Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 4. 03 16

04.03.16, 17:39 | 'Keep on ploughing'
Wir sind am Werkstor verabredet, und ich komme von einem frustrierenden Schreibtischtag voller ungewollter Infs und NaNs, mit der Gewißheit, daß es nicht reicht, daß ich nicht reiche, daß es Juni werden wird, auch wenn ich alle Nächte arbeite, und Du kommst von einem netten Gespräch mit einem, der wirklich was zu sagen und wirklich was zu erzählen hat. Sieht wie ein Traumjob aus, denke ich etwas neidisch, als wir im Auto durch die Stadt fahren. Aber daß es nur so aussieht, weiß ich natürlich.
Wir schauen uns Möbel an für Deine neue Wohnung, und ich wundere mich, wie lange ein Teppich braucht und wie wenig Zeit eine Couch. Ich kann nicht so gut mit Möbeln, glaube ich. Aber wir sind uns einig mit den Gartenmöbeln und mit der ramschigen Anmutung mancher Schränke.
Ich wundere mich selbst, wie ich mittlerweile ansprechen kann, was mich bewegt. Ich denke immer noch sehr lange nach, aber ich spreche auch. Nicht im Auto bitte, sagst Du, und ich nicke. Wir parken irgendwo im Parkverbot, laufen die stadttypischen Treppen hinunter in eine der Kneipen, die teuer und laut sind und sich allein dadurch gern für weltstädtisch ausgeben. Wir essen Salat und Couscous, und nach der Hälfte tauschen wir die Teller. Ich trinke ein Bier zum Essen, ich breche mein Fasten, ich werde die Watte im Kopf noch brauchen, fürchte ich. Wir reden und trinken noch eins. Du drückst Deine Hände zwischen die Rohre des Heizkörpers neben Dir. Irgendwann, ich denke gar nicht recht drüber nach, ich folge einfach dem Fluß des Gesprächs, frage ich noch einmal. Ich wiederhole, was ich mir denke: Daß ich verstanden werden will von denen, die ich mag. Daß ich gern nicht verstanden werde von denen, die mir egal sind. Daß ich umgekehrt auch verstehen will. Daß ich nicht mehr weiß, wo ich jetzt bin zwischen dem "Mach bitte weiter" und dem Gefühl, daß Du Dich entfernst. Deine Augen schimmern, Du blinzelst Tränen weg. Ich nehme eine Deiner Hände, der Heizkörper hat sie nur außen angewärmt, von innen drückt Kälte nach, und ich versuche, die Wärme zwischen unseren Händen einzuschließen. Dein Telefon blinkt, und einmal vibriert es. Ich kenne selbst die Namen schon, die auf dem Bildschirm erscheinen. Da war was, sagst Du. Da war jemand. Vor einem halben Jahr. Zehn Jahre lang. Und dieser nächtliche Kaffee neulich. Du bist nicht drüber weg, Du weißt nicht, ob es war oder noch ist.
Ich stecke das weg, ich weiß nicht, warum. Ich taumle nicht, ich schwanke nicht einmal sonderlich, als ich zur Toilette gehe. Nur nicht in den Spiegel sehen jetzt. Ich gehe zurück und atme tief ein. Ich breche mir jetzt selbst das Genick, sage ich, und so fühlt es sich auch an. Ich wußte nichts. Ich will Dir nicht wehtun. Ich will nicht, daß Du Dir wehtust.
Übersprungshandlung soll ich also keine sein. Verletzt soll ich nicht sein. Ich presse mir ein Lächeln ab, vielleicht ziehe ich es auch mit den Händen ins Gesicht. Ich muß ja den Kopf sowieso festhalten. Genickbruch. Nein, sage ich. Mach Dir keine Sorgen, ich verletze mich selbst. Ich weiß nicht mehr genau, was ich noch alles sage, aber es klingt sehr sinnvoll, denke ich. Ich kann mir fast selbst glauben, ich weiß nur nicht mehr, was ich sage. Ich beschwöre meine Zähigkeit, als wäre die irgendjemandem was wert.
Die Musik ist schon aus und die Gläser sind geputzt, als wir aufbrechen. Ich nehme Dich in den Arm, glaube ich. Mit gebrochenem Genick bestehe ich nur noch aus Glauben. Wir holen noch meinen Rucksack aus dem Auto, und vor Deiner Tür sehe ich auf mein Telefon. Die nächste Bahn fährt um fünf. Das wird ein langer Marsch, sage ich, und Du sagst nichts. Öffnest die Haustür, gehst die paar Stufen nach oben. Die Wohnungstür. Komm. Ich stehe im Flur. Ich kann auf dem Sofa schlafen, sage ich. Das steht unschuldig in der Ecke und ist voller Papiere. Bücher, Dokumente, Drucksachen. Dann steige ich die Leiter hinauf, Dich im Arm schlafe ich ein und wache von Deinem Wecker wieder auf, Dich im Arm. Ich streiche Dir über den Rücken, dann stehen wir auf. Das Bad ist besetzt, wir stellen uns an den Herd und schauen dem Kaffee zu. Dein Kopf an meiner Schulter, und wenn Du Dich anlehnst, dann hält plötzlich mein Genick den Kopf wieder hoch. Auf dem Sofa trinken wir Kaffee. Es ist still, Dein Kopf liegt an meiner Schulter. Ich muß, sage ich, als müsste ich.
Am Bahnsteig lese ich Deine Nachricht.
Ich antworte mit den Helden. Ich weiß um Deine Monster, schreibe ich. Ich trag Dich, so weit wie ich kann.
Kannst Du mein Monster halten, fragst Du.
Ich sang die ganze Zeit von Dir, antworte ich mit einer ganzen Strophe. Ja, ich kann, schreibe ich noch.
Dann sind wir still. Ab und an schwillt das Entsetzen in mir an, erdrückt mich von innen, presst mir das Herz an die Rippen, drückt mir den Kopf vom gebrochenen Genick. Mir wird übel vom Bier, vom leeren Magen, vom Ensetzen. Ich denke dann, daß Du noch nicht drüber weg bist, daß es noch nicht vorbei ist. Ich halte dann die Luft an und drücke gegen das Entsetzen an. Ich habe Dir den ganzen Weg versprochen, sage ich mir. Ich habe mir meine eigene Zähigkeit eingeredet. Und was ich ganz vergessen habe: Ich kann so furchtbar schlecht nachgeben. Dann mal los.
# |  2 RauchzeichenGas geben


04.03.16, 10:32 | 'Blonde on Blonde'
[ “What do you believe, then?” I countered.
“I believe that life is a mess,” he answered promptly. “It is like
yeast, a ferment, a thing that moves and may move for a minute, an hour, a year, or a hundred years, but that in the end will cease to move. The big eat the little that they may continue to move, the strong eat the weak that they may retain their strength. The lucky eat the most and move the longest, that is all. What do you make of those things?” ]
{Jack London, The sea-wolf}

One of the first books I've read during children's years. One of the first ways to look at life in its harshness, in its pure and brute and overwhelming and terrifying force. It took some time until it came to my mind that this reading of the great mystery of life is also a very particular way of reading its beauty: Life does not surrender, neglecting its finiteness until its end, and life makes you know about its very own irony, makes you able to laugh at it, yet it does neither allow to overcome itself nor resolve some kind of solution from infiniteness, just like dividing by zero. In famous words: Man can be destroyed but not defeated, to quote the Old Man and the Sea. There is no such thing as unbearability - there isn't even a word for it - as you can still bear it. Life in its beauty and its terror is simple: being alive as a present, and being alive as an unconditional duty.
# |  Rauchfrei | Gas geben