Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

28.12.06, 00:41 | '10000 lightyears from home'
Lieber Gott, falls es Dich irgendwo gibt: Das gerade eben war nicht besonders witzig. Das war ein ganz schön dickes Ding, wo ich mich gerade eben auf ein geruhsames Jahresende eingestellt hatte. Ich bin sogar ganz entschieden der Meinung, daß Du diesmal einen Tick zu weit gegangen bist.

Das Telefon leuchtet auf und brummt. Ich richte mich im Bett auf, und lasse mein Buch zuschnappen, den Daumen zwischen die Seiten geklemmt. Ich habe Zeit, denn wer mich nach zehn Uhr noch erreichen will, dem dürfte es ziemlich wichtig sein. "On the day we were supposed to leave, you changed your mind at the station", scheppert es aus dem Lautsprecher, und ich schaue das Telefon an, das auf dem Sims hin und her hüpft. Bei "I'll go anyway, I'll go anyway" nehme ich ab, ohne auf das Display geschaut zu haben.
"Ja bitte?" Es ist noch garnicht so lange her, daß mir die Vertreter meiner Telefongesellschaft abgewöhnt haben, mich mit meinem Namen zu melden, wie ich es gelernt habe. Aber damals hatten Telefone ja auch noch Wählscheiben, und die Nummern waren dreistellig.
"Ich bin's", kommt es etwas atemlos aus dem Hörer. Ich erkenne sie sofort.
"Bist Du noch wach?"
- "Ja", lüge ich, denn sobald mein Kopf verarbeitet hat, was meinem Ohr gerade schon den ersten Verbalorgasmus des Tages versetzt hat, werde ich es ganz sicher sein.
"Ich würde dann jetzt vorbeikommen", sagt sie heiser. Sie klingt entschlossen, als hätte sie lange nachgedacht und spontan entschieden. Im Hintergrund höre ich den Lärm gemütlichen Beisammenseins. Ich sehe sie vor mir, wie sie das Mikrofon mit der Hand abdeckt, das Haar verstrubbelt, in einer Ecke abgewandt an die Wand gelehnt. Hinter ihr sitzen die anderen, mit denen sie sich eben ein klein wenig Mut angetrunken hat, um mich anzurufen.
Sagen kann ich jetzt nichts mehr. Dafür nicke ich umso eifriger.
"Findest Du denn noch hierher?" frage ich schließlich, weil ich ein praktischer Mensch bin und nicht will, daß die vielleicht zweitbeste Nacht des Jahres an einer verfehlten Abzweigung scheitert.
Ich höre sie atmen, und es raschelt. Ich warte.
"Du, das tut mir leid", sagt sie schließlich hastig und kehlig, "ich wollte jemand anderen anrufen. Vergiß es einfach."
Und bevor ich etwas erwidern kann, hat sie aufgelegt. In meinem eigenen Bett sitzengelassen.

Das, mein lieber Schieber, ist mir jetzt wirklich zuviel. Hier hört der Spaß auf, und ich rate Dir, in Zukunft bloß die Finger aus meinem kleinen Leben zu lassen. Sonst komme ich zu Dir, wo immer Du auch in Deinen Rauschebart kicherst, und dann betoniert's. Aber feierlich.

Und ich habe wirklich geglaubt, das Jahr könnte einfach so ausklingen. Fade out statt Paukenschlägen. Erschießt mich doch einfach. Ich wäre sogar dankbar, grade eben.

Rauchzeichen




kleinesf   |   28.12.2006, 15:22   |  
Wieder ein guter Grund, nächtliche Anrufer einfach erstmal anzuschreien.

texas-jim   |   29.12.2006, 11:49   |  
Telefone entstehen doch nur aus der kleinlichen Angst, etwas zu verpassen.
Mitrauchen