Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 12. 11 13

12.11.13, 17:46 | 'Press any key to reboot'
Leute wie ich sterben im und am Glauben an ihre eigene Unsterblichkeit.
# |  2 RauchzeichenGas geben


12.11.13, 14:18 | 'Dying to say this to you'
Jeder Tag so voll. So atemlos. Doppelt belegt.

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Um einen platten Reifen herum schreiben wir hin und her.

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Wie es den Kleinen in die große Stadt zieht. Wie er scheu wird und zutraulich. Wie er groß werden wird, wenn er nicht mehr siezen muß.

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Spät dran, ich falle ins Bett.

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Drei Decken.

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Für uns geht immer ein Wecker.

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Zu einfach vielleicht. Selbstbetrug des schwer erarbeiteten Erfolges.

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Zehn Eier, ein Kilo Joghurt, und Schnaps dazu.

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Wir werfen mit Dachziegeln.

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Maschinen putzen. Ich stelle den Hochdruckreiniger so ein, daß ich zwar naß, aber nicht kalt werde.

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Ich finde keinen Parkplatz hier.

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Aus dem ersten Stock Licht, Gelächter, Stimmen. Herzklopfen bei dem Gefühl, eingeladen zu sein.

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Wie immer gehemmt.

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Der Betrunkene mit dem rasierten Schädel taxiert mich. Dann lächelt er. Ich enstpanne mich ein bißchen.

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Die Ultraläuferin drückt an meinen Armen herum. Diese Venen! sagt sie, und ich widerstehe dem Drang, mich zu entziehen. Ich mag ja berührt werden. Also lache ich, und mein Trainingstip mit dem Melken geht im Lärm unter.

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Einer tanzt.

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Ich falle ins Bett. Falle wieder heraus.

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In meiner teuren Regenjacke mit dem großen Rucksack und den Ohrhörern sehe ich aus und kann mich nicht entscheiden, ob ich mich mögen würde.

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Klettern und reden, und ich sehe zu, wie sich ihr Körper wunderbar spannt.

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Wäsche zusammenlegen. Backen. Küche aufräumen. Das normale Leben.

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Ich kredenze Selbstgebackenes, und dann müssen wir auch schon los.

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Wie schnell ich mich daran gewöhne, wieder gemeinsam zu schlafen. Es muß das Alter sein, oder ist es die Zahl der Schläferinnen, oder vielleicht bin ich auch einfach nur müde.

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Es ist das Gitarrenspiel an sich, das mich motiviert, wo ich schon aufgeben wollte. Deshalb brauche ich Unterricht. Den regelmäßigen Schubs zum Üben, das regelmäßige Hören dessen, was ich selbst spielen können will.

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Großeinkauf mit Auto, und endlich einmal nicht auf den Rucksack achten.

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Dann sitze ich sehr lange im Auto und telefoniere, bis mich das Netz trennt. Eine schöne Stimme hast Du, denke ich. Eine, in die ich mich verlieben könnte. Dann das Pferd, der Weg, das alles.
# |  Rauchfrei | Gas geben


12.11.13, 13:30 | 'Night after night'
Und dann stehen wir an einem Bahnsteig, umschlungen, und die Wärme zwischen uns mildert nicht die Kälte, sondern nur die Körperfläche, die der Kälte ausgesetzt ist, und vielleicht funktionieren Menschen so, vielleicht darf ich nicht so schnell an Abschiedsbriefe denken, vielleicht darf ich nicht so schnell glauben, daß sich meine Zuneigung nicht messen kann, daß sie vielleicht eigensüchtig ist, diese Wärme und Liebe aufsaugt und viel zu wenig davon geben kann, daß ich ein verfluchter Holzklotz bin, wenn ich das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen sehe, immer, immer sind sie so glücklich mit den kleinen Happen, mit denen ich sie füttere, und dann komme ich mir falsch und schlecht vor, weil sie mit vollen Händen geben und mit so wenig zufrieden sind, weil ich nehme und nehme und nicht satt werde und nur so wenig geben kann, weil meine Aufmerksamkeit mäandert, weil mein Kopf mir immer dazwischenredet und fragt. Kann sie mithalten, fragt er, und kannst Du aushalten? Willst Du, will sie, und was, wenn nicht? Kann sie, kannst Du was Besseres bekommen? Etwas, das Dich schmückt, eine Trophäe Deiner Jagd, und was bist Du eigentlich für ein Arschloch, daran zu denken, während sie Dir bedingungslos Ihre ganze Liebe nachträgt, aber vielleicht ist eine Trophäe auch kein Schmuck, sondern ein Symbol der Anstrengung, und angestrengt muß ich doch sein, will ich sein, das muß von Dir kommen und an Dir liegen, Du musst mich anstrengen, fordern, arbeiten lassen, für Dich als Ziel. Letzten Sonntag lernte ich jemanden kennen, die mir von ihrem Hund erzählte, von seinem Arbeltsbedürfnis und wie sie das befriedigen möchte, und manchmal sehe ich mich ja als Labrador.
Ich koche für Dich, denke ich, und esse dann selbst viel mehr. Ich fahre zu Dir, denke ich, und mache doch nur einen Umweg auf dem Weg nach Hause. Ich spüre Deine Fingernägel in meinem Rücken, aber mehr noch spüre ich mich selbst in Dir. Ich muß hier weg, denke ich dann, ich will Dir nichts nehmen. Dich nicht beschädigen, Dir nichts abverlangen. Und ich weiß doch, wie ich wirken muß, wenn ich so abwesend bin, plötzlich aus meiner normalen, lächelnden Begeisterung heraus, wenn mich das Denken überkommt, und wie frustrierend es sein muß, daß Du dann ein Rad schlagen könntest, und ich bliebe doch mit mir beschäftigt. Ich kenne ihn selbst, meinen schätzenden, wertenden Blick, der Dich verletzen könnte mit dem, was ich dann denke, und dann frage ich mich doch wieder, ob ich mich dafür verurteilen kann, Muskeln zu mögen und langes Haar.
Ich will ehrlich sein, habe ich gesagt, und doch ist das gar nicht möglich. Wie will ich Dir erzählen, was ich selbst nicht begreife? Wie will ich alle Geschichten auf einmal erzählen? Es sind doch immer die selben, die ich erzähle, als Beispiel für mich, als Hinweis für Dich. Schau, sagt die Geschichte meiner unfreiwilligen Kranfahrt, da ist einer, der sich ans Leben klammert, der aber trotzdem lachen kann, wenn es schief geht. Und sieh, sagt die Geschichte von der Ninja im Graben, da ist einer, der verdammt viel Hurra haben kann, aber manchmal auch verdammt wenig Verstand. Ich warne vor mir, und das zieht Dich an.
Ich will ruhig bleiben, mir eine Chance geben, es überhaupt angehen lassen, und doch habe ich das Gefühl, schnell und schneller weg zu müssen, wie immer. Denn am meisten mag ich doch, so scheint es, das Vermissen. In dem kleinen, gestreckten Altbaubadezimmer neulich, da hingen an der Tür Hesses "Stufen", und die gefährden mich ja immer, weil ich zu gern auf dem Sprung bin, zu schnell und zu hart mit der Säge, mit dem Beil, das zertrümmert und trennt.
# |  3 RauchzeichenGas geben


12.11.13, 11:34 | 'looking at the world over the rim of my tea cup'
# |  4 RauchzeichenGas geben


12.11.13, 11:34 | 'Tonales Hoeren'
Der "norddeutsche, depressive Gebrauchslyriker", wie er sich nennt, wieder und wieder, und wie er vom Visions-Forum redet und von seiner Frisur, die immer in irgendwelchen "Blogs" auftauche, und er sagt das mit nur angedeuteten Anführungszeichen, denn dieses Andeuten von Anführungszeichen, das gehört zu seiner Ironie, zu seinem Abstand vom Gesagten, genau wie die Geschichte von der Reise durch das Land der Vollbeschäftigung, vom ebenso verächtlichen wie liebevollen Betrachten des ach so langen Wochenendes, von dem Fünfzigjährigen, der ein Foto mit ihm wollte, aber nicht wie ein Groupie aussehen, bitte.
Ich komme mir immer wieder komisch vor, wenn jemand "Blogs" erwähnt, ich fühle mich irgendwie ertappt und schaue mich um. Das da sollen also Blogger sein? Die Herren hinter mir, die sich über ihren Arbeitsweg unterhalten, zwei Stunden lang, und sich am Ende die Hände schütteln und sich gegenseitig nach dem Namen fragen, wie schön. Der junge Herr vor mir, der ein Mädchen in den Arm nimmt, immer wieder küsst er sie, und ich tue das Gleiche, nur mache ich das nicht, solange da vorne einer steht und singt.
Manchmal spielt er auch, und es freut mich, zu sehen, daß er immer nur den gleichen Akkord zu spielen scheint. Immerhin einen, den ich nicht kenne, und auch die Lieder kenne ich alle nicht. Ich erkenne nur seine typische Stimme wieder, die fast an eine Kopfstimme grenzt, hell und klar und leuchtend wie die Bilder, die seine Texte in meinem Kopf malen. Und ich wundere mich ein wenig, wie es mich früher gestört hätte, die Texte nicht zu kennen, nicht mitsingen zu können, und ich ertappe mich dabei, wie ich dem Chor des Publikums nur zuhöre, nur lalala mitsinge manchmal, und außerdem stehen wir sowieso direkt vor dem Mischpult, wegen der Sicht und des Tons, der dann doch zwischendurch ganz furchtbar wird, weil sie das BoomBoomBoom übertreiben oder billige Lautsprecher haben, jedenfalls kratzt es ganz furchtbar, wie eine viel zu kleine Heimanlage auf einer zu groß und zu wild geratenen Party. Ich drehe mich kurz um und erschieße den Mischmeister mit meinem Blick. Der schaut ganz beseelt woandershin, und ich bin mir sicher, daß da jemand seinen Beruf verfehlt hat.
Die Keyboarderin ist jung und wird von ihrem langen Haar verdeckt, sie sieht asiatisch aus und wird dann als Julia vorgestellt, wie er überhaupt mit einer Freude, die man dem "norddeutsch-depressiven Gebrauchslyriker" ansieht und abnimmt, seine ganze Band mehrmals vorstellt, zwischendurch, wie er überhaupt alle seine Scherze wiederholt, abwandelt und überhaupt nicht nervt damit, weil man eben nie so genau weiß, ob zwischen "norddeutsch" und "depressiv" jetzt ein Komma oder ein Bindestrich stehen soll, und welchen Unterschied das jetzt macht. Nuancen, denke ich, und dann werde ich wieder, vom Delta zur Quelle, von überquellenden Bildern erschlagen, und es muß ja nicht immer subtil sein, aber Subtext kann man auch durch Farbe und Fülle erschlagen, denke ich dann. Daß er rockt, denke ich zwischendurch auch, und daß das so gut passt, der Gesang und der Rock, und wieso das sonst kaum einer hinbekommt, und wieso müssen Madsen eigentlich so schreien, oder die Beatsteaks, und dabei passt das ja auch noch bei denen, aber ganz anders irgendwie.
Ich formuliere Abschiedsbriefe, ich spüre meine alten Beine vom vielen Stehen, ich trinke ein Bier aus einem Plastikbecher, und am Ende bin ich nur ganz leicht angeschwitzt, habe mich kaum bewegt, kaum gesungen, dafür ausdauernd geklatscht und mich sehr beglückt gefühlt.


Und es passt zu meiner Ironie, daß das Bild - Du flehst in Telefone, jaja, Lieblingslied - die Vorband zeigt, den grandiosen Rob Lynch, von dem ich in der Umbaupause gleich eine CD kaufe. Ich sage ihm, daß ich sie wegen "My friends & I" kaufe, weil ich den Namen des anderen Supersongs vergessen habe ("Hawking"), und einen Tag später finde ich es selbstverständlich in diesem Internet, das mit den Blogs, und ich finde, wie schon bei Maike Rosa Vogel, die Texte nicht mehr, und irgendwie freut mich das schon ein wenig, jetzt doch Indie zu sein irgendwie, denn vielleicht ist es das, Musik zu lieben, von der keiner die Texte ins Netz klatscht, aber vielleicht ist das auch sehr schade, denn es ist sehr hörenswerte Musik, die mehr Leute kennen sollten, mehr Leute hören sollten, damit auch die Vorband ihre Miete bezahlen kann und sich weiter solche Lieder ausdenken kann, mit
"My friends & I
We got a lot to live for
My friends & I
We live the beatiful life"
mich glücklich und zufrieden macht, und auf dem Heimweg sagt das Mädchen neben mir, daß sie vergessen hat, diese CD auch zu kaufen, und dann habe ich doch keine Hemmungen, meine in ihrer Handtasche zu lassen und zu sagen, Kopier sie doch, Mädchen, deshalb laufen wir jetzt nicht mehr zurück. Und dann sitzen wir nebeneinander in der Bahn, und sie fragt nach meinem Grinsen. Es ist der Londoner Akzent in diesem Lied, sage ich, wie er "Noe, Noe, noe" singt, und wie ihm das schwäbische Publikum antwortet: "Noi, noi, noi", daß ich fast mein Bier verschüttet hätte vor Lachen. Hano.
# |  2 RauchzeichenGas geben