Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

30.11.10, 16:01 | 'Umanandastand'n ond rearn'
Ein Auto ist immer ein Risiko. Ein Auto kann kaputtgehen, ein Auto kann was kaputtmachen, ein Auto kann eine Menge Geld kosten. Es ist schlecht abzuschätzen, wieviel ein Auto kosten kann, und so hatte ich bislang immer eine gute Versicherung und Autos, die ich aus der Portokasse hätte ersetzen können. Dann war da dieses Angebot, und da war das Ersparte, und als Diplomand ist man ja kein richtiger Student mehr und könnte eigentlich.
So fuhr ich also Einser und hatte erstmals ein Auto, das nicht das Kleinste seiner Art war. Und gerade deshalb fuhr ich langsamer als üblich. Es ist ja nicht notwendig, dachte ich. Es ist doch zu schön hier, um zu rasen. Es ist verschneit, es könnte glatt sein, und außerdem könnte ich, so ich denn wollte. Das Wochenende lag vor mir, ich war auf dem Weg zum Bahnhof, auf den üblichen, engen Sträßchen, vor mir eine schmale Brücke, ein Entgegenkommender, ich fahre rechts ran.
Es ist ein hässliches Geräusch. Ich schließe die Augen, atme einige Male tief durch und steige dann aus. Ich will aussteigen, aber die Tür geht unheimlich schwer. Ich habe auch keine Kraft mehr. Ich laufe zu dem Kleinwagen, der sich im Bankett vergraben hat, und beglückwünsche erst meinen Gegner zu seiner Treffsicherheit und dann mich zu meiner Gelassenheit. Dann organisiere ich ein Taxi zum Bahnhof, denn es reicht ja, wenn ich in der Kälte stehe. Die Polizei ist schnell da, ich halte die Augen halb geschlossen, damit ich mein Auto nicht sehen muß. Die Tür kreischt erbärmlich, als ich sie zuschlagen will. Seither schwanke ich zwischen blechern krachendem Elend, hysterischem Lachen, bitterbösen Witzen über mein eigenes Pech und der Erleichterung, allein gewesen zu sein.

Rauchzeichen




mark793   |   30.11.2010, 18:01   |  
Oje. Ich weiß, dass eine solche Äußerung eigentlich mit 50 Euro fürs Phrasenschwein zu Buche schlagen müsste. Aber Blech lässt sich i.d.R. irgendwie wieder hinkriegen, um man muss letztlich doch froh sein, wenns nichts schlimmeres (im Sinne von Personenschaden) ist.

Trotzdem Shit.

texas-jim   |   30.11.2010, 23:46   |  
Mein zweiter Gedanke ging in die Richtung, daß ich zum Glück allein im Auto saß. Und ich hatte letztens noch die vertreten, denen Frau und Kind eben ein KuhSieben wert ist. So unsinnig ist es doch nicht, sich Sicherheit zu erkaufen - lieber ist ein etwas teureres Blech Schrott, als daß ich dastehe, mit einem billigen Schrotthaufen und zwei Beerdigungen. Ich sehe das wirklich so - die Umwelt ist mir da ein gutes Stück ferner als meine Familie. Zumindest beim Auto kann man sich ein gutes Stück Sicherheit erkaufen.

Und trotzdem: Ich bin eben ein Maschinenmensch. Verbogenes Blech schmerzt mich sehr.

mark793   |   02.12.2010, 13:19   |  
Auch da fühle ich mit Ihnen. Mein Verhältnis zu den Ixfünfern, Kuhsiebenern und anderen Zivilschützenpanzern ist zwiespältig, aber zumindest den Sicherheitsaspekt kann ich vollumfänglich nachvollziehen.

Wenn ich indes manchmal sehe, wie manche von diesen Muttis unterwegs sind, frag ich mich schon... Aber gut, ich bin ja auch nicht immer nur leuchtendes Vorbild im Verkehr. Neulich hörte ich die Kleine auf dem Kindersitz in Richtung des Vordermanns sagen, "Fahr zu, Du Penner". Und von meiner Frau hat sie das definitiv nicht.

kreuzbube   |   02.12.2010, 16:24   |  
Der Sicherheitsaspekt ist für die Insassen des Schützenpanzers schön, verschiebt sich aber deutlich zu Lasten jener, die sich den Schützenpanzer nicht leisten können.

Zudem dürfte ich unter diesem Gesichtspunkt gar nicht mehr Rad fahren, es ist wohl zweitrangig, wer mich da umnietet.

Für Fußgänger wiederum dürfte so ein überhohes 2 Tonnen-Monstrum im Kollisionsfall viel schlimmer sein, als ein normaler PKW, dem man noch eher über die Haube fliegen kann.

texas-jim   |   02.12.2010, 23:07   |  
Herr Mark, ich weiß nicht, ob Verkehrsrowdytum mit der Fahrzeuggröße korreliert. Daß es deutlich leichter fällt: d'accord, weil mehr Leistung schneller schnell macht. Aber anders: wieviel vom angeblichen Rowdytum steckt im Blick von unten nach oben? Wie stark will das Polowägelchen, daß das Dickschiff böse ist, nur weil es auf ihn herabschaut? Und wie stark ist das von oben überhaupt beabsichtigt?
Ich bin einerseits kein überängstlicher Fahrer, andererseits hatte ich nie ein Problem damit, alte und kleine Autos zu fahren. Ich weiß auch nicht recht. Die Kuhsiebens sind meistens immerhin technisch intakt, soviel glaube ich an die Technik.

texas-jim   |   02.12.2010, 23:12   |  
Herr Kreuzbube, ich bin da sehr wählerisch. Ich kann die Welt nicht retten, aber wenn ich die Menschen schützen kann, die mir am wichtigsten sind, dann ist das schon viel. Anders gesagt: Ich könnte mir wahrscheinlich einen Unfall aufgrund technischer Mängel oder nicht ausreichender Blechdicke nicht verzeihen.

Das heißt nicht, daß ich den Wagen als Schützenpanzer verstanden wissen will. Ich will nicht, daß damit jemand abgeschossen wird, sondern daß, falls der Wagen selbst zum Abschuss frei ist, die Insassen heil bleiben.

Über Fußgängerschutz und das Radfahren kann man da lange reden. Ich fahre meistens abseits der Straßen, die Rennräder kommen hier kaum auf ihre Kosten. Ich weiß aber, daß gerade bei hochpreisigen Autos auch am Schutz für den Unfallgegner gearbeitet wird. Knautschzone für Fußgänger. Trotzdem bleibt das Verhältnis - ob anderthalb Tonnen Golf oder zwei Tonnen Kuhsieben - unangenehm für den Fußgänger. Da lässt sich nicht so viel drehen, daß es entscheidend besser wird. Am Gaspedal kann man aber drehen, so langsam man will - und das kann auch ein großer Wagen.

mark793   |   02.12.2010, 23:58   |  
Auf Rowdytum im klassischen Sinne wollte ich im Zusammenhang mit den SUV-Muttis gar nicht raus. Es ist eher mein Erstaunen über eine spezifische Form der Forschheit, die ich bei Fahrerinnen anderer Vehikel eher selten beobachte. Selbst die Porsche-Pilotinnen, von denen es in der hiesigen Gemeinde wirklich etliche gibt, sind in der Regel nicht mit dieser Hoppla-hier-komm-ich-Attitüde unterwegs (und sie haben auch keine Kinder auf der Rückbank).

Sicher kennen Sie die Regel, dass wer das Hinternis auf seiner Straßenseite hat, wartet. Auf dem Rückweg vom Kindergarten muss ich jeden Tag an einer künstlichen Verengung auf der linken (sprich: der anderen) Straßenseite vorbei, und fast jeden Morgen ist es ein lustiges Spielchen, zu gucken, wer der Meinung ist, dass diese Regel für ihn oder sie nicht gilt und glaubt, sich da einfach durchdrängeln zu müssen, obwohl ich schon ziemlich nah dran bin. Ich mach mir dann manchmal, nachdem ich die Kleine abgeliefert habe, den Spaß, noch so weit weiterzufahren, dass ich den Engpass zwar nicht komplett blockiere, aber zumindest kein zügiges Durchrauschen ohne größeren Lenkeinschlag ermögliche. Wer dann richtig steil geht, sind in der Regel nicht die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten (die nehmens meist sportlich und wissen auch, dass sie die Linie überschritten haben) sondern die blondierten und crisp gebräunten Supermuttis in ihren Wuchtbrummis. Irgendwann dreh ich mit der Flipkamera mal nen Dokumentarfilm über diese Spezies und ihren Fahrstil.

texas-jim   |   03.12.2010, 11:04   |  
Ich spreche Ihnen die Erfahrung sicher nicht ab. Ich mache dafür eindeutig zu wenige Stadtkilometer, und hier auf dem Dorf gibt es zwar auch zwei solche Blumenbeet-Schikanen, aber die werden von allen gleichmäßig geschnitten. Neuerdings sind Pfosten in den Blumenbeeten. Damit es auch gleich richtig kracht. Wie clever, an einer Stelle, an der zwar Schule und Kindergarten (zwanzig Meter zurückgesetzt und abgegrenzt) liegen, aber an der seit Menschengedenken (Befragung der Dorfältesten und des Pfarrers durch mich liegen vor) nichts passiert ist. Angeblich segelte mal eine Mütze aus dem Klassenzimmerfenster, die dann vom Bus überfahren wurde, aber das konnte mir nie nachgewiesen werden.

Fakt ist: In der Nachbargemeinde gab es Elternbeschwerden, daß vor Schule und Kindergarten zu schnell gefahren werde. Eine anschließende Polizeikontrolle ergab, daß es eben die Eltern waren, die zu schnell fuhren. In einem reinen Wohngebiet (nicht direkt Sackgasse, aber ohne Zugang zu Ortsverbindungsstraßen) auch irgendwie logisch.

Ich werde eben das Gefühl nicht los, daß das Verknüpfen von Solarienbräune, agiler Coiffeursarbeit und bestimmten Autotypen eine Antipathie erzeugt, die eben auf die Rezeption des Fahrstils wirkt. Vielleicht sogar auf den Fahrstil selbst, als selbsterfüllende Prophezeiung. Damit wäre ich dann wieder bei Ihnen.

mark793   |   03.12.2010, 11:22   |  
Ach, Antipathie, nein, kann ich nicht sagen. Irgendwie mag sie sogar, diese Supermuttis, auch wenn sie mir fast ein bisschen leidtun in ihrem durch Perfektionswahn erzeugten Dauerstress. Ein paar von der Sorte kenn ich ja persönlich aus dem Kindergarten und den weitergehenden Bespaßungs- und Bildungsadressen wie der Musikschule und dem Early English. Wenn ich das Programm, das ich mit der Kleinen mache, mit zwei oder drei Kindern fahren müsste, wär ich wahrscheinlich auch in Dauerstress und permanent 20 km/h überm Limit.

texas-jim   |   03.12.2010, 17:19   |  
Sowas ähnliches wollte ich auch schon sagen. Hier sind es die Scharran-Muttis, denen man die drei Kinder ansieht, und dazu muß man ein ziemlich guter Manager sein, glaube ich.
Mitrauchen
 

jean stubenzweig   |   03.12.2010, 17:36   |  
Vor einiger Zeit habe ich mal was über Eilende Mütter geschrieben. Das ruft allerdings eher höhnisches Lachen hervor. Ich lese oft genug auch in Blogs, deren Betreiber ich eigentlich als vernünftiger eingeschätzt hätte, da seien nur Verkehrshindernisse unterwegs ...
Mitrauchen