Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Freitag, 17. 12 10

17.12.10, 00:04 | 'Carry me Carrie'
Jetzt bist Du gerade eine Woche wieder hier. Die Entfernung bringt uns näher, glaube ich. Das war früher schon so. Einmal, da bist Du nach Amerika gegangen, und ich habe Dir eine Geschichte über die Erdnuss-Stadt geschrieben.
Vor dem letzten Flug saßen wir hier und haben uns die Köpfe heißgeredet. Und ich habe hinuntergeschluckt, daß ich Dich nicht gehen lassen wollte. Wie ich nie einen meiner Freunde gehen lassen will. Ich habe durchgeatmet und mir alles angehört. Herausgehört, daß Du seinetwegen gehst, daß sich alles um ihn dreht, auch wenn Du ihn nicht erwähnst. Damals saßen wir hier, Du hattest Dich eben erst von einer ganz anderen Last befreit und warst seltsam ruhig. Hast zugehört. Es gab noch keinen Entschluß, und ich hätte mir nie angemaßt, Dich zu drängen. So habe ich nur gefragt. Und mir Sorgen gemacht, irgendwann, als mir die Zeitungen bewußt machen mußten, wo Du bist und wie fern.
Jetzt sitzen wir wieder hier. Du bist zurück, wir lachen, und das kurze Zögern vor der Umarmung, das passt so gut zu uns, daß es mittlerweile dazugehört. Wir lachen über die Laute dieser Sprache, über die Unterschiede, über all das, was Dir dort und mir hier passiert ist. Und zwischendurch immer wieder die Schwierigkeiten, die Unsicherheit, und dieses Glitzern, als sich Tränen in Deinen Augen sammeln. Und obwohl Du eben die Geradlinigkeit lobst, sind wir sehr sanft miteinander. Du Idiot, sagst Du, als ich von Dummheiten erzähle, und da funkeln Deine Augen wieder.
The farmer guy bin ich also, und ich finde das sehr schön, daß Du dort von mir erzählst. Wir stehen im Schnee, stapfen den Hang hinauf, und dieser feine kristallene Puder glitzert im Licht des einzelnen Scheinwerfers am Gipfel. Wir tragen unsere Bretter und die Stöcke, und ab und zu halten wir an, kommen zu Atem und reden. Kommst Du mich besuchen? fragst Du, als wir unvermittelt auf der Piste angehalten haben, auf die Stöcke gestützt im nächtlichen Schneetreiben. Selbstverständlich komme ich. Du hast Dich nicht verstellt, sagst Du. Und daß so viele gegangen sind. Abgerissene Fäden. Während unserer hält, irgendwie. Und die Trostlosigkeit des Hier, die Dich trifft, und der ich die ganze Schönheit meiner Heimat gegenüberstelle. Du sollst es hier mögen, auch wenn Du gehen mußt.
Und dann reden wir von Heimat, von der seltsamen Kraft, die an Dir zieht, ebenso wie an mir, nur Dich zieht sie fort und mich hält sie hier. Und das ist für uns beide richtig. Wir müssen beide suchen. Du mußt gehen und suchen, und ich muß hierbleiben und suchen. Wir suchen unser Glück, wir suchen unser Leben. Und beide sind wir sicher, einen ganzen Teil davon gefunden zu haben. Im selben Jahr sogar. Du mußt entdecken, und ich muß bewahren, und wir müssen uns zeigen und erzählen, und so werden wir nie fremd an uns.
Als ich Dich absetze, merke ich, daß dies hier Deine Abschiedstour ist. Die verschneiten Straßen. Das Auto vor der Garage. All die Freunde, die Du besuchst. Wie Du uns alle ins Herz schließt, bevor Du gehst. Du wirst uns nicht verlieren, denke ich, als ich weiterfahre und die Reifen durch den Schnee scharren. Ich werde auch Dich nicht verlieren. Und ich trage wieder ein bißchen mehr der Dinge, die Du tragen mußt. Ich trage mit Dir. Ich bin Dein Freund.
Mach es gut da unten, denke ich, und räume die Ski wieder an ihren Platz. Mach es gut. Ich wünsche Dir alles Glück und alle Heimat. Zeig sie mir, irgendwann. Ich freue mich auf Dich.
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