Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Donnerstag, 9. 06 11

09.06.11, 00:47 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Trauung, Taufe, Geburtstag, knapp eine Stunde. Ich mag die Norddeutschen.

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Die Vögel an der Steilküste. Und die Steilküste, die mal eben zehn Meter gewandert ist.

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Der höchste Berg des Fischlands. Und die drei Bilder, die drei wunderschönen, von uns, und ich bin gar nicht darauf zu sehen.

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Unser gemeinsames Frühstück. Unser gemeinsames Essen. Das behutsame Abspülen, während Du schläfst.

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Der spitze Stein im Fuß. Die Soße auf dem Kleid. Der Sonnenbrand. Mein wilder Kriegstanz. Und wie wir am allermeisten über uns selbst lachen können.

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Wie wir am frühen Abend einfach einschlafen.

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Sand in der Sahne.

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Vor zwölf kein Eis.

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Kampf den Körnern.

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Es schält sich eine Idee heraus. Ein Ziel, ein Weg. Ich brauche immer ein Ziel. Dann finde ich überall hin.

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Eine elektrische Kühlbox, und ich warne mich davor, jetzt doch übermütig zu werden.
# |  2 RauchzeichenGas geben


09.06.11, 00:41 | 'Das Auge des Betrachters'
Ja, ich sollte, ich weiß doch. Aber gerade, gerade eben ist die Festplatte voll, nach ewigem Betrieb, und ich muß da mal eben aufräumen und umschichten und mir ein Konzept machen für die Daten vom Studium, die ich lesbar halten will, um sie nie wieder zu lesen.

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Außerdem ist da die Bremse vom Rad. An der hatte ich neulich, weil die Königin der Dreikaiserberge am Schreibtisch saß und Ruhe brauchte, mal eben so auf der Terrasse die Beläge angeschaut. Aufgerauht, geputzt, Kupferpaste, geschmirgelt, Schaltungsröllchen zerlegt, Oh! ein Keramiklager! und wie war nochmal gleich die Kette, und Hoppla! der Bremskolben, herrjeh, und seither war die Bremse technisch einwandfrei, nur eben mit Druckluft statt mit Öl, und dann wird man hier im Städtchen ja schon komisch angeschaut, wenn man die größte Spritze haben möchte, aber noch komischer schauen einen die Weißkittel an, wenn man von DOT4 erzählt und vom Entlüften und vom Fahrrad. Hustenbonbons dazu? fragt er, Oder was für den Sonnenbrand? Ich verneine und gehe, und bis ich dann den ollen Schlauch auf die Riesenspritze gedrückt habe, braucht es schon alles, und den habe ich ja ursprünglich fürs Synchronisieren der Vergaser besorgt, und seitdem steht die Große ja auch im Schuppen, weil - ja, wieso eigentlich, und was wollte ich eben sagen? Die Tage ziehen vorbei, das Frühjahr ist weg, die neuen Traktoren sind da, das Rad ist eingesaut und der Mais gedeiht, dem macht die Hitze nicht viel, und dann ist ja schon bald Sonnwend. Und Urlaub war auch.

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Und dann war da noch das Sportfest, auf dem wir als Tandem Erste hätten werden sollen beim Rollstuhlslalom, was durch einen Schreibfehler nicht geklappt hat, und irgendwie sind wir Dritte beim Speerwurf geworden, was mich auch ziemlich gewundert hat. Aber die Urkunde habe ich ja auch meinem Partner geschenkt, und mir dabei vorgenommen, ab und zu an ihn zu denken, diesen coolen Typen, der sie alle kennt und den sie alle kennen und begrüßen. Und jetzt habe ich ihn schon wieder eine Ewigkeit vergessen, da in seiner Werkstatt, mit den verschlissenen Hosen über den dürren Beinen, und mich nie gefragt, wie er die Knie so durchwetzen konnte in seinem Rollstuhl. Und ich weiß da ja immer nicht recht, ich will das nicht so breittreten, keine Betroffenheit und so, Normalität und so, aber Behinderung ist halt nicht normal sondern eine Behinderung, weil sie einen bei allem behindert, schlicht und ergreifend, und dann der Junge, der seinen Kopf umherwarf, wie man es aus dem Film kennt, und so will ich ja auch nicht darüber schreiben, nicht bagatellisieren, nicht verharmlosen, aber auch nicht aufbauschen. Und da traue ich mich kaum zu sagen, wie ergriffen ich war, daß er mich beim nächsten Sportfest wieder als Partner haben will, weil ich so ein cooler Typ sei, und daß ich das Hemd vom Sportfest so gern im Stall anhabe, so voller Stolz irgendwie, aber das kann man ja auch wieder kaum verstehen. Und dann gab es noch den Nachmittag, als ich nach hause gefahren bin und mir vorgenommen hatte, einmal einen Abend darüber nachzudenken, wie nachlässig ich bin, mit dem Rad und dem Motorrad, mit dem Klettern auf Schalungen und Ruinen, und wie oft ich schon bloß Glück hatte und genügend Blech um mich oder eben genau den richtigen Helm auf dem Kopf, und ganz abgesehen davon jeden Tag so unachtsam mit meinem tollen Leben bin. Und da ist es schon wieder, dieses hässliche Mitleid, das impliziert, man müsse Mitleid haben, man hätte es irgendwie besser und hätte irgendeine Verpflichtung, und irgendwie fühle ich mich genau so, nur daß ich mich nicht traue, das zu sagen, man traut sich ja vor lauter Korrektheit gar nicht mehr, etwas zu sagen. Und daß ich eigentlich am liebsten zum örtlichen Bauunternehmer laufen würde, um ihn zu fragen, was es denn kosten kann, so einen Fußweg neu zu teeren, denn fahren kann da vor Löchern keiner mehr, da kann man ja nicht mal mehr jemanden schieben. Und jetzt schreibe ich wieder so einen Allerweltsbetroffenheitsstuss, der auch wieder niemandem hilft. Ich weiß doch auch nicht.

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Die Frau, die fotografiert werden möchte, um auf dem Apparat zu sehen, wie ihre Haarspange sitzt.

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Mein Ekel, und wie ich mich zusammenreißen muß.

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Wenn keiner mit mir spricht.

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Nachtfahrt.

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Und wie ich immer dann sachlich bleiben kann, wenn ich damit jemanden zur Weißglut treibe. Wie wir dann hundert Kilometer schweigen.

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Das Zimmer mit Tisch und Bett, mit Stühlen, Sesseln, Dachschräge und dem Namensschild eines alten Fischerbootes. Ich bin unruhig hier oben, und das legt sich erst, als ich mich von einem Freund verabschieden kann. Als wir nach der Hochzeit abfahren, fühle ich mich, als wäre meine Arbeit getan. Daß ich wiederkommen werde, wird nur mehr meine Freude sein.

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Am Strand ein Nickerchen. Ein Spaziergang. Ein Museum. Die Promenade. Urlaub für alte Menschen. Dann Mitfahren auf dem Hänger. Birken aus dem Wald schleppen. Die Halle dekorieren. Menschen wiedersehen, die Trecker sagen. Ich strahle die ganze Zeit. Der Bodden. Die kleinen Wege. Der Sandboden. Der Morgentau. Die Pferdekoppel. Wie groß meine Kreise nun sind, und wie klein sie damals waren. Wie ich gewachsen bin in zehn Jahren. Ich habe von der Volljährigkeit bis heute gebraucht, um erwachsen zu werden, denke ich, und dann springe ich doch zu dem Segelschiff, um als erster in die Wanten zu entern und nach Piraten Ausschau zu halten. Und trotzdem.
Ich habe irgendwo auf diesem furchtbar schlechten Plattenweg ein Stück von mir verloren. Es auf all den Äckern vergraben. Ich bin hier nicht fremd. "Wann kommst Du wieder?" zum Abschied. Mein Name unter all den anderen auf der Tafel. Wir finden irgendwo einen Platz und unterhalten uns köstlich. Wir dürfen nicht gehen, bevor ich nicht mit der Braut getanzt habe. Und dann ein wenig rocken, und es bildet sich ein Kreis aus hundertsiebzig Gästen um uns zwei, den Herrn mit Bürstenhaarschnitt und mich und die Stones. Er wird irgendwann eine hübsche Geschiedene angraben, und wir gehen langsam nach hause, während es in dieser Nacht gar nicht ganz dunkel wird. Es bleibt ein hellroter Schein am Horizont, überm Meer.
Manchmal muß man ans Meer fahren... steht auf unserer Karte, und wir geben uns Mühe beim Geschenk und beim Gästebuch, das wir seitenweise vollmalen. "Hier Wegelagerer" schreibe ich, aber ich war nur so fünfzehn zu schnell.
Ich erfahre viel zu wenig.
Die Zwillinge kennen mich noch. Heute sind sie vierzehn.
Die zierliche, kleine Frau und ihr Kleiderschrank mit gebräuntem Gesicht.
Die pummelige Reiterin und der Bootsbauer.
Ich könnte jede einzelne der sonnenwarmen Betonplatten herzen. Stattdessen die Braut.
Ich erkenne im Schauspiel den Bräutigam an der Telefonhaltung.

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Die vielen Unfälle, die vielen am Strassenrand. Tribut an den Stau.

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Und dann ein Anruf, und mir muß man ja nur Brocken hinwerfen. Einen Titel habe ich, jetzt lockt mich nur noch mein Interesse. Meine Maschinennase, die noch in so vielen Maschinen stecken möchte. Wie man mich anfixt. Und wie man mich erdet.
Ich nehme mir zwei Wochen Bedenkzeit und verspreche mir, Fragen zu formulieren. Wo? Wie kommt es dazu? Was kommt dann?

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Werkbank schweißen, Schwader zerlegen, Fahrradwerkzeug zusammensuchen. Wir müssen doch den Bodensee wiederfinden.

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Sie sehen. Ich bin unterwegs.
# |  3 RauchzeichenGas geben