Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 13. 10 09

13.10.09, 19:50 | 'Maschinen bauen, Mensch bleiben'
Nein, besser verstehe ich die Maschinen nicht. Ich mag sie, noch mehr. Sie faszinieren mich, noch mehr. Aber all das, was in einer Maschine stattfindet, verstehe ich noch lange nicht. Was das Studium bewirkt hat? Es hat mich ausgerüstet, um suchen zu können. Es hat mir eine Einteilung mitgegeben, anhand derer ich sortieren und eintauchen kann. Und es hat mich sehr, sehr neugierig gemacht.
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13.10.09, 11:25 | 'Radiergummifitzelchen'
Und wie ich da so vor mich hinfuhr, zwischen verlassenen Hallen und toten Einkaufstempeln - Tempel des Einkaufs, man stelle sich vor! - und ich war ja nur hier, um der großen Straße auszuweichen, und der Rest war zu gleichen Teilen Treibenlassen und das gewiefte, grinsende weil könnende Ausweichen, um nicht hinter Autos herfahren zu müssen, ich war ja so ziellos, und am Straßenrand eine große Tafel, "Leberkäse" stand da, und "Industrieverkauf", und ich konnte mir nicht vorstellen, wozu man dort auch nur einen einzigen Parkplatz braucht. Sie sind aber doch da, und das ließ mich sehr elend werden, und irgendwie erhaben.

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Ein Supersportwagen, hinter dem sich ein automatisches Tor schloß. Traurig sah er aus.

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In der großen Stadt bauen sie eine Moschee. Säulen, Fenster, die Kuppel, und an einer Ecke ein Rolltor. Eine Garage. Waschcenter, steht darauf, und dieser Pragmatismus gefällt mir. Eine Priestergarage gefiele mir besser, aber man kann ja nicht alles haben.
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13.10.09, 10:52 | 'Das Auge des Betrachters'
Das hier ist genau die Art Knall, die ich liebenswert finde. Weltsichten, Mann!
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13.10.09, 02:08 | 'Public preview'
Es ist Tradition geworden, an Freitagabenden hier sitzenzubleiben, und es gefällt mir, auch wenn wir hier sehr weit weg sind von der Welt. "TBD" lese ich oft, das heißt "to be defined", und übersetzt bedeutet es, daß die Frage zu früh kam, weil die Antwort noch niemanden interessiert, oder noch andere Fragen zuvor zu beantworten sind. Genauso ist das mit mir und dieser Welt; TBD steht dahinter, denn ich weiß ja noch gar nicht.

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Das Gefühl, als begänne ich eben erst zu studieren. Was ich noch alles tun will, in den endlosen Ferien, und dann denke ich wieder, wie alt ich schon bin und daß ich schon studiert habe. Altern ist wie Sand, der durch Finger rinnt, und wer schon einmal eine Sanduhr gesehen hat, wird bemerken, daß das so naheliegend wie niederschlagend ist.

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Das genußvolle Ignorieren des Weckers, anstatt auszuschlafen.

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Der Regen flutet die Straße, die Tropfen zerplatzen nicht mehr auf dem Asphalt, sondern fallen zu tausenden in das Meer. Einschläge, konzentrische Wellen, und der hochspritzende Tropfen. Unzählige Einschläge, denen ich zusehe, während ich in meiner trockenen Kabine zum Hof zurückfahre, und doch kann ich keinen einzigen ganz sehen. Zu schnell sind sie, und zu klein, und vielleicht sind auch nur meine Augen zu sehr abgelenkt von den Einschlägen umher, als daß ich einen einzelnen zu fassen bekäme.

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Die Konsistenz des Wassers. Flüssigkeit. Das Bestreben, waagerechte Oberflächen zu bilden. Ich weiß noch viel zu wenig über Flüssigkeiten.

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Immerhin werde ich zwischen Parkplatz und Probenraum patschnass. Das macht nichts, ich bin noch nicht dran. Gegenüber die Halle, Aufbau fürs Konzert. Sie winken herauf, und eine Minute später stehe ich unten an der Pilsbar. Anzapfen, und es könnte ein Fasching sein. Vierundzwanzigstundenfasching, mit Aufbau, Arbeit, Abbau. Ist es nicht, irgendwann winken sie mir zu. Deine Szene! und ich sollte immer ein Pils trinken, bevor ich spiele. Zum ersten Mal der Gedanke an die Aufführungen, und wie nervös ich sein werde.

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Soundcheck. Pils. Kleinigkeiten, Bauzäune, gespannte Erwartung, Pils. Ich fahre den Lastwagen in den Hof herein.
Pils, und ab.

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Ein ewiger Stammtisch, heute, wir sitzen um zehn noch. Ich komme normal nicht so spät zu den Festen, aber heute dann doch. Es ist elf, als ich ankomme, die Jacke hinter einen Kühlschrank stopfe und in die Halle marschiere. Ein Mädchen winkt mich zu sich. Von überall grüßt es, und ich denke, daß ich mich oft auf den Festen nicht so gut unterhalte, weil ich zu schnell abgelenkt bin. Ich grüße überallhin, und das hätte mir mit sechzehn so gehen sollen, alles wäre heute ganz anders.
Das Mädchen trägt einen kurzen Rock und lange Beine. Sie weiß das natürlich, aber ich bin alt genug. Ihr Haar bäumt sich zur Mähne, und früher hätte ich ihre Kunstfertigkeit bewundert, wo ich heute nur ihre Verzweiflung spüre, weil sie ihre Locken nicht mag. Sie ist hübsch, sehr hübsch, und ich habe sie schon oft angesehen, um herauszufinden, was ihr fehlt. Denn es fehlt. Es ist ein Bruch da, zwischen dem der Perfektion nahen Teil und etwas Unpassendem. Es ist da, und es ist wie eine spiegelnde Kugel, die den Blick in alle Richtungen lenkt, und das macht sie ganz wunderbar, trotz ihrer Jugend, und daß sie darauf viel Zeit verwendet, und womöglich nicht einmal selbst weiß, was sie da verdeckt, diese Verzweiflung sieht man ihr an. Ich lächle ihr zu, und bevor sie mir nahe genug sein kann, daß ich ihr versehentlich auf die Zehen treten könnte, gehe ich.

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Pilsbar. Erst hinter der Theke beginnt mein Fest. Jetzt singen, jetzt tanzen. Ich zapfe an beiden Hähnen, und daß ein Festpils eben kein normales Pils ist, wissen Sie sicher. Eine ruhige Hand, während der Rest von mir herumhüpft, das muß sicher sehr komisch aussehen, aber das macht nichts. Lauter singen, einer meiner Helfer schläft schon, den Kopf auf die Theke gelegt. Ich klopfe mit der flachen Hand auf das Holz. Sein Kopf hüpft, er wacht nicht auf.

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Wir tanzen Ringelreihen in der Sechseckbar.

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Eine Stunde, und wie soll ich noch vier durchhalten? Mir ist heiß, ich fühle mich, als wäre ich allein schuld, daß in der Halle die Scheiben beschlagen.

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Das Mädchen kommt, und mittlerweile denke ich, daß es eben die Perfektion ist, die den Mangel so sichtbar und so furchtbar macht. Im Durchschnitt, denke ich, würde es nicht auffallen, das, was ich nicht beschreiben kann. Es ist in ihrem Gesicht, es ist eine Form, es ist nur aus den Augenwinkeln zu sehen, und nur, wenn man Schablonen einblendet. Ich schäme mich fast, sie anzusehen, als trüge sie etwas Obszönes vor sich her. Es ist wie der Zweier im Zeugnis, der nur zwischen lauter Einsen auffällt, um den sie immer noch manche beneidet, und der nur sie selbst schmerzt. Wünscht sie sich, und als ich mich das frage, verliert sich meine Berührtheit, wünscht sie sich, die Zwei wäre Eins, oder die Einsen Zwei, und kann man sich das überhaupt wünschen oder schämt man sich dafür?

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Klopfer! ruft sie, und ich werfe ihr zwei der kleinen Fläschlein zu. Sie fängt, sie winkt, ich klopfe mit ihr, und sie küsst mich auf die Wange.

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Wie sich alle berühren.

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Ich laufe einmal durch die Halle. Feind. Ich strecke den Arm aus, zeige die Faust. Betreten sieht er zu Boden, und trotzdem.

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"Kennst Du einen Fabian?"
-"Bitte?"
-"Heißt Dein Bruder Fabian?"
-"Wieso?"
-"Deine Arme sehen so aus" und das ist das netteste, weil argloseste Kompliment des Abends, weil ich auch erst tags darauf dahinterkomme, wer denn nun und wie überhaupt.

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Nicht klug zu sein hält einen nicht davon ab, gewitzt zu sein. Ich mag sie, auch weil sie nicht böse ist. Sie hält Abstand, täuscht keine Nähe vor, und irgendwann kreuzt sich unser Kopfschütteln.

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Meine Wangen brennen. Ich sollte sie öfter küssen lassen.

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Ach Du, Zigeunermädchen, aus Dir werde ich nun auch nicht schlau! Wir haben einen ähnlichen Zorn, doch ich würde mich dafür nicht verbiegen. Er verbindet uns nicht, er bewegt mich nicht, und als Du uns ausrichtest, um gesehen zu werden, flüchte ich ins wilde Springen.

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Den Kopf abgewandt, marschiert er vorbei, und ich fühle mich in meinem Sechseck wie in einem Käfig. Und kann doch nicht. Anstand oder Angst, hämmert es, und ich will das nicht beantworten.

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Da pumpt einer, ein Schmächtiger, wie ein Maikäfer, und sein Mädchen bricht in Tränen aus. Eben noch über die Theke gewischt, schon nässt sie die Bar. Was soll denn das, denke ich, und da sehe ich schon das Gemenge. Ihr seid zu klein, ihr seid noch Buben, ihr übt das noch.

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Draußen einer, der nur beobachtet. Einer, der sich Hahnenkämpfe ansehen würde. Er schüttet in einer günstigen Sekunde sein Pils über einen der Kontrahenten. Später kommt er schwer atmend herein und erzählt von seinen Abenteuern. Mir ist schlecht.

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Einer, der sein Mädchen schüttelt. Sie hört nicht auf zu reden, und ich wundere mich, wie sie das hinbekommt.

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Der baumlange Kerl grinst und schiebt die Ärmel hoch. "Nicht Deine Klasse" winke ich ihm zu und schiebe ihm ein Glas hin.

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Irgendwann bauen sie ab, um mich herum, während ich das letzte Faß an den Mann bringe. Einer schraubt an der Gasflasche, ich flüchte über die Bar, als ich das bösartige Zischen höre. Linksgewinde! rufen sie ihm zu, und da mache ich mich dann auf den Heimweg.

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Auf einer Bank, zwischen zwei aufs Taxi Wartenden. Kopf, Schulter, Wärme.

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Ich denke an den alten Freund, den ich auf dem Weg hierher traf. Er sah sehr müde aus. Wir haben uns lange nicht gesehen, wir verabreden uns nicht.

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Es ist Luxus, nicht zu überbietender Luxus, sich morgens aus dem Bett zu wälzen, die Glieder zu sortieren und sich hinaus in die Sonne zu wünschen. Radfahren könnte ich heute nicht, denke ich, da fahre ich eben Motorrad. Und daß mich nur der Bratenduft vom Losfahren abhält, ohne daß ich irgend etwas dazu getan hätte, diesen Genuß kann man gar nicht genug preisen.

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Günstig tanken, gedankenlos fahren. Irgendwann sehe ich günstigeres Benzin, und das stört mich ein wenig, und mehr noch stört es mich, daß mich das stört.

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Ich nutze das Motorrad, um zufällig vorbeizuschneien. Kann man nicht mit Autos. Kann man nicht.

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Wieso heißen schnelle Kurven wohl schnelle Kurven, stelle ich seufzende Rätselfragen in meinen Helm, als ich hinter einer Dose herfahren muß. Dann Laub auf der Strecke und ich glücklich, daß es keine Schilder gibt, auf denen "schnelle Kurve" steht.

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Vierkommafünf Prozent über hundertfünfzig, und ich dachte, ich wäre normal.

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Ansonsten nur Sporttourer und große Reiseenduros.

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Da, ein Sonnenstrahl! denke ich, und ich brauche nicht zu reden.

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Den Kopf durchwehen lassen.

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Auf dem Rückweg sehe ich teureres Benzin und bin versöhnt. Meistens liegt man ja doch irgendwie mittig. An meiner Tankstelle hat sich der Preis geändert, und jetzt war ich am Ende doch noch günstig dran. Da bleibt man einfach stehen, dann verschiebt sich eben alles andere. Und daß alles im Fluß ist, das wußten sie schon, bevor es Benzinpreise gab.

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Da stehen wir, und ich zeige auf den Bauplatz. Er schüttelt den Kopf, und daß wir uns deshalb nicht böse sind. Gegenüber quietscht die Stalltür, der alte Bauer winkt und ruft uns zu, daß wir uns Stühle holen sollen, wenn wir hier schon am Samstag! und er sagt das so knitz und so voller Lust, daß ich mir vornehme, mit achtzig auch den Jungspunden zuzurufen. Achtundachtzig, genaugenommen.

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Abends Gernstls Reisen, und der bringt mich auf was. Jaja, sage ich ihm, mach Du mich nur auch noch unsicher.

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Die Reise von Hof zu Hof.

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Wenn ihr es nicht kauft, kaufe ich es, und dann stelle ich es euch vor die Nase, und ihr dürft den ganzen Winter über drum herumlaufen, mit euren Schaufeln. Ha! sprach ich, atemlos, und seit eben besitze ich einen Schneepflug. Aha.
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