Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Donnerstag, 7. 12 06

07.12.06, 19:38 | 'Heller als tausend Sonnen'
Dem Film "Little Miss Sunshine" hätte ich nach einer Minute alles abgekauft. Da brauchte es den Gag mit der Sechsjährigen und den Diätpillen garnicht mehr.
Die rauchende Mutter, der Neun-Stufen-Vater, der Sohn mit dem Schweigegelübde, der Opa mit den "Nazikugeln im Arsch" und der homosexuelle Onkel - der "beste Proust-Kenner Amerikas" - nach einem Selbstmordversuch; sie alle ranken sich um die kleine Olive. Und genauso krank, wie es sich liest, sieht es auch aus.
Es ist furchtbar glaubwürdig, das alles. Auch wenn man am gesellschaftskritischen Teil des Films so völlig vorbeiläuft, weil es Misswahlen ja nur im Fernsehen gibt. (Oder so.) Vater Frank, der verzweifelt an seiner großen Chance, dem Buch über die "neun Stufen zum Sieger" hängt, und mitten im Film beinahe davon erschlagen wird, daß er eben doch kein Sieger sein soll. Mutter Sheryl, die ständig total überlastet ist und mit ihrem spröden Charme so furchtbar abgespannt aussieht, daß man sie sofort zu einer Woche Urlaub auf Hawaii einladen möchte. Opa Edwin, der Heroin schnupft und Pornomagazine liest, mit seiner Enkelin für den Auftritt bei der Misswahl probt, und dem zwischendurch noch ein anderes Malheur passiert, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Dwayne, der Nietzsche liest und seine Liegestütze in den Kalender einträgt. Der nicht mehr reden will, bis er auf der Fliegerschule der Air Force angenommen worden ist, und dem auch noch ein Malheur passiert, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll. (Überhaupt Dwayne: dieser Silberblick! Diese Nase! Sein "Jesus was wrong"-Hemd! Und die abgrundtiefe Verzweiflung.)
Darum geht es: Die Leben in dieser Familie sind keine Spaziergänge, sondern Gratwanderungen. Sie alle marschieren auf ihre Ziele zu, und von weitem mag das sehr geruhsam aussehen. Aus der Nähe jedoch, dieser empfindlichen Nähe, die durch die Enge im VW-Bus der Familie Hoover dem Zuschauer geradezu aufgedrängt wird - hier ist nichts mit Distanz zum Film, hier wird mitgefahren, mitgeschoben, mitgelitten -, aus der Nähe sieht man die Figuren schwanken und schließlich fallen.
Doch das macht alles nichts. Der Rocker im Publikum des "Little Miss Sunshine"-Wettbewerbs, der sich Watte in die Ohren stopft, die Assistentin mit dem Schreibbrett und den feschen Kopfhörern, die beim Auftritt Olives ihr Grinsen verschluckt, als sie von der Juryleiterin angestarrt wird, dahinter stecken noch viel mehr solcher Geschichten. Eigentlich ist der Film zum Heulen, doch vor lauter Lachen kommt man nicht dazu.
Und man beginnt zu ahnen, daß es überall so ist. Es mag weniger chaotisch zugehen, es müssen nicht alle Unglücke innerhalb von drei Tagen auf einen Menschen einstürmen, aber die Rückschläge, die Nackenschläge und die Schläge ins Gesicht - die kennen wir doch von uns selbst.
Und so kommen wir aus dem Kino und freuen uns darüber, daß wir ruhig weiter Verlierer bleiben dürfen, solange es nur jemanden gibt, der sich mit uns zum Affen macht. Daß wir dann vielleicht garkeine Verlierer sind, und ungestraft weiter Vanilleeis essen dürfen. Daß es sich im Mittelfeld vielleicht ganz nett lebt. Und da stört es auch nicht, daß einige Szenen stechend liegenbleiben, daß Dwayne "I hate everyone" auf einen Zettel schreibt. Dafür darf er später mit "Go hug mom" den strahlendsten Augenblick des Films bezeichnen.
In diesem Sinne: "Please don't kill yourself tonight."
# |  3 RauchzeichenGas geben


07.12.06, 14:25 | 'Rage within the machines'
Euer Kläffen ekelt mich an. Ob ihr nun einstimmt oder schnüffelt, ob ihr dafür oder dagegen seid, ob ihr euch für die Guten oder die Bösen haltet.
Ihr nehmt teil. Ihr ekelt mich an.
# |  Rauchfrei | Gas geben