Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Donnerstag, 16. 10 08

16.10.08, 19:19 | 'Nicht drueber nachdenken'
ZUERST die Dachsparren abstauben, und DANN die Heizkörper und Regale putzen, Idiot!
# |  4 RauchzeichenGas geben


16.10.08, 18:55 | 'Highway 61 revisited'
Hubert von Goisern in der Halle, in der ich schon Fats Domino gesehen habe, dreizehn Jahre ist das schon her.
Ich komme zu spät, ich habe keine Karte, und gegenüber üben die Feuerwehrler für den Maschinistenlehrgang. Bis auf ein paar Schwarzgekleidete ist das Foyer leer. Ich gehe trotzdem hin, und das will schon was heißen.
Die Kassiererin hat einen angemalten Belegungsplan vor sich, und vielleicht noch acht oder zehn Eintrittskarten, mit Reihe und Platznummer. Sitzkonzert. Ach Gottchen. "Reihe eins?" fragt sie mich; und ich schiebe schon das Geld durch das Loch in der Glasscheibe, als irgendein Rainer daherkommt und ihr erklärt, die Karte sei reserviert und nicht verkäuflich. Es ist ganz still drinnen. Ich kaufe eine Tribünenkarte.
Als ich durch die Gänge irre, überlege ich kurz, ob ich mich nicht doch in die erste Reihe, weil die Nummer habe ich mir ja gemerkt und kommen wird da sowieso keiner mehr - aber. Ich gehe die Treppen hoch zur Tribüne, Block A ist ganz hinten, und als ich durch die Tür schleiche, wird es drinnen dunkel, und die Quetschkommode atmet langsam und übermäßig verstärkt ein. Akkordeon, selbstverfreilich, aber wo sind wir denn hier?
Bis zur Pause bin ich gefangen von den Liedern, die Hubert von Goisern nicht einfach vorträgt, sondern auslebt. Seine Hände zucken im Takt, er beißt sich auf die Unterlippe und grinst seinen Musikern zu. Es scheint nicht zu stören, daß niemand mitsingt, daß nur verhalten applaudiert wird, und daß sich kaum je ein Kopf bewegt. Stattdessen geht immer mal wieder jemand gemächlich an der Bühne vorbei zur Toilette. Ich schäme mich und klatsche lauter, und irgendwann habe ich das Gefühl, der Mann links von mir würde mir folgen. Ich grinse ihm zu, und bei "Iawaramoi" singe ich schon lauthals mit. Eine Passage lasse ich aus, und Hubert von Goisern ebenfalls. Was solls, schließlich hat sich der Betreffende erst Tage zuvor um einen Pfosten gewickelt, und da hat er recht, der Goisern, und ich winke ihm zu.
Nur wenige Ansagen unterbrechen die Lieder, und mittlerweile haben es die meisten begriffen, daß nach jedem Lied das Licht ausgeht, und da darf man dann gern klatschen, aber daß ein "Weit, weit weg" drei Strophen hat, das zu wissen kann man doch erwarten; und wenn mans schon nicht weiß, dann kann man sich immer noch an der Dunkelheit orientieren, anstatt der wundervollen Sängerin ihre zarte, verlorene dritte Strophe kaputtzuklatschen. Aber was kann man schon wirklich erwarten, denke ich, und jodle den drei barfüßigen Damen auf der Bühne meine Begeisterung entgegen.
Von links und rechts schauen alte Menschen auf mich herab, und daß der Platz rechts neben mir leer geblieben ist, das geschieht mir ganz recht. Ich würde gern auf das Gestell des Basketballkorbs vor mir klettern, und ein wenig winken und singen, aber ach.
"Nach der Pause freie Platzwahl!", ruft Hubert von Goisern ins Dunkel, und lachend drängen sich die Unbekümmerten nach draußen, während die Ängstlichen drinnen Taschen und Jacken auf ihren Plätzen deponieren. Ich möchte die Kleingeister verlachen, aber ich habe den Platz in der ersten Reihe schließlich auch nicht erobert, also schweige ich und erstehe im Foyer ein Pils und ein grünes Hemd mit aufgedrucktem Drachen, fünfzehn statt zwanzig, passt schon. Eine Cordjacke, auf deren Kragen die glatten Haare aufstehen, schiebt sich auf mich zu. Biologie und Deutsch. Ach Gottchen. Ich begrüße ihn und nach der Feststellung, daß ich den Altersschnitt ganz schön unterschreite, fällt uns beiden nichts mehr ein. An Bio haben mich schon immer nur die Rindviecher interessiert.
Ich marschiere wieder Richtung Tribüne, und setze mich auf den Platz neben meinem vorigen. Kümmert mich nicht, und wenn es das Gewagteste ist, was der Herr auf meinem Platz heute getan hat, dann ist das immerhin vergleichbar mit meinem Entschluß, ohne Eintrittskarte zum Konzert zu fahren. Ein zweiter Herr beginnt zu zetern, und ich zu schlichten. Es wird dunkel, und lauthals beginne ich den "Landlertanz" mitzusingen. Die Herren schweigen.
"Das war alles ganz schön teuer, auf der Donau", sagt Hubert von Goisern. "Und ihr habt 's zahlt." Mir gefällt das. Mir gefällt diese Einstellung, mir gefällt die Bühne und das verschwitzte Musizieren, Gitarrist, Bassist, Keyboarder, Schlagzeuger, die drei Damen in den Faltenröckchen an Violine, Didgeridoo und Rasseln, und Hubert von Goisern an der Gitarre, der Quetschkommode, der Trompete und der Mundharmonika und wasweißichnochalles. Jodeln. Genau.
Es gibt Lieder, die ohne Text auskommen, denke ich. Es gibt Lieder, die werde ich von nun an neu hören, neu lernen. Es gibt Lieder, die bestätigen und stärken noch das Kreuzchen, das ich für mich gemacht habe, in meiner kleinen Liste der Unentbehrlichen.
Es ist nach halb zwölf, als ich im Auto sitze. Der Konvoi windet sich vom Parkplatz zur Bundesstraße, wo er sich aufteilt, schön den Nummernschildern entsprechend sortiert, und als alle so richtig Fahrt aufgenommen haben, schere ich auch schon aus, auf einen kleinen Feldweg, und wie ich den Berg hinauffahre, können sie mich sicher noch lange sehen, während sie sich da unten entlangschlängeln, und mir hinterhersehen, bevor mein Lichtschein im Hof verschwindet, wo ich noch schnell durch den Stall laufe, an den käuenden Mädel vorbei, und das Schnauben und Strohrascheln in mich aufnehme und auf einem Strohballen die Beine baumeln lasse, weil das so gehört, weil das so muß.
# |  2 RauchzeichenGas geben