Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

04.02.13, 18:06 | 'Ansatzlos'
Der Moment, als ich an der Tankstellenkasse bezahle, mit Schlüsseln jonglierend, telefonierend und lächelnd, und mich der junge Mann an der Kasse anfeixt, ob ich einen Kaffe dazu möchte, und ich grinsend abwinke, während ich weiter beschwichtige und beruhige.

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Der Moment, als sie mitbekommt, daß der Auftritt ausfällt, auf den sie sich so gefreut hat. Als ihr das Gesicht einfriert, entgleist und sie sich mühsam wieder in den Griff bekommt.

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Der Moment, als wir lachend aufeinander zu tanzen. Als mir klar wird, daß ich jetzt gehen muß, und nicht noch eins trinken.

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Der Moment, als ich meine kalten Hände sehe, die Finger wie Klauen, denen der Wind die nasse Folie entrissen hat, während meine Füße den Boden verlieren, der Mais unter mir bröselt und ich mich winde und krümme, um vier Meter tiefer nicht auf dem Rücken zu landen.

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Der Moment, als ich die schweren Stiefel abstreife und einen wohligen Schmerz in den Fußsohlen verspüre.

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Der Moment, in dem ich noch einmal auf das schwarze, stumme Telefon sehe, auf das weiße Leuchten in der Ecke hoffend.

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Der Moment, als ich absage, so leid es mir tut.

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Der Moment, als ich von seinem Unterrock rutsche und unsere schöne Pyramide vermassele.

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Der Moment, als die Tänzerin ihr Bein auf dem Geländer neben mir dehnt und mir zulächelt.

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Der Moment, als ich auf den Bühnenboden falle, das Glas emporgereckt, und wieder hochgerissen werde von dem, dem ich eben entglitten bin.

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Der Moment allein an der Bar.

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Der Moment, als ich in die Stiefel steige und mir seine riesige Jacke überwerfe, um den Sonntagsdienst zu versehen, langsam durch den Stall zu laufen, Futter zu schieben, Kühe zu beobachten, ruhig und sicher und gewiß.

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Der Moment, als ich ihren Dank lese. Ihre guten Wünsche. Du bist einer von den Guten, sagt sie.

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Der Moment, als ich mich niederlasse, an diesen großen Tisch, zu dieser Familie, zu denen, die immer ein Lachen für mich haben.

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Der Moment, als wir in Dreierreihen die Straße entlanglaufen, in jeder Reihe den Mittleren untergehakt, die Füße auf dem Boden schleifend.

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Der Moment des Erwachens, wie ein täglicher Schlag.

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Der Moment, in dem sie ihre Hand auf meine legt und sagt, daß man durch muß, und in dem ich begreife, daß sie mit mir durch alles gehen wird.

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Der Moment, in dem ich die Lautstärke zurücknehme. Einfach so. Flüstermusik.

Rauchzeichen




die stille   |   04.02.2013, 18:47   |  
was ist das leben? eine aneinanderreihung von (besonderen) momenten und irgendwas dazwischen. du hast einen blick für diese momente, du siehst, fühlst und hörst hin. das ist schön. auch, wie du darüber schreibst.

texas-jim   |   05.02.2013, 09:15   |  
Haben Sie Dank.
Ich hätte gern noch ein wenig mehr vom Leben.

die stille   |   05.02.2013, 13:25   |  
Und wovon hättest Du gern mehr?

texas-jim   |   05.02.2013, 14:59   |  
Gute Frage. Die Momente reichen mir einfach nicht.
Mitrauchen
 

die stille   |   05.02.2013, 13:27   |  
Ich habe gerade ein schönes Zitat gelesen, das ich Dir hier lassen möchte. Das geht so:

Wenn du niedergeschlagen bist, wenn dir die Tage immer dunkler vorkommen,
wenn dir die Arbeit nur noch monoton erscheint, wenn es dir fast sinnlos erscheint,
überhaupt noch zu hoffen, dann setz dich einfach auf’s Fahrrad, um die Straße herunterzujagen, ohne Gedanken an irgendetwas außer deinen wilden Ritt.

Arthur Conan Doyle - Scientific American (1896)

da gelesen:
http://kalipe.twoday.net/?day=20111006

texas-jim   |   05.02.2013, 14:59   |  
Ich radle lieber ohne Straßen. Aber sonst sehr treffend. Haben Sie Dank.
Mitrauchen
 


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