Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

06.11.12, 10:46 | 'Knecht of the stone-age'
Eine Kaffeemaschine gibt es nicht. Also trinke ich daheim zwei Tassen. Besorge die weltbesten Briegel hier und die weltbesten Brezeln dort und stehe plötzlich mit dieser duftendwarmen Papiertüte an der Straße. Es ist kurz nach neun, ich bin frisch gebügelt und schon vier Stunden unterwegs. Ich rieche nach Silo und Seife, ich war heute schon nass und geplagt und habe geschaufelt und an Folien gezerrt und mit dem Wind gerauft.

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Die hölzerne Treppe im Flur, und die Garderobe parallel zur Wange.

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Die Küche ist klein, und zwei geborstene Fliesen sind mit einer Blume beklebt, deren Stengel dem Riss folgt.

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Heißes Wasser in einer Thermoskanne.

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Die Biertischgarnitur unterm Bett.

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Ich brauche ja so gar nichts. Butterbrezeln vielleicht.

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Und dann erzählt sie von den Souvenirs in ihrem Regal. Der Elefant aus Kenia, der Fächer aus Hongkong, die Wasserpfeife aus der Türkei und ichweißnichtwas aus Dubai. Wir sitzen da, auf einem riesigen Ecksofa, und ich bin etwas verloren und klemme die Knie zusammen, die Zehen knapp überm Boden. Ich war ja noch nirgends. Ich erzähle von den Heckenbeerleswegen, über die ich gekommen bin, von der Ostsee und der bescheuerten Idee, durch Kriegsgebiet zu fahren. Immerhin wird dann Weihnachten sein, und ich ohne Führerschein. Beste Voraussetzungen also.
Wo Du schon warst, wundert sie sich, und ich schüttle den Kopf. Nirgends war ich, möchte ich sagen. Ich habe doch hier so viel zu schauen, ich sehe so viel, ich könnte stundenlang stehen und schauen.

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Und dann stehen wir auf dem Ipf, hier war ich auch noch nie, zur Abwechslung, und ich schaue dem kerzengeraden Graben zu, der die Äcker schneidet, und drumherum der mäandernde alte Bachlauf, den das Schmelzwasser wieder hervorbringt. Einige Meter neben mir geht knatternd ein großer Lenkdrachen zu Boden und zerschellt. An den Rändern des Kraters kann ich Burgen und Schlösser sehen. Der Wind ist stark und böig, und ich höre kaum mein Telefon.

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Vertraute Stimme. Er hat viel von seiner Lust verloren, denke ich. Von der Verschmitztheit, von der Begeisterung. Den Fehler hat er gefunden, sagt er, und wollte mir das nur sagen. Ich sehe auf meine groben Wanderschuhe, ich stehe auf der allten Wallanlage, hunderte Jahre schon geschleift, ich habe Sonntag und lasse mir den Wind um die Ohren pfeifen. Ich sehe ihn stehen, im Faserpelz und mit den wilden Locken, erstes Grau, die schmutzigsten Finger vorsichtig vom Telefon abgespreizt, an einen der riesigen Kotflügel gelehnt, wie er das defekte Magnetventil in der Hand wiegt und hochwirft und wieder auffängt.
Nur der Wind pfeift im Telefon. Ja, sagt er. Das war es.
Ruf wieder an, sage ich zu ihm und stocke.
Ja, sagt er. Es wird viel geben.
Ich bin wieder da, lache ich und höre, wie der Wind etwas davonbläst, und jetzt sehe ich ihn lachen, wie er da steht, und da geht kaum was drüber.

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Und plötzlich habe ich eine Decke auf den Beinen und werde gefragt, ob ich das denn kann, mit meiner rastlosen Art, und ich schaue mich um und schaue dem Regen an der Scheibe zu, schaue dem Himmel zu, wie er sich grau und schwarz verfärbt, und dann sagt mir jemand, daß ich krank werde, und ich lache und springe auf, Lass uns einen Marathon laufen! rufe ich und setze mich dann doch wieder, und schaue mich um und um und um.

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Selbstbildnis als Heizung.

Rauchzeichen