Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

20.11.08, 18:07 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
An meinem letzten Tag warten die Pferde schon am Gatter, als ich ankomme. Es ist dunkel und stürmisch, und ich schnüre meine Schuhe im Auto statt davor.
Ein Galopper scharrt mit dem Huf und schnorchelt. Oder schnaubt. Ich laufe zum Viehstall, wo die Rinder, die ich allesamt Esel heiße, das Ladegerät umgeworfen haben. Die Zündung piept nicht einmal, ich habe also Pause. Bringt meinen Ablauf völlig durcheinander, den ich mir so hübsch gebastelt habe. Normalerweise laufe ich im Dunkeln zur vorderen Tür hinein in den Viehstall, und wenn ich die hintere Tür aufstoße, ist es schon hell und ich kann über den Hof schauen, die Abhänge mit den Obstbäumen erkennen und dem Nebel zuschauen.
Die Pferde lassen mich nicht kehren. Sie drängen sich alle so dicht um mich, daß ich nicht ausholen kann. Eine der Damen zerrt an meinem Ärmel, eine andere legt den Kopf auf den Besenstiel. Die anderen warten ab. Wissend.
Ich muß dann doch grinsen und höre auf zu grummeln. Die Leitstute bleckt die Zähne. Ja, striegeln, bürsten, klopfen, anlehnen, ich bin auch dafür. Ungeduldig zupfen sie an meinem Zwiebelwärmer, bis ich ihn absetze und in die Tasche stopfe.

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Am Montagabend Augenhaken. Mir wird ganz elend, auch wenn das Kalb schon tot ist.

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Die Gräfin steht auf dem Futtertisch, und ich mit dem Bauern im Stroh. Es könnte ja auch einfach mal irgendwas funktionieren.

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Wie bekommt man Blut aus Lederschuhen, frage ich die Bäurin. "Ausleeren", grinst sie, und ich schaue an mir hinunter, herrjeh.

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EuroTier, herrjeh.

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Ich weiß nicht, wieso. Manchmal quält man sich tagelang durch, um herauszufinden, wie das so ist. Ob das denn geht. Und es geht immer mehr, immer länger, immer schmerzhafter, ohne daß es befreiender würde. Verbissener, stattdessen.

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Auf dem Heimweg halten wir in einem Dorf voller Fachwerk. Ein Nähmaschinengeschäft. Werkzeughandel. Und ein Döner. Soße mit wahrer Liebe, steht da, und unser Gelächter und unsere Anzüglichkeiten erspare ich Ihnen.

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Mit dem Verlassenen, zwanzig Jahre älter als ich, trinke ich abends ein Bier, in der kalten Küche, wo ich die Beine unter dem Tisch hochziehe.

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Eine Flasche Wein mit der Landschaftsarchitektin aus Australien und England und sonstwo. Ich bin von hier, sage ich, und mir kommt es vor, als könnte man das hier verstehen.

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"Ich habe ihr zu Dir geraten. Ohne Dich zu kennen. Und jetzt weiß ich, daß das richtig war."

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Ich unterbreche das Spiel, um zu tippen.
"Jetzt setzen wir hoch, der schreibt einer Freundin! Glück in der Liebe..."
Ich grinse, lege die Karten und sammle die Jetons ein. Säuberlich sortiere ich sie wieder in die Fächer. "Glück im Spiel", sage ich grinsend, und jetzt setzen sie niedriger.

Freitagnacht hole ich sie ab, weil das selbstverständlich ist. Samstagnacht nicht. Weil Grüßen selbstverständlich sein sollte. Am Sonntag will niemand mit mir Karten spielen. "Wer soviel Pech hat..."

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Die Leiter steht auf einem Brett. Das liegt auf einem Blechdach. Ich stehe oben und grinse gequält, als der Bauer unten vorbeipoltert. Nicht mal mit den Zähnen könnte ich mich festhalten, nuschle ich nach unten, die Hände voller Akkuschrauber und Metallschienen, die Schrauben zwischen die Lippen geklemmt.
"Ich fang Dich", grinst er und trampelt weiter, und ich glaube ihm.

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Menschen, die nicht essen, sind ihr suspekt.

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Ich esse wie lange nicht, und abends glühe ich vor Hitze. Wie schnell sich der Körper umstellt, denke ich mir.

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Wie Urlaub.
Wochenweises Bauernsein.

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Jetzt, Tage später, denke ich mir, daß ich einen der Anrufe hätte annehmen sollen. Man kann ja auch zu sehr, oder kann man das nicht?

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Zu gern hätte ich einen dieser Berner Sennenhunde. Schlamper! rufe ich ihr über den Hof zu, und sie trottet zu mir und lässt sich herzen. Die Kinder reiten auf ihr, und irgendwann einmal auf dem Esel und dann auf dem Pferd. Dann wird sie alt sein und nur noch auf der Straße in der Sonne sitzen und warten, daß da mal ein Auto kommt.

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Ich stehe in der Eingangshalle, als das Telefon klingelt. Ich melde mich mit meinem Namen und dem komplizierten des Hausherrn. Ich verhasple mich, war ja klar. Nicht mal mehr den Namen und so.
"Stell Dich nicht so an", scheppert es aus dem Hörer, "ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist."
Der Kaffee war sehr dünn, aber das sage ich ihm nicht. Alles in Ordnung, grinse ich, und er lacht, und das freut mich. Geschenktes Vertrauen und so.

Rauchzeichen




lac   |   20.11.2008, 19:57   |  
ich möchte dir mein kompliment aussprechen/schreiben.
wenn ich manche deiner texte lese; rieche ich fast die umgebung, höre dinge die "dort" hingehören, bin den gefühlen, die das schreiben auslösen ein wenig nah (soweit das möglich ist).
ich bin fasziniert, in die welt reingucken zu dürfen, die deine ist.
die liebe zum tun, zur natur, zur technik, zu den menschen denen du begegnest, die durchdringt deine texte, sehr.
(ich rätsel ein bißchen herum; ob du so einer bist, der von hof zu hof zieht, um, wenn einer (der bauer) krankheitsbedingt ausfällt, zu "übernehmen", bis derjenige wieder gesund ist?)

texas-jim   |   21.11.2008, 15:46   |  
Haben Sie Dank!
Ich habe als Betriebshelfer gearbeitet, aber das ist schon fünf Jahre her. Ich gehe aber immer noch Freunden und Bekannten zur Hand, wenn ich gerufen werde. Zu meiner Person gibt es ansonsten noch dies hier.
Mitrauchen
 

strelnikov   |   20.11.2008, 22:41   |  
Bauma 2010

texas-jim   |   21.11.2008, 15:43   |  
Das auch, ja.

strelnikov   |   21.11.2008, 18:23   |  
Wird meine erste und ich freu mich jetzt schon. Sonst nur AgriTechnica bisher.
Mitrauchen
 


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