Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

26.11.12, 13:41 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Freitags früh. Es ist so eine Sache mit der Zeit, aber ich will und ich muß, und wieso bleibe ich dann überhaupt noch hier? Ich radle also, spüle ab und fahre dann los. Anderthalb Stunden vor Heimat, vier Stunden vor Elbe, und No Doubt flüstern "Running".

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Wir stehen in der Tür und schauen den Gardemädels zu. Sie lächeln uns zu, und am Ende klatschen wir.

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Dirty Dancing, sagt sie, diese Schöne, die ich so in Schutz nehme vor der unterstellten Arroganz, die sich so wehrt gegen die Unterstellung, und die ihnen dadurch noch Nahrung gibt. Was kann man schon ignorieren? Die sich Nähernden, Geifernden, durch Blicke abhalten oder durch Sack und Asche? In Deiner Haut möchte ich auch nicht stecken, denke ich, und da habe ich schon den Einsatz versäumt.
Und den Film, den werde ich mir trotzdem nicht ansehen. Keine Hausaufgabe für Texaner.

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Der Kleine die Frau, und ich der Mann. Und daß die Hebefigur besser klappt als die Tanzschritte. Dafür blödeln wir und gockeln und hampeln, und es freut mich so, unser Lachen.

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Wir werden wieder tanzen, wir beide, auf der nächsten dieser Hochzeiten. Werden am Tisch der Freunde sitzen, wo getrunken und krakeelt wird, und lachen über die Gestelzten, die so sorgsam essen und gratulieren und die COntenance bewahren, während wir die Schuhe abstreifen und die Hemden verschwitzen, die Krawatten wirbeln lassen und Band und Braut hochleben lassen. Spaß ist nicht cool, und wenn ihr lieber cool seid, nun ja.

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Ich fahre sie nach hause, und die drei Streifen ihrer Sporthose hinterlassen den Hauch eines Abdruckes auf meinem Beifahrersitz.

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Ich sehe mir Bilder an, und wie immer ist zu wenig zu sehen. Zuviel Verzweiflung, und daß sie uns das aufbürden. Daß sie sich einfach nicht benehmen können. Ich will mich nicht in Rage reden und kühle doch erst im Auto ab.

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Überhaupt das Auto. Wie es hier dazugehört. Und wie ich dort keines haben will.

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Eine Nachricht, hundertundfünfzig Kilometer. Weißwein, Reden, Lachen. Andere Leben hören. Der Film über Eisbrecher und die Diskussion über Gleichbehandlung. Gleichwertigkeit. Wir vergeben Punkte, und wie anders wir zählen! Welche Gesten nicht auffallen, und welche nicht gehen. Verzwickt, sage ich und schenke wieder ein.

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"Analsex will vorbereitet sein!"

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Spieglein, Spieglein.

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Violet dreams. Violent dreams.

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Run for home
Run as fast
As I can
Running man

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Dieselruhe.

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And every piston sounds like freedom.

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Die konzentrierte Verrichtung. Routine in groß. Ich bin ruhig in der Routine, und sehr wach. Meine Handgriffe ergeben einen Ablauf, und ich merke mir die doppelten Wege. Verkürzen. Vereinfachen.

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Ärmelschoner zum Melken. Blaue Puffärmel aus Plastik.

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Schmerz in den Ellbogen ist stechend, hell und laut. Ich laufe eine fluchende Runde, bis er ins Pochen übergeht.

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Pflügen. Ich mag diesen Seitenhang, ich mag diesen langen, krummen Acker. Ich mag die Wolken aus Westen, und wie die Berge im Dunst liegen. Der Boden krümelt schwer und schwarz, und immer wieder finde ich die Reste jahrealter Stoppeln.

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Was sich auch immer ändert. Die Schare neu, der Schlepper neu. Der Nachbar neu, und die Grenze sieht auch anders aus. Der Stein im Fluß zu sein. Abgeschliffen zu werden. Zu bleiben.

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Irgendwas begrenzt immer. Die Theorie des Holzeimers und der kürzesten Stebe.

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Ich bin Busfahrer. Ich bin Türsteher. Das rote Unglück und ich, wir lachen uns an, als sie uns siezen. Tränen in den Augen, als sie aufgeregt erklären. Leben läuft, sage ich zu einer, die an der Garderobe schluchzt.

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Milch und flüssige Schokolade. Bis uns schlecht wird, und dann noch Banane.

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Ich stehe draußen und schaue mir die Lichter durch die großen Hallenfenster an. So ist Disco. Sie tanzen und kreischen, und immer singen sie mit. So lernen sie das Feiern, denke ich, und dann wird ja doch alles gut.

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Ende um Mitternacht. Beim Abbau trinken wir die kassierten Schnapsflaschen, die nicht abgeholt wurden, aus. Rauchen die konfiszierten paar Zigaretten. Freuen uns an der Geschichte vom fuchtelnden Dreizehnjährigen. An der Begeiseterung, am Überschwang, an der rotzigen Frechheit und dem unsicheren Respekt. Wir sind größer, wir sind älter, aber nicht erwachsen genug, daß sie uns einschätzen könnten.

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Auf dem Platz draußen Verwandtschaft. High five mit dem ganz Kleinen mit dem großen Grinsen. Hat es Dir gefallen? frage ich, und er nickt und sprudelt, und daß er schon Nummern sammelt und Herzen bricht, das soll mir recht sein.

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Da sitzt einer, der gekommen ist. Hier gebaut hat. Grundausbildung, glasige Augen, und diese Erzählstimme. Die Geschichte der einzigen Frau. Verbundene Augen. Die nackten Waden, die nackten Bäuche. Und immer einer, der den Scherz auf die Spitze treibt.

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Es ist vier, als ich ins Bett gehe, und fünf, als ich wieder aufstehe. Man kann am Wochenende auch mal eine Stunde im Bett sein. Und zehn in Gummistiefeln.

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Routinen kann ich. Nur die Konzentration lässt nach. Man muß sich eben mehr zur Routine machen. Ich falle dann doch irgendwann aus der Route, aus dem Überhang ins Seil. Die Kräfte lassen doch nach im Alter, lache ich dem Blonden da unten zu. Auf Facebook gefällt sein Foto siebenundzwanzig Mädchen.

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Ich sitze im Auto, das Telefon lärmt. Ich habe gekocht, ich wusste, wann. Und dieses Wissen und dieses Machen, das wärmt mich so sehr wie die Einladung, und ich strahle dem Mittagessen in der kleinen Küche nach.

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Ich denke an den Gasherd und den Fladen.

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Bei Kaffee und Kuchen erfahre ich es offiziell. Dann kommt noch einer, der viel lacht und erzählt und schließlich zuerst die Haare geschnitten bekommt. Es kommen noch zwei Hunde und ein Rotschopf in Stiefeln. Sie trägt kurze Hosen, Strumpfhosen und einen wundervollen Kugelbauch. Hier sitzt eine ganze Menge Leben, sage ich, während ich die Augen zusammenkneife, weil Haarbüschel von mir fallen. Fell, lacht sie und hält sich den Bauch. Euren Umgang möchte ich studieren, denke ich. Ihr macht das richtig, seid schon recht.

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Ich lege die Hebel um, drücke die Knöpfe. Lasse das Wasser ablaufen, schraube die Edelstahlverschlüsse ab. Milchfilter. Die große Feder. Die Pumpe läuft an, die Melkzeuge heben sich seufzend.

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Ganz kurz nur will ich aus der Grube des Melkstandes. Die Gummistiefel schlagen aneinander, der Melkerschurz weht. Stricke, heißes Wasser. Routine. Mit den Wehen arbeiten, denke ich in der tiefen Stimme, die ich so gut kenne. Die Natur machen lassen, denke ich in dieser harten, warmen Stimme eines anderen. Was sie mir beibrachten, was sie mir immer noch ständig zeigen. Ich wische Gewebe und Gemenge aus einer Schnauze und puste fleißig in die Nüstern. Die Ohren zucken, und das Kalb schüttelt sich. Saubermachen, sage ich, und lege ihn der Kuh vor die Nase. Schnell melken, schnell tränken. Während der Nuckeleimer zu schlagen beginnt, überlege ich der Stimme nach, die das zu mir gesagt hat. Lange her, denke ich. Die Lehren bleiben. Standing on the shoulders of giants.

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Ich bin in Hochstimmung. Meine Hände riechen genau richtig. Das Licht ist hell, als ich die Tür aufreiße. Ein blaues Auge, dicke Lippe, drei Stiche. Anzeige erstattet.
Da reagiert man einmal richtig, ruhig und besonnen, und dann steckt man doch ein. Gute Besserung, sage ich, und für Rachepläne sind wir zu alt. Wir werden sehen, was so ein Strafantrag bewirkt.

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Wieder Bilder. Das tragische Trinken, sonntagmorgens um neun. Das kann doch nicht mehr lange gutgehen.

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Als ich losfahre, hat selbst der Dönerladen schon zu. Im alten Friseursalon rotes Licht. Cash-City. Aha. Ein wenig gehässig bin ich schon, den Nachbardörfern gegenüber. Vielleicht der Hunger, aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Es ist genau Mitternacht, als ich ins Bett falle.
Ruhen.

Rauchzeichen




traumzecher   |   26.11.2012, 20:04   |  
Deswegen bin ich so gerne hier.

texas-jim   |   27.11.2012, 09:02   |  
Haben Sie Dank. Solche Wochenenden sind sehr anstrengend.

traumzecher   |   27.11.2012, 10:33   |  
Das glaub ich. Aber es liest sich dann wunderbar. So literarisch. Ich mag das sehr.

texas-jim   |   27.11.2012, 12:59   |  
Oh, haben Sie vielen Dank.
Mitrauchen