Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

18.04.16, 14:15 | 'Heller als tausend Sonnen'
Meine Abneigung gegenüber Etablissements, in denen Menschen dafür bezahlt werden, sich zu entkleiden. Das ist keine Koketterie und wird doch stets so verstanden. Dabei ist es überhaupt nicht die Nacktheit, die mich stört, sondern die Professionalität. Die Beliebigkeit der Personen, die sich nur dem Geldbeutel zuneigt. Mag sein, daß mich mein fortgeschrittenes Schwabentum hindert, doch an was? Nacktheit an sich hat mir nichts Erotisches, nichts Anziehendes, gibt mir einfach nichts. Am liebsten, sage ich, würde ich mittanzen, mich bewegen, statt einfach nur in rotem Kunstleder zu lungern und nicht zu wissen, ob ich in nackte Gestalten oder in ebenso nackte Blicke hineinschauen soll. Es ist die Freude an der Freude, die Gegenseitigkeit, die mich anzieht, und weil ich das nicht mehr formulieren kann und nicht glaube, daß mir das etwas anderes einbrächte, als noch einen dieser Spielgeldscheine zugesteckt zu bekommen und vorsichtig unterm Tisch entsorgen zu müssen, damit keine der Damen sie sehen und wie an der Schnur gezogen reagieren zu müssen, um dem allen zu entgehen und meinem Protest Ausdruck zu verleihen, schlafe ich ein.

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Ich trinke gern Bier mit euch im Zug, ich unterhalte mich gern mit den beiden Damen, die so herrlich bayrisch reden, daß auch mein R wieder zu rollen beginnt, die gerade von Kuba zurückkommen und aufgekratzt sind mit uns jungen Herren, die Bier trinken und sich trotzdem benehmen können. Ich gehe gern mit euch zum Essen, wo ich unter großem Hallo für den ganzen Tisch die Getränke einschenken darf und von der mütterlichen Kellnerin geherzt werde. Ich gehe gern mit euch in die Pubs, wo es dunkle Getränke gibt, die ich heute allesamt und rücksichtslos in mich hineinschütte, weil es Tage gibt, die man ganz austrinken muß, und weil es Tage gibt, an denen mich die Hilflosigkeit unbesiegbar macht. Ich gehe gern an die Theke und lasse mich bescheißen, weil ich einfach schon nicht mehr murren mag, sondern nur noch lachen und tanzen, auf dieser mit Riffelblech verkleideten Kiste, mit einer jungen Dame im kleinen Schwarzen, die sich anschmiegt und wieder abwendet. Ich stehe dann auch gern mit euch im Schnellimbiss in der Schlange und lerne, daß man neuerdings an einem Bildschirm bestellen und bezahlen kann, und daß man anschließend trotzdem warten muß, das macht mir überhaupt nichts, denn ich warte ja sozusagen meta, nur auf euch, nicht auf das Essen, denn dort esse ich nicht, so betrunken kann ich gar nie sein. Aber doch ziemlich, und so schlafe ich nach wenigen Minuten im Zug schon wieder, stehe dann gerädert und reichlich volltrunken an der Bahn nach Hause, einmal umsteigen noch, und das an einer Haltestelle, an der ich am liebsten ausgestiegen bin, weil Du dort wohnst, und da setze ich mich dann auf eine Bank und lasse Bahn um Bahn an mir vorbeiziehen, weil mir die Kraft fehlt, um Kraft zu sammeln, weil mir die Energie fehlt, um meine Energie zu leiten, und es ist längst heller Tag, als ich auf irgendeine Weise in der Bahn lande, dann auf dem Fahrrad und schlußendlich höchst unelegant absteige und die paar Meter am Schutzmann auf der Brücke vorbeischiebe, denn ich kann mich an keine Grenzen mehr erinnern, weiß aber, daß es sie gibt und daß ich sie heute nacht alle reißen würde. Der Schutzmann wiederum schaut nur von der Brücke hinunter auf die Autobahn und telefoniert oder funkt nach unten, wo Blaulicht flackert und irgendjemand Hütchen einsammelt. Ich stelle mich kurz dazu und schaue ebenfalls, bis er mir ebenso freundlich wie bestimmt sagt, ich solle mich nach Hause scheren, und üblicherweise würden gerade die Leute, die ihm quasi vor die Nase und vom Fahrrad fallen, etwas eindringlicher begutachtet. Es ist irgendwas an diesen Nächten, das mich schützt, und so danke ich, steige auf und radle davon, bringe das Rad in den Keller und mich ins Bett, auch wenn ich im Hellen nicht schlafen kann und meinen Rausch aussitzen, -stehen und laufen muß.

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Wie Du mir Glück bringst, Glück bedeutest. Wie ich unter den Schlägen taumle, die ich mir selbst verpasse, irgendwie, und wie Dein Trost sie dämpft und den Schmerz auflöst. Du bist super, schreibe ich irgendwann nur noch, weil ich gar nichts mehr, gar nicht mehr sagen kann, und wir versprechen uns den nächsten Tatort und das nächste gemeinsame Abendessen, weil das unser Ritual ist, weil damit alles begann. Das Glück in den Alltag tragen, hast Du gesagt, von der Leiter herunter, mit den Fingern voller Farbe und dem Gesicht voller Lachen, und ebendas tun wir jetzt, stellen uns die Küche vor und das Sofa, den Tatort und die Gitarre, das Badezimmer und uns selbst in diesen Räumen, unsere Dinge in den Schränken, Du und ich und Wir, Herrgottnochmal, das muß doch. Alles wird gut, sage ich meinen Refrain auf, meinen Deal mit dem Universum für dieses Jahr, und Du lächelst ein Versprechen.

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