Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

08.07.13, 14:28 | '19th nervous breakdown'
Es ist kurz nach fünf, ich sitze mit meiner Kaffeetasse im Auto. Geschlafen habe ich keine zwei Stunden. Stattdessen lange auf ein weißleuchtendes Rechteck gestarrt, einen schmalen Strich beim Blinken beobachtet, die Frequenz gezählt.
Leise schleichen wir vom Hof, und im Außenspiegel sehe ich die beiden Achsen des ersten Hängers über die Schwelle hoppeln, die Achsen des zweiten Hängers und schließlich den Nachläufer.
Ich fasse mir mein Herz, dieses taumelnde, unzuverlässige, und dann noch einmal mit beiden Händen, weil es schon wieder zu schwächeln droht, zu flüchten und zu flattern, und als wir endlich im Wald sind, drücke ich ab.
Kein Empfang.
Ich könnte, denke ich dann, das Telefon verlieren. In einer Pfütze vielleicht. Oder es überfahren. Versehentlich mit dem Holzspalter zerdrücken.
Auf dem Heimweg lachen wir, während der kleine Vierzylinder sich die Hügel erkämpft und das Radio spielt, meine ich immer wieder, durch den infernalischen Lärm das stumme Telefon hören zu können.
Ich zwinge mich, zwinge mich zum Essen und zum Abladen und dann zum Füttern. Zwischen Gras und Mais lasse ich den Antrieb ein wenig abkühlen, lehne mich auf meinen Schaufelstiel und ziehe das Telefon aus der Tasche. Grünes Licht. Ich stehe lächelnd im Silo, zwischen den hohen Wänden aus Beton, auf dem ebenso glatten Betonboden, frisch gekehrt, und schwitze in meinen langen Hosen und der Sonnenglut. Neben mir brummt der Mischwagen, das Amphibienfahrzeug, und pocht seine Hitze flirrend in die Luft. Vor mir die leicht konkave Wand aus Maissilage, und an den Silorändern die kleinen Haufen Abraum, aus dem die Mücken stieben, wenn ich vorbeikomme. Der Mais ist kühl und riecht gut. Ich grabe eine Hand voll aus dem Silo und rieche daran. Lasse dann meine Hosenträger schnalzen und stopfe mir das alte, ausgeschossene Hemd wieder in die viel zu weite Hose. Die totgelaufenen Schuhe bekommen weiche Sohlen in der Hitze. Ich verstaue Besen und Schaufel und beende mein Tagwerk.
Die Nacht verbringe ich singend und tanzend und damit, zwei Sätze wieder und wieder zu lesen. Ich trinke, weil ich sonst nicht schlafen werde, und dann liege ich kreiselnd im Bett und schlafe doch nicht.
Ich sehe mir alte Bilder an. Vier Jahre, fünf Jahre zurück. Die einzige Sortierung ist die Zeit, und ich mag das ja. Grüne Wiesen, verschneite Wälder, dazwischen immer wieder ich selbst.
Und dann sitzen wir auf der Terrasse im Halbdunkel, um uns verglüht und erlischt der Tag, die Flaschen kratzen leise auf dem hölzernen Tisch, und ich weiß nicht mehr. Nichts weiß ich mehr.

Rauchzeichen