"Eine Stunde, fünf Kügelchen. Oder andersrum. Aber das ist nicht so tragisch. Wirkt auch so. Es geht um die Regelmäßigkeit, nicht um die Menge. Oder so. Und obs jetzt drei oder fünf waren. Ach."

Tapfer nehme ich soviel von den Kügelchen, wie mir eben nicht aus der Hand kullern, und versuche, mir nicht blöd vorzukommen. Pfefferminz, denke ich, aber das hilft auch nicht. Kaugummi vielleicht? Naja. Runter damit, wo sind sie denn hingekullert, ach sind ja noch welche im Fläschlein.

Der Deckel ist nach ein paar Stunden braun von meinen dreckverschmierten Händen. In der Handfläche ein heller Fleck, wo ich immer die Kügelchen mit der Zunge aus den Riefen in der Hand pule. Aber Dreck soll ja gesund sein, hols der Teufel.

Erste Auswirkungen zeigen sich. Also, sie zeigen sich nicht, sie sind quasi unsichtbar. Und doch wahrnehmbar, sehr deutlich sogar.
Zum Glück arbeite ich draußen, denke ich.
Und zum Glück steht niemand hinter mir, denke ich.
Vielleicht platzen ja die Kügelchen, und die Geräusche kommen von da? Grinsend arbeite ich weiter, und Lachen ist ja auch Medizin. Oder so.

Wie sie mit dem Büchlein dasteht und meine Beschwerden abfragt. Wo ich doch arbeiten soll! Nach kurzer Zeit habe ich sogar ein Schema für meine Antworten. "Nasensekret" kenne ich nicht, nein. "Rotz und Wasser" sind klar, ja. Und so weiter. Die Farben kannst Du selber bestimmen, sage ich und fabriziere einen überaus kunstvollen Bauernschneuzer. Damit ist die Diagnose beendet, und meine Medizin wird - , nun ja, was auch immer mit dieser Medizin passiert, bevor sie von mir achtlos liegengelassen werden wird... Nein, freilich halte ich mich dran, und freilich nehme ich die alle!

Die "Liste der Schüssler-Salze" nennt Übergewicht als Anwendungsgebiet. Danke, Fräulein, sehr schmeichelhaft. Da könnte ich ja glatt aus der Haut... nein, kann ich nicht, Aggressivität, Wur und Zorn stehen auch auf der Liste. Zudem solch elementare Dinge wie Fäulnis, Reisefieber und Sanftmut. Aha. Kawasaki ist nicht aufgeführt. Ha!

Nun denn, es wird Zeit für die nächste Hand voll Kügelchen. Der Teufel soll mich holen, ich hoffe wirklich, daß das hilft. Sollten Sie an dieser Stelle nichts mehr von mir vernehmen, bin ich an einem hartnäckigen Schnupfen dahingeschieden. Sei 's drum.


(Homöopathie und ich.)

Ich tappe über den dunklen Hof, begleitet vom knirschenden Kies. Hin zum Auto, das da hinten irgendwo im Dunkeln stehen muß. Der Schlüssel steckt im Zündschloß, wo er hingehört.
Ich starte und schließe die Fenster. Das Radio sucht nach Musik, ich nach dem ersten Gang.
Die Steige runter, um die Kurven fetzen, Musi aufdrehen, Pfoten und Fell auf dem Schoß.
Fell? Pfoten?
Ich bremse und reiße die Tür auf. Das Licht geht an, und eine hübsche graue Katze maunzt, schaut mich an.
"Wenn Dir die Musik nicht passt, kannst Du aussteigen!", raunze ich, und deute nach draußen.
"Und glaub ja nicht, daß ich Dich nach Hause fahre." Ich knalle die Tür zu und fahre weiter.