Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

09.03.09, 00:37 | 'Night after night'
Versuch über Einsamkeit.

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Ich läute an der Tür, sage Gudn Dog, und dann trample ich die Treppen nach oben, in diese warme Wohnung, in eure. Ich bring ihn Dir wieder, alles halb so schlimm, Operation gut überstanden, und schwenke die Tasche. Du stehst vor mir, vom Sofa aufgestanden, ich schaue durch die offene Tür. Eine der Decken liegt auf dem Boden, unter der anderen Decke Dein Mädchen. Sie winkt mir zu, und wir setzen uns in die Küche.
Dübel, sagst Du, und Vorhänge, und dann sind wir fertig. Und dieses Gefühl, das neide ich Dir eben so, wie ich es Dir gönne. Und Du erzählst von heute nacht, hier noch eins und dort, wie leicht einem das fällt, wenn man gestützt wird.
Bei Dir, fragst Du, das Glas in den Händen drehend. Ja, sage ich langsam, muß man abwarten. Das Beste, sagst Du, und ich weiß, daß Du das so meinst. Daß Du mir das wünschst, auch wenn das Beste für mich irgendwas sein mag, das ich mir selbst noch nicht vorstellen kann.
Ich trinke aus und gehe. Als ich die Tür hinter mir zuziehe, winke ich und höre das Sofa knarren, die Decke rascheln.

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Ich mag es, hier in den Hof zu fahren. Ich biege ein und lasse es langsam auf dem Schotter ausrollen. Die Scheinwerfer erfassen die parkenden Autos, kreuz und quer stehen sie da. Ihre Nummernschilder leuchten, und ich kann lesen, wer drinnen sitzen wird, wenn ich über die Paletten hinuntermarschiert bin, geblendet vom Außenstrahler.
Dann trete ich ein, die Tür quietscht und schlägt dann hinter mir zu. Sie sitzen nur zu viert hier; der Kanzler, der Reiter und seine Lehrerin, der Bärtige. Wo sind denn alle? frage ich, und Kartfahren, sagen sie. Niemand hat mich angerufen, niemand gefragt. Wir teilen das Übriggebliebensein.

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Er torkelt hinaus, über die Paletten. Sein zerfurchtes Gesicht, seine keuchende Stimme. Ich mag diesen Mann, und ich hasse es, wie das Leben ihm mitgespielt hat. Allein in dieser Wohnung, mit den Brandflecken, dem Rausch. Ich denke an Silvester, wie er da vor mir stand, schwankend in seiner Apostelbereifung, Kippe und Bier, sich an mich lehnend, wie er da vom Tanzen noch ganz außer Atem war, wie er überhaupt getanzt hatte, so vorsichtig, so behutsam mit diesem zierlichen Mädchen, und so voller Freude.
Weißt Du, sagt er zu mir, ohne euch wäre ich schon lange nicht mehr da, und das ist der Satz, der mir bleibt, der mich mahnt und erinnert.
Er hat einmal gesagt, daß ich ein schlechter Mensch sei, als ein Ende erreicht war. Und ich wußte, daß er das für jemand anders gesagt hat, als Mitteilung an mich, was über mich geredet und gedacht wurde. Er sagte das sehr fragend, abwartend, als wollte er von mir eine Erklärung für das Wegwerfen, das er nicht verstehen kann, dem alles genommen wurde, was ich wegwarf, damals. Ich habe den Kopf gesenkt und genickt, wahrscheinlich stimmt das so, habe ich gesagt. Er hat nie wieder gefragt.

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Sie schauen sich nur kurz an, dann stehen die beiden auf. Wieso gehen eigentlich alle nach draußen, zum Telefonieren? fragt er im Stehen, als er in die Jackenärmel schlüpft. Du würdest das nicht tun, sagt sie, und ihre Augen leuchten, so verstehen sich die beiden.

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Wir sitzen noch ein wenig herum, eine Zigarettenlänge, und reden vom Auswandern, von Milch, und was wir mit dem Leben machen, dem festgelegten. Ich mag seine Art, das Annehmen, das Unbeugsame, und seine gnadenlose Logik, die mag ich auch. Wie er so wenig zur Schule geht als möglich. Die können einem nichts erzählen, meint er, und damit sind wir so gegensätzlich, wie es nur sein kann.
Und Biogas. Ich baue eben gern. Das schlimmste ist doch der Winter. Wetter, sagt er, bei dem man nichts tun kann. Nicht zu wissen, was tun, und er bricht ab.
Weißt Du, sagt er, ich habe mir einen Fernseher gekauft. Eine Menge Geld ausgegeben. Aber seit einem Jahr ist Fernsehen meine Freizeit. Mein einziges Laster.
Und seine Konsequenz, die mag ich am meisten.
Ich würde gern meine Kühe sehen, über den Fernseher. Nachts, bevor ich ins Bett gehe. Spare ich mir einmal das Gummistiefelanziehen. Jeden Tag.

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Und dann sitze ich da, umgeben von Elektrik und Elektronik, und allein. Ich fahre in die Stadt, ich kaufe einen Döner. Dafür bin ich noch nie gefahren, denke ich mir noch, so wichtig war mir das noch nie. Ist es auch heute nicht, doch nichts ist noch unwichtiger, und das relativiert sich dann.
Ich sehe einen Film, irgendeinen aus meiner winzigen Sammlung, und da herzen sich Freunde und schlagen sich, doch allein, allein sieht man sie nie. Und immer die Gewißheit, sich das ausgesucht zu haben, weil ich auch zu zweit allein war, immer irgendwie.
Und dann denke ich wieder, ob es diese Liebe eines Lebens wirklich gibt, diese unerfüllte, und ob ich einerseits meine bereits kenne, was schmerzt und in mir wütet und tobt, und andererseits jemand anderes unerfüllte Liebe bin, ob ich der Blick ins Paradies war, und der Vorhang, der den Zuschauer wieder machtlos ins Dunkel drängt.

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Und ich hätte Dich gern hier, Deine Wärme, und ich drücke mein Telefon, um Dich leuchten zu sehen, und Klingelnleuchtenrattern, und Schlaf gut, und ich würde Dir das jetzt gern sagen.

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Hey Joe, höre ich jetzt, where you gonna run to now? Und ich frage mich, ob es zuviel verlangt ist vom Leben, verstanden zu werden.
Hier wie dort, der Tick, der mich rasend macht, wenn ich mal wieder das Leben über die Prinzipien stelle, dort wie hier, wenn ich wieder Deine Stimme zu laut finde.
Und was Du alles an mir finden magst, denke ich dann.

Rauchzeichen




pandora77   |   10.03.2009, 23:36   |  
Wunderschön. Poetisch. Und geerdet. Alles halt.

texas-jim   |   12.03.2009, 11:14   |  
Ich danke Ihnen.
Mitrauchen