Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 2. 02 24

02.02.24, 13:06
Zu Ferienbeginn habe ich das Bedürfnis, Geld auszugeben, habe ich Geld und verspüre ich eine plötzliche Erleichterung, die sich wie Geld und Zeit anfühlt. Wohlstand nennt man das wohl. Erste Amtshandlung: Ich lasse die löchrigen Kletterschuhe neu besohlen und bestelle ein zweites Paar, das sich für längere Routen eignen soll. Ein Nachteil des ländlichen Lebens: Für ein Geschäft mit einer soliden Auswahl an Kletterschuhen muss ich anderthalb Stunden fahren. Und dann wieder zurück.

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Ich schleiche noch um das Fahrrad und um den neuen Bildschirm herum. Im Büro habe ich einen dieser Bildschirme jenseits der vierundzwanzig Zoll Diagonale und mit einer dieser neuen, grandiosen Auflösungen, und dann will ich auf einmal nicht mehr recht zurück. Doch vielleicht befriedet mich der Schuhkauf hinreichend.

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Gerade Elektriker habe ich immer für sehr zielsichere, wissende Halbgötter gehalten, wenn sie ohne nachzuschauen Wechsel- und Sparwechselschaltungen in die Klemmen einfädeln und ich ihnen baß erstaunt zusehe. Ich muss mir ja immer alles aufzeichnen, alles überlegen. Nun sehe ich die Arbeit eines Elektrikers, der ein in der Wand angebohrtes Kabel mit riesigen Lüsterklemmen flickt und eine hinten aufgeschnittene Kiste drüber an die Wand dübelt. Dass er mit einer etwas wirren Türöffnerschaltung mit Alarmmelder, Zeitrelais und Fingerabdrucksensor nicht gleich klarkommt, sei geschenkt, wenn ich dran denke, wie lange ich an einem Abend einst drüber sinnieren musste, bis alles funktioniert hat. Nun schafft er es, zwei Mal ein falsches Relais zu verbauen. Erst ein Stromstossrelais, was bedeutet, dass ein Druck auf den Türöffner den Summer so lang betätigt, bis man ein weiteres Mal drückt. Ich versuche am Telefon, das zu erklären, aber irgendwann gebe ich auf. Als Ersatz bekomme ich ein Industrierelais, das mit kleinen Steckkarten für die richtige Funktion eingestellt wird. Das ist sehr clever, ich bekomme aber die falsche Karte. Ich stelle dann fest, als ich selbst zum Baumarkt fahre, um das korrekte Relais zu kaufen, dass ich gleichzeitig belustigt und wütend und ermüdet sein kann, und tatsächlich gefalle ich mir so ganz gut, mit innerer Spannung in einer lachenden Hülle unter atmosphärischem Druck.

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Immer öfter der Gedanke, was schon passieren soll. Es kann, natürlich, immer alles passieren, doch freue ich mich immer öfter daran, jemandem etwas mitzubringen, etwas Süßes, eine Kleinigkeit. Was soll schon passieren, und so stehe ich dann in einer Gruppe von übermüdeten Jugendlichen in Schlabberklamotten, die für ihre Fahrprüfung vermutlich schulfrei haben. Irgendwo ein Mann, der seine Führerscheinfragen auf Rumänisch haben möchte, und einer auf Türkisch, der im Baustellenanzug seiner Firma erscheint. Ich mache einen kleinen Fehler, der mir vermutlich ewig im Gedächtnis bleiben wird, ich vertippe mich nämlich bei der Frage, wie weit Ladung über das Heck des Fahrzeugs nach hinten hinausragen darf, ohne gekennzeichnet werden zu müssen, und schreibe hundert Meter statt einskommanullnull, wie ich es in den Übungsbögen immer gesehen habe. Ich bin dann wieder so leicht belustigt in meiner Unzufriedenheit, und vielleicht mache ich mir das auch einfach zur Grundhaltung.

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Mentor soll ich nun sein, und ich habe das Gefühl, als wäre ich sehr lang einen Berg hinaufgestiegen und ginge nun bergab, und alles was ich dafür tun muss, ist, jeden Schritt zu machen und keinen zu verstolpern. Was soll schon passieren, denke ich, dabei muss ich doch nach wie vor noch laufen und vielleicht in keine Schlucht stolpern. Wer weiß, ob es nicht irgendwo da unten auch schön sein kann, denke ich dann beschwingt. Wie seltsam angstfrei man laufen kann, wenn Takt und Last passen.

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Ich überlege kurz, was schon passieren soll, und dann schreibe ich doch meine Bedenken einfach auf, dass ich in manchen Gruppen auch als Mann nicht allein sein möchte. Ich bekomme Herzchenaugen zur Antwort, und ich werde nicht allein sein. Nun also ein Grundkurs in Yoga, denn was soll schon passieren, außer dass die Geifernden noch mehr zum Geifern haben. Ich möchte mehr lachen als ihr, denke ich, und irgendwo habe ich noch eine alte Isomatte liegen, die ich einst zerschnitten habe, als ich noch an der Ausrüstung gefeilt habe, für Touren, die ich mich dann viel zu selten nur getraut habe. Was soll schon passieren, wenn ein alter Mann zum Yoga geht, und ich denke tatsächlich an die schicken Galaxy Pants, die erst die Frauen, und dann die ganz ganz guten Männer an den Kletterwänden trugen.

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Eine Prüfungsfrage wird mir bleiben, und zwar die nach dem geeigneten Kartenmaßstab für eine Tour von Hamburg gen Rom. Terminfracht in aller Herren Länder, murmle ich, weil wir das früher so gesagt haben, wenn wieder einer irre Wege fuhr, weil irgendeine ihn mehr zog als zehn Gäule ihn hätten halten können. Vielleicht fahre ich ja auch einmal nach Rom. Was soll schließlich schon passieren?

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Vielleicht steigt mein innerer Aktienkurs?
# |  Rauchfrei | Gas geben