Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Mittwoch, 22. 10 08

22.10.08, 11:41 | 'Nachdenken im Dativ'
Als das erste Schar in den Boden dringt und anfängt, die Erde umzuwerfen, werde ich schon ruhig. Ein paar Bahnen weiter nehme ich nicht mehr wahr, daß ich ab und zu absteige und hier und dort an einer Spindel drehe oder mich mit zusammengekniffenen Augen hinter den Pflug knie. Der Sedelfelsen leuchtet in der Sonne, und ich weiß, daß ich mit keinem Bild und keinem Wort dieses Leben einfangen kann.



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Ein ganzer Fisch zum Mittag, und es gibt wenige Dinge, die mich mehr von ihrer Lebensart überzeugen können.

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Und als ich gestern kurzärmelig und verschwitzt unter der Kreiselegge saß, vor der Werkstatt in der Sonne, da hätte ich gern ein Interview mit mir geführt.

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Ich laufe durch den Garten, um den Radlader zu holen, und sehe einen wunderbar überwucherten Baum. Ich höre Vögel. Ich sehe keinen Menschen und keine Straße. Ich sollte viel öfter durch Gärten laufen, über Treidelpfade, hier.

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Die Schweine haben sich irgendwie durch die Absperrung gearbeitet; quiekend und grunzend galoppieren sie durch den Stall. Ganz nach hinten, und von da wieder zurück. Am Stalltor purzeln sie durcheinander und führen sich überhaupt auf, als hätten sie einen Riesenspaß.
Der Bauer lehnt neben mir am Fressgitter. "Richtige Mastschweine hätten jetzt alle einen Herzkasper und gebrochene Beine." Wir schauen uns an und beschließen, die Absperrung erst am Abend zu reparieren.

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Auf dem Hof meines Großvaters sauge ich die alte Güllegrube leer. Sie füllt sich von selbst, das ganze Jahr über läuft das Regenwasser der Dächer hinein. Und einmal im Jahr fahre ich dann durchs Dorf, die Einfahrt hinauf, und der kleine Hof kommt mir mit jedem Mal enger vor. Daß hier Menschen gelebt und gearbeitet haben. Daß hier Leben war. Daß ich hier saß, auf der Mauer der Miste. Ich tue mich schwer beim Wenden mit dem Hundertzwanziger. Die Pumpe röhrt hohl in die Dämmerung. In der alten Wirtschaft brennt kein Licht, im alten Stall auch nicht. Im Nußbaum raschelt ein Eichhörnchen. Ich habe verdammt wenig aus meiner Kindheit, denke ich. Und ich schaue an mir hinunter, am grünen, verdreckten Overall, an meinen Händen, deren tiefe Gräben nie mehr ganz sauber werden, an meinen Schuhen, in denen sich unsichtbar die kalten Zehen bewegen, und wie ich da stehe, ans Rad gelehnt, und denke, daß diese Kindheit immer noch Bestand hat, daß die Prägung sich nicht abschleift und nicht verlorengeht. Und daß die Prägung den Wert einer Münze bestimmt. Ist das richtig? Und ist es denn wichtig, ob es richtig ist?
Gegen halb neun höre ich auf, im Dorf hat man Nachbarn, und da ist es nicht so mit Lärm. Später sitze ich mit dem Kleinen im Jugendhaus, an der Stirnseite der Bar, und das Abwarten fühlt sich sehr gelassen an.
# |  6 RauchzeichenGas geben