
there is a path to follow
I chose this path
to follow"
Das steht auf der Rückseite meines Hemdes. Sie liest es laut vor. Dann fragende Stille. Ich schweige.
Sie verstehe das nicht, sagt sie. Ich schweige weiter. Für euer Verständnis habe ich keine Verantwortung, und auch kein Interesse daran. Mich trifft dieser Satz. Er trifft mich furchtbar, erschüttert mich, stärkt mich. Ihr sollt mich nicht damit treffen, ihr sollt mich gar nicht verstehen, euch werde ich mein Herz nicht darlegen.
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22.09.11, 10:08 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Man rauscht wie ein Eilzug ins Wochenende, und beim Abbremsen eckt man auch immer irgendwo an.

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Am Freitag nichts vor. Ich steige schweren Herzens irgendwann vom Walzschlepper, noch immer das scheppernd höhnische "Dieses Jahr ohne Mais" im Ohr, das mich so herablassend traf, so über den Kopf streichelnd, daß es mir die Lefzen hochzieht, weil der Mais, das Maisen, weil das alles so erstrebenswert für mich ist, ein Sommer voller Hoffnung und Wachstum in jedem Pflänzchen, und weil sie das so abtun.

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Was Du nicht ernst nimmst, das wird Dich beißen.

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Ach, der Freitag. Den verbringe ich dann in Gesellschaft von Menschen, die ich nicht leiden kann, mit denen ich mich so gar nicht zur Deckung bringen kann. Die anderen fahren, ich kann das riechen, selbst von dort aus, und nebenan das Geräusch abwickelnder Ballenfolie, und ich zähle gewohnheitsmäßig die Umdrehungen und schnüffle in die Luft nach dem frischen Gras, das zu silieren beginnt. Subterranean homesick blues.

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Euer Morgen geht von zehn bis zwölf.

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Menschen, die bekunden, kein Auto zu brauchen. Denen fährt man ja doch nur hinterher, und es ist ja nicht das Fahren, das mich stört, sondern die Selbstgefälligkeit.

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Die Ökoüberhebliche, die mit ihrem großen Dieselkombi im Dorf umherfährt.

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Architekten zusammenbringen. Schön das, denn dann kann ich ruhig meinen eigenen Gedanken nachhängen, inmitten all derer, und zwischendurch trifft mein unscharfer Blick auf den des alten Herrn, und wir grinsen uns an. So sind wir verwandt, getrennt von allen anderen, getrennt von uns.

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Da müssen wir noch hin, und ich gebe mich geschlagen und unterdrücke ein Gähnen. Natürlich fahre ich, Du brauchst ja kein Auto.

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Hier haben Menschen Spaß, und wir sichten eine Discokugel. Was an diesem Spaß schlimm sein soll, frage ich mich immer wieder, auch wenn mir die Musik nicht gefällt. Die Überheblichkeit, daß es in der Stadt besser sei, daß es hier eben recht für die einfachen Landmenschen sei, die stinkt mir. Ich wäre ja gern woanders. Aber nicht in der Stadt. Seid ihr nur glücklich da, aber lasst mich doch hier zufrieden sein. Große Welt ist doch mittlerweile überall, und hohe Schuhe machen noch keine großen Menschen.

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Frustration. Egalität ist angenehmer.

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Nein, ich will mich nicht in eine weitere Familie integrieren.

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Baden. Wir lassen uns im Kreis treiben, und ich schaue an die Decke, wie sich das Wasser spiegelt. Luxus.

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Meine Passagierin und die Parallelwelt.

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Mannschaftssport lebt von den Motivatoren. Deshalb fahre ich Rad.

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Die besoffenen Dorftölpel feiern ihn als neuen Bürgermeister, wie er da mit ihnen sitzt und kontrolliertkonzentriert die Augen nicht verdreht, und hinterher werden sie sich das Maul zerreißen, auf beiden Seiten.

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Spaßbieter. Die Partei, die Linke, ein Spielhallenbetreiber, ein Jungspund. Was unsere Wahlzettel brauchen, ist ein Leckt-mich-Kreuzchen.

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Wie er sie einlullt und aufs Kreuz legt. Wahlkampf ist also doch einfach.

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Großes Familienvesper. Großes Geschrei. Große Diskussion. Noch einmal großes Geschrei. Ich finde es so gar nicht schlimm, daß es bei uns keine Vespertradition gibt.

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Was mich versöhnt: Wie Du Dich morgens im Halbschlaf auf die Stelle rollst, an der ich eben noch gelegen bin. Einen Arm ausstreckst und wieder unter die Decke ziehst. Seufzst. Dann wird Dein Schlaf wieder ruhiger, und ich ziehe die Tür hinter mir zu.

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Nicht so viel reden müssen, und nicht so viel detaillieren.

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Nebenan pflügt der Nachbar, und als er aufhört zur Stallzeit, da steigt er kurz auf, und an seinem Lachen freue ich mich.

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Wie mich die Dunkelheit irgendwann in den Feierabend treibt. Daß ich hier nachgebe und irgendwann gern ein Feuer anschüre und hineinschaue, daß das mein Abend ist, das zeigt mir mein Altern, aber auch das ist gut so.

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Bier beim Bauern.

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Wie ungern ich anderer Leute Sonntage störe.

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Da ziehen zwei in eine Wohnung, die ich mir auch schon angeschaut habe. Eine Wohnung für zwei. Wohnungen sind für einen ja nicht sinnvoll, denke ich mir immer.

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Ab jetzt: vier Tage Mais und Gras, noch einmal ohne Pause. Auf sie mit Gebrüll!
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