Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 26. 11 12

26.11.12, 13:41 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Freitags früh. Es ist so eine Sache mit der Zeit, aber ich will und ich muß, und wieso bleibe ich dann überhaupt noch hier? Ich radle also, spüle ab und fahre dann los. Anderthalb Stunden vor Heimat, vier Stunden vor Elbe, und No Doubt flüstern "Running".

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Wir stehen in der Tür und schauen den Gardemädels zu. Sie lächeln uns zu, und am Ende klatschen wir.

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Dirty Dancing, sagt sie, diese Schöne, die ich so in Schutz nehme vor der unterstellten Arroganz, die sich so wehrt gegen die Unterstellung, und die ihnen dadurch noch Nahrung gibt. Was kann man schon ignorieren? Die sich Nähernden, Geifernden, durch Blicke abhalten oder durch Sack und Asche? In Deiner Haut möchte ich auch nicht stecken, denke ich, und da habe ich schon den Einsatz versäumt.
Und den Film, den werde ich mir trotzdem nicht ansehen. Keine Hausaufgabe für Texaner.

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Der Kleine die Frau, und ich der Mann. Und daß die Hebefigur besser klappt als die Tanzschritte. Dafür blödeln wir und gockeln und hampeln, und es freut mich so, unser Lachen.

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Wir werden wieder tanzen, wir beide, auf der nächsten dieser Hochzeiten. Werden am Tisch der Freunde sitzen, wo getrunken und krakeelt wird, und lachen über die Gestelzten, die so sorgsam essen und gratulieren und die COntenance bewahren, während wir die Schuhe abstreifen und die Hemden verschwitzen, die Krawatten wirbeln lassen und Band und Braut hochleben lassen. Spaß ist nicht cool, und wenn ihr lieber cool seid, nun ja.

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Ich fahre sie nach hause, und die drei Streifen ihrer Sporthose hinterlassen den Hauch eines Abdruckes auf meinem Beifahrersitz.

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Ich sehe mir Bilder an, und wie immer ist zu wenig zu sehen. Zuviel Verzweiflung, und daß sie uns das aufbürden. Daß sie sich einfach nicht benehmen können. Ich will mich nicht in Rage reden und kühle doch erst im Auto ab.

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Überhaupt das Auto. Wie es hier dazugehört. Und wie ich dort keines haben will.

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Eine Nachricht, hundertundfünfzig Kilometer. Weißwein, Reden, Lachen. Andere Leben hören. Der Film über Eisbrecher und die Diskussion über Gleichbehandlung. Gleichwertigkeit. Wir vergeben Punkte, und wie anders wir zählen! Welche Gesten nicht auffallen, und welche nicht gehen. Verzwickt, sage ich und schenke wieder ein.

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"Analsex will vorbereitet sein!"

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Spieglein, Spieglein.

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Violet dreams. Violent dreams.

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Run for home
Run as fast
As I can
Running man

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Dieselruhe.

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And every piston sounds like freedom.

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Die konzentrierte Verrichtung. Routine in groß. Ich bin ruhig in der Routine, und sehr wach. Meine Handgriffe ergeben einen Ablauf, und ich merke mir die doppelten Wege. Verkürzen. Vereinfachen.

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Ärmelschoner zum Melken. Blaue Puffärmel aus Plastik.

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Schmerz in den Ellbogen ist stechend, hell und laut. Ich laufe eine fluchende Runde, bis er ins Pochen übergeht.

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Pflügen. Ich mag diesen Seitenhang, ich mag diesen langen, krummen Acker. Ich mag die Wolken aus Westen, und wie die Berge im Dunst liegen. Der Boden krümelt schwer und schwarz, und immer wieder finde ich die Reste jahrealter Stoppeln.

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Was sich auch immer ändert. Die Schare neu, der Schlepper neu. Der Nachbar neu, und die Grenze sieht auch anders aus. Der Stein im Fluß zu sein. Abgeschliffen zu werden. Zu bleiben.

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Irgendwas begrenzt immer. Die Theorie des Holzeimers und der kürzesten Stebe.

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Ich bin Busfahrer. Ich bin Türsteher. Das rote Unglück und ich, wir lachen uns an, als sie uns siezen. Tränen in den Augen, als sie aufgeregt erklären. Leben läuft, sage ich zu einer, die an der Garderobe schluchzt.

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Milch und flüssige Schokolade. Bis uns schlecht wird, und dann noch Banane.

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Ich stehe draußen und schaue mir die Lichter durch die großen Hallenfenster an. So ist Disco. Sie tanzen und kreischen, und immer singen sie mit. So lernen sie das Feiern, denke ich, und dann wird ja doch alles gut.

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Ende um Mitternacht. Beim Abbau trinken wir die kassierten Schnapsflaschen, die nicht abgeholt wurden, aus. Rauchen die konfiszierten paar Zigaretten. Freuen uns an der Geschichte vom fuchtelnden Dreizehnjährigen. An der Begeiseterung, am Überschwang, an der rotzigen Frechheit und dem unsicheren Respekt. Wir sind größer, wir sind älter, aber nicht erwachsen genug, daß sie uns einschätzen könnten.

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Auf dem Platz draußen Verwandtschaft. High five mit dem ganz Kleinen mit dem großen Grinsen. Hat es Dir gefallen? frage ich, und er nickt und sprudelt, und daß er schon Nummern sammelt und Herzen bricht, das soll mir recht sein.

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Da sitzt einer, der gekommen ist. Hier gebaut hat. Grundausbildung, glasige Augen, und diese Erzählstimme. Die Geschichte der einzigen Frau. Verbundene Augen. Die nackten Waden, die nackten Bäuche. Und immer einer, der den Scherz auf die Spitze treibt.

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Es ist vier, als ich ins Bett gehe, und fünf, als ich wieder aufstehe. Man kann am Wochenende auch mal eine Stunde im Bett sein. Und zehn in Gummistiefeln.

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Routinen kann ich. Nur die Konzentration lässt nach. Man muß sich eben mehr zur Routine machen. Ich falle dann doch irgendwann aus der Route, aus dem Überhang ins Seil. Die Kräfte lassen doch nach im Alter, lache ich dem Blonden da unten zu. Auf Facebook gefällt sein Foto siebenundzwanzig Mädchen.

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Ich sitze im Auto, das Telefon lärmt. Ich habe gekocht, ich wusste, wann. Und dieses Wissen und dieses Machen, das wärmt mich so sehr wie die Einladung, und ich strahle dem Mittagessen in der kleinen Küche nach.

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Ich denke an den Gasherd und den Fladen.

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Bei Kaffee und Kuchen erfahre ich es offiziell. Dann kommt noch einer, der viel lacht und erzählt und schließlich zuerst die Haare geschnitten bekommt. Es kommen noch zwei Hunde und ein Rotschopf in Stiefeln. Sie trägt kurze Hosen, Strumpfhosen und einen wundervollen Kugelbauch. Hier sitzt eine ganze Menge Leben, sage ich, während ich die Augen zusammenkneife, weil Haarbüschel von mir fallen. Fell, lacht sie und hält sich den Bauch. Euren Umgang möchte ich studieren, denke ich. Ihr macht das richtig, seid schon recht.

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Ich lege die Hebel um, drücke die Knöpfe. Lasse das Wasser ablaufen, schraube die Edelstahlverschlüsse ab. Milchfilter. Die große Feder. Die Pumpe läuft an, die Melkzeuge heben sich seufzend.

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Ganz kurz nur will ich aus der Grube des Melkstandes. Die Gummistiefel schlagen aneinander, der Melkerschurz weht. Stricke, heißes Wasser. Routine. Mit den Wehen arbeiten, denke ich in der tiefen Stimme, die ich so gut kenne. Die Natur machen lassen, denke ich in dieser harten, warmen Stimme eines anderen. Was sie mir beibrachten, was sie mir immer noch ständig zeigen. Ich wische Gewebe und Gemenge aus einer Schnauze und puste fleißig in die Nüstern. Die Ohren zucken, und das Kalb schüttelt sich. Saubermachen, sage ich, und lege ihn der Kuh vor die Nase. Schnell melken, schnell tränken. Während der Nuckeleimer zu schlagen beginnt, überlege ich der Stimme nach, die das zu mir gesagt hat. Lange her, denke ich. Die Lehren bleiben. Standing on the shoulders of giants.

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Ich bin in Hochstimmung. Meine Hände riechen genau richtig. Das Licht ist hell, als ich die Tür aufreiße. Ein blaues Auge, dicke Lippe, drei Stiche. Anzeige erstattet.
Da reagiert man einmal richtig, ruhig und besonnen, und dann steckt man doch ein. Gute Besserung, sage ich, und für Rachepläne sind wir zu alt. Wir werden sehen, was so ein Strafantrag bewirkt.

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Wieder Bilder. Das tragische Trinken, sonntagmorgens um neun. Das kann doch nicht mehr lange gutgehen.

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Als ich losfahre, hat selbst der Dönerladen schon zu. Im alten Friseursalon rotes Licht. Cash-City. Aha. Ein wenig gehässig bin ich schon, den Nachbardörfern gegenüber. Vielleicht der Hunger, aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Es ist genau Mitternacht, als ich ins Bett falle.
Ruhen.
# |  4 RauchzeichenGas geben

Freitag, 21. 09 12

21.09.12, 09:30 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Letzten Sonntag war ich auf Radtour. Letzten Sonntag war es noch warm. Weil das schwer zu glauben ist, beweise ich mit Schafen im Schatten:



Ich nahm das Tor zum Härtsfeld im Schwung.



Und stand daraufhin in einem Wald, der nach einem Sturm als Versuchsfläche dient. Der Versuch ist dabei, ihn nicht mehr zu bewirtschaften, sondern sich selbst zu überlassen. Damit soll überprüft werden, welches Artengleichgewicht sich einstellt. Pilzig.



Ich stieß auf die Trasse der alten Härtsfeldbahn. Im Bild der Eingang zum Tunnel. Ich radelte ein Stück auf dem meterdickem Schotterwall, mittlerweile fast zugewachsen. Dann wechselte ich auf den nagelneuen Feldweg daneben. Kopfschüttelnd.



Schade um die Bahn. Dort, wo einst die Strecke an den Dörfern entlang verlief, stehen heute Häuser und riesige Tafeln, auf denen gegen den Autoverkehr protestiert wird. Komische Welt.

Dann lud ich mich zum Kaffee ein, wo ich noch nie zuvor war. Stand in der Sonne und sah einem Buntspecht zu. Hörte von Männern und Frauen und dem dazwischen. Alles nicht so einfach, nicke ich.

Dann flitzenderweise nach Hause. Also fast. So gut wie. Quasi. Zwischenstop am Stall, von der Radhose in den Overall, und noch ein paar Stunden gewuselt. Das Silo aufgedeckt, den überjährigen Mais abgeschoben und für den Silotag vorbereitet. Dann standen wir in der warmen Abendluft in unseren Overalls und tranken Bier vor dem Bänkchen. Silobier in advance. So schön wars noch selten, denke ich lachend.

Am Montag genieße ich dann meine Freiheit in der Kabine. Genieße abends das Licht aus den frisch montierten Strahlern. Dusche und falle sehr spät ins Bett.

# |  Rauchfrei | Gas geben

Montag, 6. 08 12

06.08.12, 02:01 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Diese Geschichte ist unvollständig. Ihr fehlt der wichtigste Teil. Das ist nicht schlimm, denn ich kenne diesen Teil. Und ich schütze ihn. Das ist meine Aufgabe. Das bin ich.

Als ich zur Welt kam, packte mein Vater den Kofferraum voller Sekt und fuhr zu all seinen Freunden, um die Nachricht zu verbreiten. Ich kam gerade recht zur Stallzeit. Wann er nach hause kam, weiß ich nicht.
Ein paar Jahre später brachte er mir das Fahrradfahren bei. Mein erstes Rad war grün. Oder rot. Ich weiß es nicht mehr, sie unterschied nur die Farbe, und ich weiß nicht mehr, welches ich zuerst kaputt gemacht habe. Vielleicht keines, denn ich ging meist sehr pfleglich mit meinen Sachen um. Mit diesem Rad bin ich oft in den Kindergarten geradelt. Das war ein halber Kilometer, und es war steil genug, daß ich auf dem Rückweg schieben musste. Ich flitzte also über die Kreuzung und schloß mein Rad an den Holzzaun des Kindergartens. Ich besaß ein gelbes Zahlenschloß, und ich habe nie die Kombination vergessen. Außerdem bin ich nie angefahren worden. Nur einmal, von einem Sportwagen. Der war zwar geparkt, aber ich habe lauter geweint als der Sportwagenfahrer und war somit unschuldig. Wer den Spiegel dann bezahlt hat, weiß ich nicht mehr. In der restlichen Kindergartenzeit hatte ich keinen Radunfall mehr, sondern nur noch einen mit einer Spitzhacke im Auge. Ich bekam dann viel vorgelesen, und als mich das langweilte, wurde ich wieder gesund.
Mit dem Rad bin ich manchmal geflüchtet. Aus dem Kindergarten, aus dem Dorf. Über eine stark befahrene Straße, entlang einer wenig befahrenen Straße, ins nächste Dorf. Meistens hat mich auf dem Weg jemand gefunden und mitgenommen. Und wenn ich Glück hatte, nicht nach Hause sondern auf den Hof, zu Oma und Opa. Ich glaube, damals habe ich gelernt, was ich sagen muß, wenn mich jemand fragt, wo ich hingehöre.
Ein paar Jahre später sind wir da auch hingezogen, und so folgte die Wirklicheit manchmal dem Wunsch. Wir zogen im Herbst in das neue Haus, und ich habe es bereits im ersten Winter geschafft, vom Wald mit dem Schlitten bis in den Garten zu fahren. Bis zum Salto dauerte es noch einen Sommer. Damals kaufte mein Vater ein schnelles Auto. So waren wir schneller im Krankenhaus, und so kam es, daß ein Sechszylinder mein Leben rettete. Mehrmals. Ich bekam Hustensaft, obwohl ich keinen Husten hatte. Ich bekam ein neues Medikament, aber nur ein einziges Mal.
Es wurde Sommer, und ich bekam ein weißes Rad. Ein Rennrad mit drei Gängen und einem großen Tachometer mit roter Nadel. Die Nadel konnte achtzig anzeigen, und den Trick mit der Bohrmaschine an der Tachowelle kannte ich damals noch nicht. Aber wir hatten ja Berge, und ich war schon ganz dicht dran, als sich die Tachowelle ums Vorderrad wickelte. Ein paar Minuten später kam mein Vater angefahren, das Rad musste in den Kofferraum und ich mal wieder ins Krankenhaus. Wie so oft war alles halb so wild, und damals bekam ich sogar Ansichtskarten von den Schwestern, wenn ich sie ein Weilchen nicht besucht hatte. Meine Eltern bekamen graue Haare, ich musste den Tachometer abbauen und die Geschwindigkeiten nun schätzen. Je länger die Narbe, nun ja. Die ganz großen Narben trage ich heute noch, denn da gab es diesen Weg hinterm Hof, der den Berg herunter aus dem Wald kam. Man mußte nur sehr lange hochschieben. Bremsen lernte ich erst spät.
Dann bin ich verreist. Alleine. Ich bin in Telefonzellen fast erstickt, nachts fast erstickt, und zwischendrin radelte ich oft zum Freibad. Das war allerdings noch im Bau und wurde erst im Jahr darauf eröffnet.
Ich kam nach Hause, das Rad kam auf dem Dachträger mit. Wir hatten im neuen Haus ein Garagentor, das elektrisch öffnete. So mußte dazu niemand aussteigen. Leider nahm auch niemand das Rad vom Dachträger, bevor wir in die Garage fuhren. Das Dach war zerkratzt, das Rad zerdellt, und an der Garage sind heute noch weiße Streifen. Das Rad wurde ausgebeult und von den Schutzblechen befreit, und ich kam zur Schule.
In meiner Klasse waren elf Schüler. Das forderte mich. Ich mußte jeden Morgen am Hof vorbeiradeln. Dort stand ein Schlepper, und die Melkmaschine lief. Ich ging durch die Milchküche, wo Oma putzte, durch den hinteren Gang, wo mein Onkel molk und meine Schuhe schmutzig wurden. Opa fütterte die Kühe, und ich musste zur Schule. Das überforderte mich, und so kam ich gern zu spät. Meine Lehrer verboten mir, mit dem Rad zur Schule zu kommen. Ich bekam einen Wutanfall, und meine Eltern eine Einladung zur Rektorin. Ich durfte weiterhin mit dem Rad zur Schule fahren. Ich bekam meinen ersten Liebesbrief in der ersten Klasse, und bald darauf eine gescheuert, weil ich die Autorin geküsst hatte. Ich durfte Pflügen, unter Aufsicht und stehend, am Lenkrad festgeklammert, mit beiden Füßen auf dem Gaspedal stehend. In einem sumpfigen Loch fuhr ich mich fest und musste zum nächsten Hof laufen und um Hilfe bitten. Manchmal erinnert mich der Helfer heute noch daran.
Ein paar Jahre später feierte man meine Kommunion. Ich war tags zuvor auf den heißen Auspuff des Dieselrosses getreten und einseitig barfuß in der Kirche. Der kalte Steinboden war toll. Ich bekam ein neues, rotes Rad mit vielen Gängen. Es gab Verkehrsunterricht, und im Jahr darauf wechselte ich morgens die Richtung und radelte in die Stadt zur Schule. Obwohl ich jetzt nicht mehr am Hof vorbeikam, war ich nicht pünktlicher. In meiner neuen Klasse waren vierunddreißig Schüler, und mit mir nur vier aus meinem Dorf. Von den anderen wollte ich nichts wissen und wäre aufgrund meines Verhaltens fast nicht versetzt worden.
Ich las zuhause, ich liebte den Hof, ich spielte Fußball im Dorf und fuhr auf Inline Skates zu neuen Narben. Das Innenfutter konnte man waschen, um das Blut herauszubekommen. Auf den Skates war ich schnell, dachte ich immer. Bis mich einmal eine Biene überholte. Steil bergab, und außerdem mittig zwischen meinen Beinen. Die Biene stoch, ich stürzte. Danach fuhr ich langsamer.
Ich kaufte ein BMX-Rad. Das war groß in Mode. Damit konnte ich nicht besonders schnell oder besonders weit fahren. Das sah ich bald ein. Und ich konnte auch nicht automatisch die Tricks der anderen BMX-Fahrer. Das einzusehen dauerte einige Schrammen. Vor allem, da es die Zeit der Halfpipes, der selbstgezimmerten Schanzen und der helmlosen Köpfe war.
Mein Onkel kam ums Leben. Ich schaute einem Hof beim Sterben zu. Ich radelte ums Dorf, heulte und schwor schreiend, alles wiedergutmachen zu wollen. Danach heulte ich nicht mehr.
Ich lernte Windsurfen in Italien, trug Zeitungen aus und verkaufte mein Rad an einen Freund, mit dessen Freundin ich viel später auf einer Kellertreppe knutschte. Das neue Rad war blau, grün und gelb. Ich fuhr damit auf einen anderen Hof, und von dort aus mit dem Schlepper. Einmal kamen meine Eltern, um mir zuzusehen. Ich war sehr stolz und bin bis zum Führerschein nie erwischt worden, auch wenn ich auf Bundesstraßen unterwegs war. Als ich dann doch einmal ein Auto verbeulte, fragte keiner nach mir und alle nach Versicherungen. Vielleicht durfte ich deshalb kein Mofa haben. Also radelte ich weiter. Auf dem anderen Hof gab es einen schweren Unfall, und ich bezog ein Zimmer dort. Die Wände waren krumm, die Mauern dick, und ich saß oft auf der Fensterbank und las Testberichte von Landmaschinen. Ich ging in den Stall und zur Schule. Dort saß ich meist allein, aber ich schlief sowieso viel. In meinem Mäppchen war ein kleines Kissen, das ich mir unter die Stirn legte. Mein Onkel kam zurück, käseweiß und dünn, mit einem Gerüst aus Plastik, das ihn aufrecht hielt. An Krücken lief er mir nach, ob ich beim Mähen auch die Grenzen einhielt. Immer klappte das nicht. Er schenkte mir ein Moped, das ich versteckt hielt. Ich fuhr nur nachts und ohne Kennzeichen.
Ich kam auf noch einen Hof, und einmal telefonierte ich mit einer Seelsorgerin. Bist Du sicher, daß Du Sorgen hast, fragte sie, und da legte ich wieder auf.
In einer Hütte mit vier Quadratmetern trank ich mein erstes Bier und meinen ersten Schnaps. Der hatte achtzig Prozent und war schnell wieder draußen.
Ich wurde volljährig, machte alle möglichen Führerscheine und kaufte ein Motorrad. Ich fuhr damit zur Schule, ich fuhr damit in Winter in Badehosen, ich wurde damit geblitzt und nicht erwischt. Ich verlor einmal einen Sozius. Mein Rad wurde gestohlen, und ich fand es zerstört wieder. Das nächste Rad war gebraucht und schwarz. Meine Wochen hatten einen Rhythmus, der aus Abenden bestand. Montags, dienstags, mittwochs, donnerstags. Wir waren viel unterwegs, und an den Wochenenden liefen wir aus den umliegenden Dörfern nach hause. Ständig spielte eine Band in einer Turnhalle, und wir waren dabei. Wir standen, tranken und tanzten im Kreis, wir poussierten nachts auf Spielplätzen und in Hauseingängen.
Ich kam mit dem Schlepper zur Schule und blockierte den Lehrerparkplatz. Ich verliebte mich in das schönste Mädchen der Schule und schrieb ihr einen Brief, auf den sie nie reagiert hat. Stattdessen wurde sie meine beste Freundin. Auf Klassenfotos trug ich ausgemusterte Hosen der Bundeswehr und keine Haare. Oder einen wilden, blondierten Mob. Ich hörte rechtsradikale Musik, Bryan Adams und Pur. Meine Haare wurden kurz und lang und orange, daß es aussah, als trüge ich eine Mütze. Ich ging zu Konzerten der Rolling Stones. In den Sommerferien fuhr ich mit dem Motorrad an die Ostsee, machte mir Freunde und lernte Mähdrescher fahren. Ich kaufte ein blaues Rennrad und fuhr Duathlon und siegte ab und zu auch. Ich wurde gemustert und schraubte danach die große Tafel über der Tür zum Kreiswehrersatzamt ab. Ich bekam trotzdem mein Abiturszeugnis, betrank mich ein wenig auf der Feier, stahl ein Glas, das ich heute noch habe, kaufte ein schwarzes Auto und hatte einen wundervollen Sommer. Auf dem Ausflug der Abiturienten lernte ich die Namen meiner Mitschüler. Ich fuhr mit dem Motorrad und mit dem Auto, ich fuhr auf den Höfen und bei einem Lohnunternehmer. Ich machte Zivildienst.
Ich schlief auf Höfen und lernte Familien kennen. Sie alle waren unglücklich, und ich hatte nichts zu tun. Dafür Heimweh. Ich lernte, was todunglücklich bedeutet, und weshalb Menschen von Dächern springen. Auf einem Lehrgang lernte ich ein Mädchen kennen, an deren Haustür ich heute noch jedes Jahr vorbeifahre. Ich habe nie mehr geklingelt. Ich kaufte ein Geländemotorrad für den Winter, das im Frühjahr abbrannte. Ich hatte ein rotes Radio im Auto, und eine Menge CDs, Marke Eigenbau. Meine CD-Reihe wurde legendär, und ich lernte alle Lieder auswendig. Mein schwarzes Auto transportierte Leute und Material und mich überallhin. Im nächsten freien Sommer verkaufte ich das rote Motorrad und kaufte ein schwarzes. Nichts mehr unter hundert Pferdestärken, sagte ich. Ich sagte, Lasst es gut sein, und spuckte in ein Auto. Bei einem Feuerwehreinsatz brach ich durch zwei Geschossdecken und fiel ins Treppenhaus. Ich besuchte meine Oma im Krankenhaus. Dann starb sie. In Paradeuniform trat ich vor meinen Opa. Er war sehr stolz auf mich. Dann starb er. Ein Freund starb in einem Schwimmbecken, einer an Krebs, einer verbrannte. Einer sprang mir vor die Füße, als ich aus der Schule lief. An diesem Abend saßen wir zu dritt auf der Ruine und sprachen kein Wort. Ich betrank mich in Jugendclubs und in Turnhallen. In Garagen und Wohnzimmern und auf Wiesen. Ich hasste den Zivildienst wie nichts Gutes und war froh um die vier Wochen Ernteurlaub. Den Monat verbrachte ich im Wald und im Sturmholz. Den Sommer wieder auf Höfen und Schleppern. Ich schraubte meinen persönlichen Rekord auf zweiundsiebzig Arbeitsstunden am Stück, sah aus wie der Tod und glaubte, das sei das Leben. Wir feierten einen Geburtstag in einem Hühnerstall, und die Musikanlage ging in Rauch auf. Aus den Trümmern unserer Hütte rettete ich eine angefangene Schnapsflasche und behielt sie.
Ich begann zu studieren und stieg am ersten Tag versehentlich in einen Lieferantenaufzug, der eigentlich verschlossen sein sollte. Ich stieg aus und durfte dann vom Dach über die Feuertreppe klettern. Ich mochte mein Studium, aber nicht studieren. Also studierte ich im Winter und fuhr im Sommer. Trieb mich in Ställen herum. Auf Baustellen. Auf Schleppern. Ich verpasste Vorlesungen und Prüfungen, verliebte mich in das rote Unglück und bekam eine zweite beste Freundin. Ich nahm mir ein Zimmer und zog nicht ein. Ich kratzte den Aufkleber vom Abitur von der Heckscheibe des schwarzen Autos und verschrottete es. Das Emblem vom Lenkrad behielt ich. Ich kaufte ein blaues Auto, das alle nur den Schlampenschlepper nannten. Ich radelte mit zig Kindern an den Bodensee. Ich raste mit dem Motorrad in einen Graben und zerdepperte mir den Helm an einem Stein. Die kurzen Hosen bekamen nur Grasflecken, das Motorrad eine neue Front.
Ich lernte ein Mädchen kennen. Mit einem Freund steckten wir zwei Maien in einer Nacht. Mein Maien hing in der Stromleitung. Ihr Vater hatte einen guten Draht zum Energieversorger und ich kam ungeschoren davon. Der Freund hatte Erfolg mit dem Baum, und ich eine Freundin. Fast genau ein Jahr später habe ich sie verlassen und damit unendlich verletzt. Ich verlor einen Freund und eine meiner kleinen Heimaten.
Hansdampf in allen Gassen. Ich kaufte noch ein schwarzes Rad und plagte mich die Berge hinauf und hinunter. Ich brauchte Hilfe, um meinen Kleiderschrank wieder aufzustellen. Ich stromerte und konnte mir vieles vorstellen. In der Zukunft, irgendwie. Ich war schon nicht mehr da, aber dort noch nicht fertig. Also riß ich mich am Riemen, zog mit meinem besten Freund zusammen und studierte. Ich schrieb zwei Studienarbeiten, fror den Winter über im Dachgeschoß und machte wilde Salate. Ich lernte ein Mädchen kennen und vergaß es fast wieder. Ich stritt mich, setzte ein halbes Jahr keinen Fuß mehr auf den Hof. Dafür schrieb ich eine Diplomarbeit und schwor mir, nie wieder in die große Stadt zu gehen und mein Dorf zu verlassen. Außerdem kaufte ich wieder ein schwarzes Auto und rang mich irgendwann im Winter durch, den Schlampenschlepper zu verkaufen. Ich grub ihn aus dem Schnee, scheuchte ihn durch die Schneewehen und verkaufte ihn dann.
In den ersten Wochen meiner Diplomarbeit saß ich mit den Kollegen über Mittag in der Sonne, schaute auf mein Telefon und verliebte mich. Ich bekam Besuch auf einem weißen Rad, ich bekam mein Diplom und kaufte mir ein rotweißes Rad. Ich suchte nach Stellen, lehnte eine kleine Firma ab und wurde in einer großen nicht glücklich. Ich sagte, Lasst es gut sein, und meinte es auch. Ich machte so etwas wie einen Sommerurlaub, wir fuhren zu zweit an den Gardasee und hatten die Räder dabei. Ich fand heraus, daß ich gern auf Berge radle. Nach einem guten Jahr kündigte ich und begann die Arbeit an meiner Dissertation in der großen Stadt.
Heute werde ich dreißig.
# |  20 RauchzeichenGas geben

Sonntag, 29. 07 12

29.07.12, 22:13 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Ich komme nach hause. Ich sitze auf dem Schlepper. Ich sitze unter dem Mähwerk. Ich schwitze, schweiße, klopfe. Der Bolzen bleibt fest, das wildgelockte Mädchen lacht mich rasend. Um zehn gebe ich auf.

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Leben einfangen.

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Ich komme wieder nach hause. Lade ein, zwei Wägen mit Gerste ab. Schnecke, Vorreiniger, Gebläse. Schwarzer Staub pudert mich, als ich um die Gerätschaften wiesele. Dann viel Wasser.
Ich sitze auf dem Schlepper. Wagen um Wagen rollt herein, wirft mir das gehäckselte Gras unter die Räder. Ein Lagerschaden zur Kaffeepause. Bis Mitternacht glaube ich noch an das Fest, und um halb eins bin ich dort. Direktflug vom Silo. Das Silo bleibt die Nacht über offen, und vielleicht ist das dieses Alter, von dem alle reden. Reden will ich auch, mit allen, sofort. Ich rede mit dem Freund, der in vier Wochen Vater sein wird. Und ich dreißig, lachen wir. Ich rede mit dem Freund, der ein Haus baut. Wie letztes Jahr, lachen wir. Ich bin schmutzig und müde und trinke weiter. Ein Sturm kommt auf, als die Frau singt. Sie halten die billigen Zeltplanen fest. Es ist heiß. Der Engel geht mit anderen, und irgendwo ist das auch Liebe. Ich drehe mich. Will nicht mit allen, die vielleicht, und vielleicht auch doch nicht. Ich bin zu müde, um mich zu bemühen. Entschlüsseln, was sie sagen. Es müssen lachende Gesichter sein, es müssen Geschichten sein, es müssen große Hände auf meine Schultern fallen. Lauernde machen mich müde, ich halte doch mit meiner Freude auch nicht hinter dem Berg. Tue ich sehr wohl, denke ich dann, wie immer neben mir stehend und stichelnd. Weiß doch keiner, was sich einer denkt, mit schwarzen Armen, struppigen Haaren und zerbeulten Hosen, in schweren Schuhen. Dreckige Knie, denke ich, und dann sage ich zu einem der Lauernden, daß gestrickte Strümpfe, wie sie aus meinen Schuhen herauswallen, im Sommer das Beste sind. Keine Schweißfüße, dafür eine Menge Gras in den Schuhen. Er geht, und das finde ich gut. Belauert mich nicht.
Es tropft, es schlägt, und ich weiß um den Morgen. Das offene Silo siedet in mir, doch der Wind würde die Folien packen. Es gibt Dinge, die gehen nicht. Gehen hundertundachtzig Kilometer am Tag? Zwei Städte queren? Kann man einen Menschen für ein Dorf eintauschen? Nein, denke ich. Ich wäge nur das Unlück der Stadt gegen das Glück mit einem Menschen. Daß Unglück auch so schwer sein muß! Ich schlafe ein und wache auf. Stehe im Silo, schwitze ein Hemd durch mit Folien und Sandsäcken, aber auf dem Fest war ich noch! Und der Regen? Der staubt, so wenig war er. Hemdenwechsel, Kaffee. Güllefahren. Schwüle. Kaum, daß ich zu Mittag essen kann. Abends Regen. Scharf, schneidend, auf dem Boden eine dünne Wasserfläche, die Tropfen schießen bis auf den Grund. Ich beobachte die Blasen, die sie werfen. Wie wundervoll. Das Gras glänzt in der Sonne, bis ich es beschmiere. Es wird schon noch mehr regnen, tröste ich das Gras.
Und das tut es, als ich auf dem Fest an der Theke stehe. Der Kleine neben mir, und sonst auch alle. Kurz sehe ich eine, da denke ich über eine Entschuldigung nach. Sehe dann ein, daß es Dinge gibt, die nicht mehr gehen. Trinke eins und noch eins, aber nicht so richtig. Das ist schön, so kann ich nach hause gehen, aufrecht und an der frischen Luft. Am Morgen plagt mich nichts, und so vertrödele ich ihn. Es kommen ja immer viele Briefe, wie ich das so lang an meinen Eltern bewundert habe. Die bekamen immer Post. Und ich war fünfundzwanzig und wußte nicht, wieso ich nie Post bekam. Jetzt weiß ich nicht, warum ich so viel Post bekomme. Viele Nummern, alle wichtig. Ich hefte sie ab. Viele Ämter, und auch die hefte ich ab. Strolche durch den Stall und bin stolz auf meinen Sonntagsdienst. Misten, füttern, Kälber beobachten. Katzen muß ich noch fotografieren, für Freunde, die eine Katze vom Hof retten wollen. Ich kriege sie nicht einmal auf ein Bild, und die wollen sie in der Wohnung. Ich schaue nach einer schnaufenden Kalbenden, aber die ist alt genug, und die Bänder sind noch stramm am Becken, und überhaupt macht das die Natur schon recht, da muß der Bauer Geduld haben. Ich fahre also durchs Dorf zurück, grüße in schmutzigen weißen Socken, esse zu Mittag und radle dann mit dem Engel, wir essen ein weltbestes Eis von meinen letzten Kreuzern. Hier hat es eine Bank, die meine Karte nicht mag, und dann mag ich eben kein Geld haben. Ich mag auch keine Früchte im Eis, aber wenn die doch von hier sind! Ich grüße alle, die ich kenne, so freue ich mich.
Uns begegnen zwei Mädchen, und weil man nie weiß, ob man das nicht bald wieder braucht, schaue ich ihnen nach. Winde mich auf dem Rad, daß der Engel lacht. Schlechte Karten, lache ich, solange ich mit Dir unterwegs bin. Traut sich ja dann keine. Und sonst schaut mich keine an, aber das sage ich nicht. Und nicht, daß ich gerne nicht angeschaut werde, solange ich nur mit Dir - nun. Stattdessen erzähle ich, wie ich neulich mit einer Einjährigen im Park saß und ein Radler trank, und wie mir die Frauen nachschauten!
Wir verabschieden uns, und das Plätschern des Bächleins prägt sich mir ein. Dann sammle ich Wäsche, versuche, auf der Terrasse zu lesen. Mache Kaffee, backe Kuchen. Und jetzt ist es acht, und ich muß los. Große Stadt. Hol sie der Teufel.
# |  1 RauchzeichenGas geben

Montag, 18. 06 12

18.06.12, 10:22 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Das Kätzchen auf der Betonplatte in der Mitte des Hofes, umtost von Maschinen und Traktoren. Ein wenig struppig ist es und dreht langsam den Kopf in die Sonne. Schüttelt sich. Lässt sich am einzig trockenen Fleck nieder und wartet auf die Sonne hinter den Regenwolken.

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Wie ich mich darauf freue, zwei simple Blechsilos aufzustellen. Wie begeistert ich den geraden Linien der Kabelschellen nachsehe. Wie gern ich Kran fahre. Wie sehr ich Bagger liebe. Wie ich mich für einen Schalter und drei Lampen ereifern kann. Wie ich mich in Boxenabtrennungen und Bauabschnitte vertiefen kann.
Warum ich nicht auf dem Bau arbeite.

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In der Hektik blühe ich auf. Im Widerstand liegt meine Kraft. Im tiefsten Dschungel der Bürokratie werde ich kreativ. Ich erschrecke selbst vor mir und der Arbeit, die ich mir vorstellen könnte.

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Der Wechsel von der Position am Einstieg zum Aufstieg zu einer tatsächlich prekären Lage. Ich sehe Augen glänzen, und fast hätte ich Dich angefasst, meine Hand auf Deine gelegt, zum allerersten Mal.

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Der Phasenwechsel macht mich müde. Ich mag mich nicht verteidigen. Denn was kommt danach? Was kommt, wenn meine Linien durchbrochen sind, wenn ich geschlagen bin? Man is not made for defeat. A man can be destroyed, but not defeated. Ich mag keine Trümmer, aus denen ich dann wieder auferstehen muß. Allein.

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Allenthalben die Zerrissenheit der Komplizierten. Die Einfachen, die finden auch einfache Übereinkünfte. Wir finden ja doch nur Kompromisse.

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Das Wetter der anderen.

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Ich kann die Kleinigkeiten kaum mehr behalten, bis ich wieder hier bin.

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Irgendwas mit Leben dachte ich mir neulich, als ich nachts unter dem Baum stand, das Heu roch und auf die Alb hinüberschaute.

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Nach meinem letzten Tag im Büro haste ich zum Silieren. Auf dem Silo vor und zurück, den Abend und die Nacht. Der Rhythmus, die Lichter, der Lärm. Es bleibt, wie es ist, es hat sich nichts geändert. Wie wenig wir der Welt sind. Wie schön es ist, nicht weltbewegend zu sein. Nur da.

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Einer der wenigen, die meine Welt erschüttern können.

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Kauf Dir einen Rucksack und träume von der Welt.

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Da sitzt einer am Feuer, weit weg von hier, und kennt sie besser als ich. So nah, ohne drin zu sein.

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Und an den Schuhen das Gras.


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Ausschalten?
# |  Rauchfrei | Gas geben

Sonntag, 15. 04 12

15.04.12, 23:52 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Im Urlaub war man. Davon gibt es Bilder.


Wir sahen schön Überwuchertes.


Waren ein wenig überrascht von der Witterung.


Nahmen es aber stets mit Humor.


Schließlich war es sonnig.


Auch auf der Terrasse.

Die Eingeborenen gaben Gas und erschreckten uns mit wilden Drifts und quietschenden Reifen an den Fußgängerüberwegen.


Die Ruhigeren fuhren Schilder spazieren.


Wir weilten in Bayern.


Ziemlich weit draußen.


Wir besuchten Seen.


Und Brücken.


Wir stachen zweifellos ein wenig hervor.


Aber gekauft haben wir dann doch nichts.


Hier schon. Herrn Giardino fanden wir nicht.


Wir waren recht andächtig.


Und mir wurde das Dorf schnell sympathisch.


Mit fließendem Wasser.


Dem wir ein wenig nachhalfen.


Und Bäume. Ganz wichtig.


Dafür, daß wir in verschiedene Richtungen sehen, stehen wir ganz schön eng beieinander.


Schön wars.

Keine Bilder gibt es vom Besuch im Supermarkt, der keine Handschuhe mehr für mich hatte. Die hatten sich an die Innenseite der Kletterschuh-Klettbänder geklettet und waren unauffindbar. Also kalte Hände für mich.

Viel gelesen.

Einmal die Tagesschau gesehen. Zur Hälfte.

Im Bett gewartet, bei offener Tür und Lichtschein aus dem Wohnzimmer.

Gekocht. Gegessen.

Mit dem Telefon auf Wanderwegen navigiert.

Festgestellt, daß es Flecken ohne Netz und ohne Satelliten gibt. Die eigenen Spuren im Schnee zurückverfolgt.

"Zwiesel gibt Gas". Aha.

Wie schnell sich ein Tagesablauf einstellt.

Wie es mich irgendwann nach hause zieht, daß nicht einmal der Einser auf freiem Flüsterasphalt noch mitkommt.

Irgendwann bin ich leergeredet.

Irgendwann bin ich vollgehört.

Ausgeschlafen. Sattgegessen. Ausgeruht.

Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk wurde fertiggestellt. Davon gibt es dann auch ein Bild.

# |  Rauchfrei | Gas geben

Dienstag, 24. 01 12

24.01.12, 23:24 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Mein Leben ist kompliziert. Da passt die Milchkanne nicht in den Kühlschrank in der Büroküche neben die ganzen Pappkartons mit Weißwasser, halbfett. Außerdem nirgends recht ins Auto, weil nicht so recht zuverlässig mit Standhaftigkeit und Dichthalten und so. Eine Glasflasche ist mir dann doch zu riskant, wenn ich so zuhöre, wie morgens meine Tasche allenthalben aneckt, und vor allem, wenn ich mir beim Vesper die bösen Schrammen meiner Birnen anschaue. So stehe ich alter Zauderhansel also mit einer Plastikflasche vor dem Milchtank. Ich bin der letzte, die Spülung plätschert schon. Die Tanköffnung ist größer als der Flaschenhals, und da muß ich dann den Besamungsbecher spülen. Nicht, daß ich empfindlich wäre, aber dann doch so ein bißchen. Vom Tank also in den sauberen Besamungsbecher, von dort in die Flasche, und das alles habe ich mir einfacher vorgestellt, als ich die Flasche zwischen den Beinen im Auto nach hause balanciere. Und das alles fürs Müsli, denke ich, und dann vergesse ich die Flasche morgen früh womöglich im Kühlschrank.
Ja, es gab schon Tage mit trockenem Müsli. Keine schönen Tage.

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Am Freitagabend verpasse ich den Fasching, der früher so wichtig war. So kennzeichnend. Wo ich zu Anfangszeiten in Uniform vor der kleinen Bühne stand, um die Band von den Tobenden zu trennen. Heute erfahre ich es einen Tag später und völlig unberührt.

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So ein umgekrempelter Magen braucht dann doch drei Tage. Wer Freitagabends noch speit, der braucht am Samstag keinen Kaffee. Und zum Mittag nur Suppe. Halbgas am Samstag, Zittern am Sonntag.
Gekrümmt und im Liegen kurz ans Sterben gedacht. Den Gedanken aber verworfen - Magenverstimmung ist definitiv zu uncool.

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Es bläst mir das Stroh ins Gesicht, als wir die Boxen einstreuen. Es bläst mir die Folie vom Silo, die ich eben mühselig hochgezerrt und mit Sandsäcken beschwert hatte. Es bläst mir den Getreidestaub an die Scheibe und den Regen auf die Kameralinse. Die Spiegel sind blind und meine Brille schmutzig. Und wie man dann vorsichtig wird und immer behutsamer fährt. Irgendwann steige ich aus und renne Kontrollrunden um den Mischwagen. Eimer, Schaufeln, Schubkarren haben schon dran glauben müssen. Nicht bei mir, hoffe ich, und am Ende reiße ich mir nur mitsamt den Handschuhen das Armbändchen ab. Nun also wieder ohne Schmuck. Für Routine habe ich sowieso keinen Nerv.

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Ich freue mich, wenn Du aus der Bahn steigst. Auf mich zukommst. Wenn Dein Lächeln ganz langsam zum Lachen wird und Du mich umarmst. Wenn Deine Hand auf meiner liegt, auf der Armlehne, und ich mal einen Schaltpunkt verpasse.

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Nun ist bald Lichtmess, und ich bin der Gitarre noch keinen Schritt näher gerückt. Ganz selten nur die Mundharmonika gespielt. Und träume vom Keyboard. Aber man lebt ja auch vom Wunschunterdrücken, vom Wunscherwarten, vom Wissenwollen, ob da wirklich Habenwollen ist. Wofür arbeite ich, denke ich mir oft, wenn ich nicht kaufe, und daß ich darauf keine Antwort weiß -. Kaufen ist keine Antwort, der Kauf wäre die Kapitulation.

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Trotzdem vielleicht irgendwann ein Streicheltelefon. Begierig lese ich Berichte, schaue mir Programme an, die ich bei Gelegenheit allenthalben beiläufig installiere, wenn sich ein unbeaufsichtigtes Telefon nähert. Probier das mal aus, sage ich dann, aber keiner hat Lust auf verschiedene Karten, auf Punkte, Linien, Koordinatensysteme und Flächenberechnung. Haben Sie das mal versucht? Flächenberechnung aus Koordinaten? Das ist toll, und noch ganz ohne Erdkrümmung!

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Aber ich komme ja nicht einmal recht zu OpenFoam. Daher jetzt: die Abende verteilt. Heute zum Beispiel war ich schwimmen. Das kam so über mich, wo alle von Triathlon und Marathon reden, und abends stand ich dann vor der alten Halle, mit meiner rosafarbenen Tasche in der Hand. Ich erkenne den Eingang wieder, die Umkleiden, sogar die Uhr. Der Kassenautomat ist defekt, die Tür ist offen. Ich ziehe mich um, und dann Bahn um Bahn. Kurz sind sie, und zwischen den Zügen sehe ich die Zierfliesen an der Stirnseite. Die hatte ich vergessen. Ebenso wie die Bikinis, die aufgeschlagene Stirn, den Krankenwagen, die käsebleiche junge Lehrerin, die Blutwolke im Becken. Schulsport. Heute schwimme ich mehr Bahnen als in meiner ganzen Schulzeit. Ich sehe zu den Fenstern hinaus. Beschlagen, blindgeputzt. Es ist lange her, es ist nicht viel geblieben. Ich schlucke Wasser und strample, auch da ist nicht viel geblieben. Ich quäle mich mit Brustschwimmen, weil die fünf Mann im Becken dann doch zu viele sind für meinen wild spritzenden Kraulstil. Schön langsam, und immer gegen Bahnende wieder in Hektik, geraten mir die Beinschläge durcheinander. Ich zähle, wie zwei Tage zuvor bei der Tanzprobe, auf acht, ich weiß auch nicht, warum. Später werde ich mir Videos vom Brustschwimmen im Internet ansehen. Dabei wollte ich doch weniger Internet. Nach einer knappen Stunde sind die Arme lahm. Ich finde den Bademeister nicht, um die läppischen zwei Euro zu bezahlen. Ich trage auch keine Brille, und das Geld liegt ja auch in der Umkleide. Nun. Das Telefon piepst. Eben wird gegen die Sporthalle im Dorf entschieden. Stattdessen ein Regenrückhaltebecken, scheiß doch auf die Seemansromantik. Mit nassen Haaren verlasse ich das Schwimmbad und sitze kurz darauf im Stall, weil der Melkcomputer spinnt. Überrascht stelle ich fest, daß er fast acht Jahre durchgehalten hat.
Ich höre die Kälber in den Iglus rascheln, als ich über den Hof laufe. Der Frost knirscht. Ich würde trotzdem gerne schön schwimmen können.

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Am Sonntag wollen alle nach dem Essen zur Kletterhalle. Wir sind jung, ungebunden, zum Essen eingeladen und zu faul, um früh aufzustehen. An der Schlange vor der Tür kehren wir um. Kein freies Seil.

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Stattdessen betrachten wir die Möglichkeiten, Fahrräder in ein Flugzeug zu bekommen. Kostet fast soviel wie der Urlaub selbst. Haha. Die Geschichte von der Seltsamkeit der Preise. Da werden Reisen verramscht und Telefone vergoldet. Dienstleistungsgesellschaft, am Arsch na, und auf dem Heimweg über die Dörfer bekomme ich dann einen Moralischen und predige, daß wir es anders haben werden als die Eltern. Als ob es nicht an uns läge. Als ob es an uns läge!
Ich weiß doch auch nicht.

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Die beiden Tanzmädels sind so unterschiedlich und so ähnlich. Ich mag sie beide sehr. Das gelockte Engelsgesicht mit der Kreizkrabbasack-Schwabenschnauze, die sehnige Athletin in kurzen Winterhosen. Es ist ja nur ein Faschingstanz, und mir bringen sie die Drehungen extra bei, Nur den Pistolentanz, den kann ich. Der ist ja doch von uns, den tanzen wir zwei immer, wenn wir uns sehen und beschließen: Fest mit Durchdrehen. Ich kann also einen Takt von drei Minuten, und die Zugabe noch gar nicht. Nur bei der Pyramide werde ich wieder unten durchrutschen, weil schlank und einigermaßen biegsam und schmerzfrei. Nur von der Bühne fallen werde ich vielleicht nicht mehr.
Wir werden sehen.

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Hier reden sie von Samstagen als Werktagen und zwanzig Überstunden im Monat. Irgendwie will ich müde grinsen, aber irgendwie auch wieder nicht. Ohne meine Samstage wäre ich nicht hier. Ach, ich weiß doch auch nicht, zucke ich die Schultern und lehne an der Käfigtür. Das Mädchen in schwarz lächelt mich an, und es fehlt nicht viel, da hätte sie mich mütterlich getätschelt.

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Im Kino waren wir, um überhaupt etwas unternommen zu haben, nach Hundeelend am Freitag und Stallhimmel am Samstag, nach Murmeltierschlaf am Morgen und Nichtklettern am Nachmittag. Mehr durch Zufall sind wir auf diesen Film gestoßen. Ziemlich beste Freunde. Französischer Film. Ein breitnasiger Maghrébin, ein reicher Gelähmter, eine wundervolle Rothaarige. Unperfekte Darsteller, wenig Digitalglättung auf den Gesichtern, und unglaublich viel Freude. "Kein Mitleid. Ich mag ihn, weil er kein Mitleid hat", sagt zwischendurch der Reiche, und dann röhrt wieder der Lamborghini, und die Kippen glühen in Großaufnahme. Eine Autojagd, ein paar große Sprüche. Gleitschirmfliegen. Ein bißchen Behindertenhumor. Nur ein bißchen böse, nur ein bißchen schwarz. Der Film brennt nicht. Und das ist schön. Ich will doch nicht mit einer Keule betroffen gemacht werden. Ich mag das Motiv, ich mag das Thema, ich mag es, daß ein Schweigender ein Kunstwerk verkauft und sich der Gag mit den Ohren durchzieht.
Der Film hat ein Thema, der Film erzählt eine Geschichte, der Film beruft sich auf eine wahre Begebenheit, deren Figuren er am Ende kurz zeigt. Und das ist das Schlimmste: Eben noch hatte ich gelobt, mich an den wirklichkeitsnahen Figuren gefreut. Die Rothaarige mit unreiner Haut und einem Gesäß, das zu ihrer Oberweite passte. Der Maghrébin mit der Nase, mit Schweiß auf der Stirn und diesem riesigen Lachen. So weit weg von den Idealen, dachte ich. Und sah dann die Originale. Und da wurde mir klar, daß man sich heute ja schon freut, wenn nicht alles pastellfarben ist. Nicht alles glattrasiert. Nicht alle Anzüge so gut sitzen wie die Sommersprossen. Und trotzdem. Film und Person. Und jenseits des Filmes noch die ganzen Geschichten, die sonst so vom Rechner ins Kino kommen.
(Ich möchte Ihnen diesen Film empfehlen. Sie werden Spaß haben.)

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Wir zwei. Wir ziehen uns nicht gleich an. Wir mögen nicht die gleichen Menschen. Wir mögen nicht das gleiche tun. Wir sind nicht vom Gleichen fasziniert. Wir möchten nicht im Gleichen Ort wohnen, wir wollen nicht das Gleiche vom Leben. Von dem, was uns trennt, könnte ich schimpfen. Über unser Streiten lamentieren. Doch: wir zwei, wir saßen da zwei Stunden in diesem Film, hielten unsere Hände und lachten miteinander. Und darauf, von allem, allem nur darauf, möchte ich nicht mehr verzichten.

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Vom Planen möchte ich noch erzählen. Daß mir ausgerechnet dafür heute abend die Worte nicht mehr reichen, nun. Mußte ja so kommen.
# |  1 RauchzeichenGas geben

Dienstag, 4. 10 11

04.10.11, 14:50 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Siebzig Kilometer mit dem Rad über Stock und Stein, über Radwege und Straßen, um ein Mädchen im Arm zu halten, das noch gar nicht auf der Welt sein dürfte und doch schon sechs Wochen alt ist. Klein, das. Und ich ein wenig wie die drei Weisen aus dem Morgenland mit meiner langen Anreise.
Grinst sich eins, redet mir gut zu und schläft dann ein. Und ich erstmals ohne Unwohlsein. Behutsam und vorsichtig noch. Aber auch so begeistert, daß ich das schlafende Mädchen streichle, mit einer Fingerkuppe ganz vorsichtig die ganze Hand bedeckt, mit einem Finger den Bauch massiere. Und erstmals ist da nicht irgendein neues Leben, das nun ab und an meines streifen wird, mit Geburtstagen und Kirchenfesten und Geschichten der Familie, sondern eines, das ich begleiten möchte, das ich behüten will, und eines, das mich überdauern wird, und das ist so gar nicht schlimm, wenn ich nur bis zu meinem Ende dabeisein darf.

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In der Kurve eine Limousine, zwei Männer mit verschränkten Armen. Gebückte Zuschauer. Blaulicht. Die Person schreit, als man sie auf die Trage hebt. Ich mache einen großen Bogen um die Gruppe und trete stärker in die Pedale. Der Helm baumelt am Lenkrad.

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Mit dem Rad in der Bahn stehe ich nachts an den Türen und komme erstmals mit einer lachenden Schaffnerin ins Gespräch.

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Die Volksfestheimkehrer schauen recht stier, aber lustig sind sie. Sie sehen nach Spaß aus.

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Im Schein meiner Stirnlampe die letzten Kilometer.

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Irgendwo im Schurwald finde ich einen wundervollen Trail, eine Wagenspur, und keine Menschenseele in der Erholungsregion der Großstadt, am Feiertag und bei Sonnenschein. Wo sie wohl alle sein mögen? Und warum ich wohl zu Studienzeiten, als ich noch am Stadtrand gewohnt habe, nie einen solchen Ausflug gemacht habe?

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Man muß wachsen. Ich bin nervös, wenn ich Ziele habe, und ich fahre stark, wenn ich ziellos bin.

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Helsinki.

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Ausflug.

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Vier Stunden im Bus, und weitere Stunden mit Trinkspielen.

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Unser Busfahrer ist gern auf Reisen. Mehrtagestouren, so weit wie möglich. Und mich freut das, daß hier doch jeder einen Beruf finden kann, der ihm Freude macht. Es muß nicht jeder Ingenieur sein, es muß nicht jeder Bauer sein. Freude am Busfahren, weil Freude am Reisen. So einfach ist das. Und am Ende erklärt er, daß er unser Trinkgeld zur Hälfte behalten wird und zur Hälfte spenden wird. Das macht er immer so, sagt er lapidar.

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Bürgerfragestunde für die Bürgermeisterwahl. Ich frage die abgekartete Frage und finde mich am nächsten Tag in der Zeitung wieder. Aber sicher bin ich mir noch nicht.

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Heidelberg ist ein Touristendrama. Und Oggersheim sein Armenhaus. Der Dom ist eingekesselt von Ständen mit Nippes und lustigen Hemden, und ich komme mir vor wie am Strand der lustigen Sonnenbrillenverkäufer, auch wenn ich da noch nie gewesen bin.

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Eine Wanderung auf den Königstuhl ist nicht so recht vorgesehen, scheint mir. Der Weg ist nicht angeschrieben, und zwischendurch wird er steil und schmal und - schlimmer noch - zur Straße. Er endet am Stacheldraht, und an uns fährt die Seilbahn vorbei. Wir rennen ihr hinterher und werden vom Lokführer abgekanzelt. Aber achtfünfzig, ihr habt sie wohl nicht alle.

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Wie an Adler.
Ansonsten fehlt mir die Musik. Die eine Dauer-CD.

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Eine wunderbare Gaststätte, und es fallen nur ein Teller und ein Glas um. Außer uns ist niemand da, das Essen ist gut, und Schnecken halte ich sowieso für den Teil der großen weiten Welt, der mir gestohlen bleiben kann. Und die Neckarauen sind schön. Einer schläft.

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In der Nähe eine Kneipe, von zwei russisch aussehenden Damen geführt. Auch hier sind wir allein und feiern ein Fest mit der Jukebox und den einzigen Maßkrügen, die sie hier haben. Zwei schlafen.

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Auf dem Heimweg falle ich über einen Fahrradständer.

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"Wer nicht sabbert, schläft nicht entspannt."

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Und da lerne ich noch einen kennen, in der Nacht, dessen Frau dann den Kleinen angräbt, und der mir von seinem Arbeitsleben erzählen will. Händisch Wurzelziehen, sagt er, und am Schluß probiert er doch nur hilflos auf seiner Serviette. Taxi. Zwei schlafen und werden dämlicherseits abkommandiert.

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Morgens bin ich der Hauptleidtragende. Aua.

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Im Spaßbad in der Sonne sitzen und auf den Sonnenbrand warten. Rutschen. Lachen.

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"Dafür darfst Du uns auf den Arsch schauen."

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Der textilfreie Saunabereich, der textilierte Rest, und wer wird da denn gleich so genau sein?

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Und am Ende mit dunkelroter Karte.

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Auf der Heimfahrt lasse ich mir einen "Tag für Dich" erklären, und was an kleinen Brüsten so toll ist. Aha.

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Schön ist es, weg zu sein. Aber heimkommen ist auch schön.

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Den Polterabend des Freundes, den habe ich dann verpasst.

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Der Rest des Jahres dann alkoholfrei.

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Eine Freundin bewirten. Papiere sortieren. Radeln. Was man so macht.

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Supersommer, Tag um Tag kostbarer. Und dabei sehe ich die Gerste schon halbgekeimt innehalten. Längst zu trocken, ich weiß es doch. Aber vielleicht noch einen Tag, für mich?
# |  Rauchfrei | Gas geben

Donnerstag, 22. 09 11

22.09.11, 10:08 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Man rauscht wie ein Eilzug ins Wochenende, und beim Abbremsen eckt man auch immer irgendwo an.

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Am Freitag nichts vor. Ich steige schweren Herzens irgendwann vom Walzschlepper, noch immer das scheppernd höhnische "Dieses Jahr ohne Mais" im Ohr, das mich so herablassend traf, so über den Kopf streichelnd, daß es mir die Lefzen hochzieht, weil der Mais, das Maisen, weil das alles so erstrebenswert für mich ist, ein Sommer voller Hoffnung und Wachstum in jedem Pflänzchen, und weil sie das so abtun.

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Was Du nicht ernst nimmst, das wird Dich beißen.

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Ach, der Freitag. Den verbringe ich dann in Gesellschaft von Menschen, die ich nicht leiden kann, mit denen ich mich so gar nicht zur Deckung bringen kann. Die anderen fahren, ich kann das riechen, selbst von dort aus, und nebenan das Geräusch abwickelnder Ballenfolie, und ich zähle gewohnheitsmäßig die Umdrehungen und schnüffle in die Luft nach dem frischen Gras, das zu silieren beginnt. Subterranean homesick blues.

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Euer Morgen geht von zehn bis zwölf.

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Menschen, die bekunden, kein Auto zu brauchen. Denen fährt man ja doch nur hinterher, und es ist ja nicht das Fahren, das mich stört, sondern die Selbstgefälligkeit.

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Die Ökoüberhebliche, die mit ihrem großen Dieselkombi im Dorf umherfährt.

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Architekten zusammenbringen. Schön das, denn dann kann ich ruhig meinen eigenen Gedanken nachhängen, inmitten all derer, und zwischendurch trifft mein unscharfer Blick auf den des alten Herrn, und wir grinsen uns an. So sind wir verwandt, getrennt von allen anderen, getrennt von uns.

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Da müssen wir noch hin, und ich gebe mich geschlagen und unterdrücke ein Gähnen. Natürlich fahre ich, Du brauchst ja kein Auto.

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Hier haben Menschen Spaß, und wir sichten eine Discokugel. Was an diesem Spaß schlimm sein soll, frage ich mich immer wieder, auch wenn mir die Musik nicht gefällt. Die Überheblichkeit, daß es in der Stadt besser sei, daß es hier eben recht für die einfachen Landmenschen sei, die stinkt mir. Ich wäre ja gern woanders. Aber nicht in der Stadt. Seid ihr nur glücklich da, aber lasst mich doch hier zufrieden sein. Große Welt ist doch mittlerweile überall, und hohe Schuhe machen noch keine großen Menschen.

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Frustration. Egalität ist angenehmer.

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Nein, ich will mich nicht in eine weitere Familie integrieren.

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Baden. Wir lassen uns im Kreis treiben, und ich schaue an die Decke, wie sich das Wasser spiegelt. Luxus.

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Meine Passagierin und die Parallelwelt.

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Mannschaftssport lebt von den Motivatoren. Deshalb fahre ich Rad.

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Die besoffenen Dorftölpel feiern ihn als neuen Bürgermeister, wie er da mit ihnen sitzt und kontrolliertkonzentriert die Augen nicht verdreht, und hinterher werden sie sich das Maul zerreißen, auf beiden Seiten.

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Spaßbieter. Die Partei, die Linke, ein Spielhallenbetreiber, ein Jungspund. Was unsere Wahlzettel brauchen, ist ein Leckt-mich-Kreuzchen.

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Wie er sie einlullt und aufs Kreuz legt. Wahlkampf ist also doch einfach.

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Großes Familienvesper. Großes Geschrei. Große Diskussion. Noch einmal großes Geschrei. Ich finde es so gar nicht schlimm, daß es bei uns keine Vespertradition gibt.

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Was mich versöhnt: Wie Du Dich morgens im Halbschlaf auf die Stelle rollst, an der ich eben noch gelegen bin. Einen Arm ausstreckst und wieder unter die Decke ziehst. Seufzst. Dann wird Dein Schlaf wieder ruhiger, und ich ziehe die Tür hinter mir zu.

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Nicht so viel reden müssen, und nicht so viel detaillieren.

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Nebenan pflügt der Nachbar, und als er aufhört zur Stallzeit, da steigt er kurz auf, und an seinem Lachen freue ich mich.

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Wie mich die Dunkelheit irgendwann in den Feierabend treibt. Daß ich hier nachgebe und irgendwann gern ein Feuer anschüre und hineinschaue, daß das mein Abend ist, das zeigt mir mein Altern, aber auch das ist gut so.

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Bier beim Bauern.

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Wie ungern ich anderer Leute Sonntage störe.

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Da ziehen zwei in eine Wohnung, die ich mir auch schon angeschaut habe. Eine Wohnung für zwei. Wohnungen sind für einen ja nicht sinnvoll, denke ich mir immer.

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Ab jetzt: vier Tage Mais und Gras, noch einmal ohne Pause. Auf sie mit Gebrüll!
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Mittwoch, 17. 08 11

17.08.11, 00:47 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Ein Tag frei und Regen.

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Wie manchmal meine Begeisterung zu Staub wird auf meiner Zunge, wenn ich sie teilen will.

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Zu manchen, da fasst man Vertrauen.

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Dinge für mich zu behalten. Was man nicht teilt, verliert man nicht. Man prüft es aber auch nicht, nur wussten das schon die Fabeln und Sagen.

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So langsam gelingt mir Garbage.

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Erstaunt festgestellt, daß sich mein Diplomzeugnis noch entfalten lässt. Da sind also all die Noten!

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Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen.

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Ein Plastikkotflügel, wenn man sonst keine Sorgen hat.

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Und der Lochfraß in der Heckklappe.

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Zwetschgen, Birnen, Äpfel und der morgendliche Raubzug durch den Garten. Am schwersten beladen ist der kleine Birnenbaum, der mühselig die Zweige oben halten will.

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Gegen manches sperre ich mich nur noch aus Gewohnheit, aus einer Bequemlichkeit, die keine mehr ist. So muß ich kaum packen, nicht vorbereiten, nicht fahren, nicht buchen. Und will doch nicht so recht weg.
Gegen anderes sperre ich mich, weil ich nicht so sein will. Ich will nicht der Mode folgen, ich mag nicht einkaufen, und erst recht mag ich tragen, was ich kenne und was mir bequemt.

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"Gut siehst Du heute aus. Das ist man von Dir ja nicht gewohnt."

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Die große Garderobe bei Hochzeiten.

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Und wie sie von großen Häusern (noch größeren!) erzählt, und von großen Gärten (noch größeren!) und großen Trampolinen (noch noch größeren!), und dann den Luxus verdammt und den Urlaub ohne fließendes Wasser lobt, wo der Tauchsieder brummte und der Mann die Kanister trug.
Wahrer Luxus ist es wohl, die Grundversorgung zu entbehren, für ein paar Tage, und wieder muß ich mein Bild vom Luxus und vom Wohlstand festhalten, damit es nicht zerstiebt in den Gewohnheiten der anderen.

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Sich für jeden Abend etwas vornehmen.

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Die Dachgeschosswohnung, die mir durch ihre Höhe so heimelig wird. Und eine Garage, und ein angeschlossener Kellerraum! Ich finde das kleine Fenster, ich sehe schon die Räder und die Werkbank und höre den Kompressor tuckern, und "Ach ja!" das Bad sehe ich mir auch gerne an, "Nett, daß sie fragen."

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Jedem sein kleines Dilemma, jedem sein gordischer Knoten. Und für jeden das Warten und die Hoffnung auf die Hand und das Schwert eines anderen.

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Du machst es Dir aber auch immer schwierig.

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Die junge Dame am hell erleuchteten Fenster, die die Rolläden herunterlässt und mindestens ebenso erschrickt wie ich, sich hastig bedeckt und flüchtet. Das Licht erlischt, der Rolladen fällt, und lässt mich zurück mit der wortlosen Frage, wo zum Geier man denn hinmöchte an einem Sonntagabend im Negligé und wozu, und die Antwort, die mögliche, die naheliegende, die kommt mir so spät, daß ich mir wieder naiv und unschuldig vorkommen darf, oder wie ein Trottel, der selbst im eigenen Dorf nicht die Welt sehen kann.

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Und was Du alles in Deinem Koffer hast!

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Noch sechseinhalb Stunden.

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All die fehlenden Ackerbilder.

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Glauben Sie mir, ich habe siliert. Ich habe gepflügt. Ich habe geerntet, ich habe gesät.

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Und wie ich die Notwendigkeiten mag. Die Unabänderlichkeit des Wetters, das sich der Mahd nicht beugt, und auch meinem kümmerlichen Urlaubstag nicht.

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Anpackender werden. Einmal alles geschafft haben. Und wie wenig ich doch sitzen kann.

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Grinsend und mit dem geistigen gemeinen Weidenthaler im Schlepptau durch das Dorf radeln. Die Kamera stecken lassen, die Bilder nicht machen. Unschuld rettet.
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