Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

13.03.09, 11:46 | 'was von den Jahren uebrigbleibt'
Flirte nicht mit den Damen vom Telefonservice! Sie werden Dir vor Aufregung, daß jemand mal nett zu ihnen ist, das falsche Paket schicken. Wenigstens der Preis stimmt.

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Weißt Du, wie lange ich schon nicht mehr im Schützenhaus war, frage ich Dich leise, und so schüchtern war ich auch schon lange nicht mehr. Wie man Orte verliert, und sie wiedergewinnen muß. Zurückerobern, denke ich mir, als ich unsere Jacken im Flur aufhänge.
"Ein ganz seltener Gast", jubeln sie, denn so schnell geht das hier nicht mit dem Vergessen. Sie kennen den kleinen Buben noch, kürzer als sein eigenes Luftgewehr, der auf einer Plastikkiste stehend schoß, im alten Schützenhaus noch, und danach saßen wir dann um einen Gasstrahler, ich fröstelnd auf dem Schoß meines Vaters. Sie kennen den grimmigen Jungen noch, der mit Schlepper und Kreiselegge die Bogenschießbahn planiert hat. Sie kennen den Kerl noch, der jedes Jahr nach den Arbeitsplänen fragt. Aber den, der hier sitzt und lacht und Darts spielt, sich auf die Schenkel klatscht und die Arme um jemanden legt, den kennen sie nicht.
Jugendwart, sagen sie, und plötzlich klingt das wie eine wunderbare Idee. Ich dürfte mittlerweile ein miserabler Schütze geworden sein, wende ich ein. Verlernt man nicht, und Du kannst ja rein zum Trainieren, und am Samstag ist Hauptversammlung.
Wie schnell sich ein Leben verschieben lässt, verrücken, um ein paar Zentimeter, und wie anders all das von hier aussieht.

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Mittwochabend schon. Jugendhaus, wie lang ist das her. Die Themen sind ähnlich, und als wir alte Bilder anschauen und vom Bauen reden, da werde ich wehmütig, und ich stelle die Füße auf die Bar, links und rechts der Bierkiste. Den Kopf an die Wand gelehnt schaukle ich auf dem Barhocker, bis mir wieder so wohlig ist, wie es immer war. Und ich möchte wieder mit, zum Radfahren, nach Italien, Spielen und Lachen, und beim Spielen und Lachen helfen.

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Ich stapfe über die Paletten, die Kapuze über den Kopf gezogen. Die Türklinke lässt sich nicht drücken, und der Tür zuliebe versuche ich es nicht mit Gewalt. Ich winke durchs Fenster, was habt ihr wieder für Lumpereien ausgeheckt? Die Tür geht einen Spalt auf, wir reden gerade über Dich. Also, sage ich, den Fuß schon in der Tür, dann bin ich ja richtig.

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Es wird spät und später, und wir entwirren Beziehungsgeflechte, wir entwirren das Verlassensein und die Hahnenkämpfe zweier um eine. Und als ich noch das Alter erwähne, das Alter, das Alter! da lächeln sie, weil mit fünfundzwanzig kann man sechsundzwanzig noch nicht verstehen. Vielleicht bin ich aber nur mal wieder völlig falsch, und die beiden haben recht, weiß der Teufel, ich hoffe es.

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"Kinder" und "Kopfschuß" habe ich in der Zeitung gelesen, und ich will das nicht lesen, ich will das nicht denken müssen, ich weiß nicht, was ich dabei fühlen soll. Und als er abends erzählt von seiner Schwester, die mit all den Kindern, ihren Schutzbefohlenen in den Keller geflüchtet ist, und sich tapfer Spiele ausgedacht hat, über Stunden, da weiß ich noch weniger, bin noch leerer, richtungslos taste ich, ohne Wände zu fühlen.
Mit den Details wächst der Schrecken, mit der Nähe das Unverständnis. Je weiter weg, umso einfacher und klarer. Und wenn man ganz weit weg ist, bleiben vielleicht nur noch Computerspiele und der Zugang zu Waffen, wird alles so klar, daß es nur noch falsch sein kann.

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Thank you for being a friend, singe ich, als ich zum Auto patsche, durch den ewigen Regen.

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