Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Montag, 7. 06 10

07.06.10, 16:11 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Holz abladen in der warmen Abendsonne, und dabei palavern, palavern, palavern. Das muß der Sommer sein.

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Elf Hovawart-Welpen mit Stammbaum. Die gibt es auch in schwarz, stelle ich erstaunt fest.

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Wie fix er seinem Junior die Windeln wechselt, und wie schnell man wächst.

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Noch einer. Was sind das für Frauen, die so bedingungslos Kinder wollen?

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Einer, der mal ein Verrückter war, und der sehr spät in seine Bahn gefunden hat. Wir frotzeln uns über den Tisch hinweg, und da beginne ich, ihn zu mögen.

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"Prince of Persia" hat einige nette Scherze, aber zwischendurch wird er so schnell, daß man mir irgendwelche Szenen hätte vorspielen können. Schade um die Mühe mit den schweißtreibenden Kämpfen und Klettereien, wenn man sie nicht verfolgen kann.

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Wie weit weg die Radfreizeit schon wieder ist.

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Da sitzen ein paar an einem Feuer und reden, und ich muß dringend weg von der Vorstellung, mich hielte etwas auf.

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Blitzsilage beim Grafen, der natürlich keiner ist. Die Gräfin steht auf der Straße und fuchtelt, während die anderen fahren, und irgendwie steht ihr das.
Wir sind beengt, überall Autos, und sie parken sogar hinter mir im Silo, als ich eben nicht hinschaue. Schreie ich eben einen der Hochherrschaftlichen an.
Am Schluß steht mein Motorrad hinter Bauzäunen und zwischen Biertischen, und wie komme ich da jetzt wieder raus? Ich überlege kurz, ein Preisschild dranzukleben, aber das bietet sich auf einer Blumenausstellung nun wirklich nicht an.

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Ich flüchte vor Geld und guten Worten, den Helm auf dem Arm. In die kurzen Hosen bläst der Fahrtwind, das ärmellose Hemdchen flattert um die Brust, die Augen tränen im Wind. Ich weiß nicht, was Fahren ohne Helm eigentlich kostet, aber ich weiß, daß es das manchmal wert ist.

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Zwei Tage Sommer. Und wohin gehen eigentlich immer all meine Wochenenden, an denen ich so viel tun wollte? Schön werden sie, und das ist doch auch was.

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Mitten in der Nacht fällt mir auf, wie sehr ich die Dire Straits unterschätzt habe. Vom Radio totgedudelt durch zwei Lieder, und plötzlich kommt da "Why worry?" daher, und ich muß wieder ein Gesamtwerk vervllständigen.
# |  11 RauchzeichenGas geben

Mittwoch, 19. 05 10

19.05.10, 20:10 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Wie er sich am Sonntagabend an die Theke lehnt, um ein Bier zu fordern: "Für umsonst natürlich." Des Parkens wegen.
Ich verkneife mir die Entgegnung, daß nur mein Auto dort parkt, und daß ihn das gleich zwei Mal nichts angeht. Daß wir alle, die wir das ganze Wochenende hier gearbeitet haben, bezahlt haben. Und das macht mich alles sehr wütend. Ich hole Luft, aber wieso soll immer ich mich streiten? Immer ich mich aufregen für anderer Leute Gerechtigkeit? Ich mag nicht mehr, denke ich dann.
Er dreht sich zu mir und will mir zuprosten, mit dem Gehabe des Großgrundbesitzers, und damit ist er bei mir schon einmal angeeckt. Möchtest Du mich vielleicht auch totschlagen? habe ich ihn damals gefragt, ganz freundlich und leise, und da hat sein lächerliches Bärtchen gezittert und sein Spitzbauch geschwabbelt vor Zorn, aber was wollte er machen, er kann ja nur mit Schwächeren, und das ist ja auch etwas, was mich so unglaublich ankotzt. Ich funkle ihn an und trinke aus. Dann gehe ich wortlos. Wenn es einen Gott gibt, denke ich, dann wüßte ich, aus was der Schaum in Deinem Glas ist.

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"Es riecht hier nach Wichser", sage ich laut.

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Einer, der einen Schutzschirm braucht, und ich bin plötzlich zu müde, um überhaupt noch darüber zu lachen. Mühsam entkrampfe ich die Hand.

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How you don't fit in there, do you?

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Sollten Sie in die Verlegenheit kommen: Stoßen Sie mit dem Hals der Flasche zu. Die Flasche bricht nicht so leicht, die Rippen knacken viel doller, und mit dem Rest machen Sie wenigstens noch jemanden naß. Dann laufen Sie am besten.

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(Absatz gelöscht.)

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Sie müssen betrunken sein, ich mochte es nur. Das könnte es sein, vielleicht.

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"Ich bin gefährlich", sagt der Rocker, und dann fragt er, ob ich auch ein Bauer sei. Es ist okay, sage ich, und so kommen wir ins Philosophieren, und am Ende sagt er, daß er niemandem etwas tun könne, der so gar keine Aggression zeigen wolle.

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Irgendwo treffen sich zwei mit den falschen Worten, und als er ihn am Kragen hat, gehe ich dazwischen, und Minuten später stehen wir an der Bar und reden über Schinkenwurst, und den ausgegebenen Schnaps schütte ich vorsichtig auf den Boden.

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Wie bemüht sie sind. Sich umschauen. Sich überwinden. Es ist tatsächlich ein "abchecken", und mich soll der Teufel holen, wenn es mir je so geht. Man kann die Szenarien sehen, die sich in ihnen abspielen. Vorstellung, Ehe, Kinder, Tod, und es muß doch furchtbar sein, jede Minute diesen Film mit anderen Darstellern zu sehen.

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"Ab zehn ist es eine Stichprobe!"

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Bauer sein ist einfach. Wenn man in den Regen mäht, ist die Wettervorhersage schuld.

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Die Angst davor, übrig zu sein. Als gäbe es ein Ende, als gäbe es noch Sicherheit.

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Und immer wieder weiß ich nicht, was reden. Immer wieder kommt sie, und ihr Blick silbert immer mehr, sie verschüttet mehr aus ihrem Becher. Sie stellt sich dann zu mir, bis einer kommt, sie umfasst und wieder mit sich zieht, im Viertelstundentakt, und ich wehre mich ja immer gegen Szenarien.

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Zeitsoldat wird er jetzt, und tatsächlich hat er nie besser ausgesehen und sich nie besser benommen.

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Freundlich lächelnde Gleichgültigkeit.

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Als wir im Auto sitzen, taumeln zwei an uns vorbei. Das Mädchen mit dem Silberblick und einer, der sie umfasst hält.

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"Ruf Deinen Freund an, der soll uns zu mir fahren", und daß er mit sowas immer wieder durchkommt, das macht ihn sehr sympathisch, daß er immer wieder Gleiche findet.

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Im Nachhinein ein schöner Abend, denn man vergisst so schnell, daß einem die Füße wehtun.

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Ein Engel am Telefon, und ich im Dreck. Ach, sage ich, man muß doch auch mal, und eine halbe Stunde später sitzen wir auf den Rädern.
Sie erzählt bis in den Berg hinein, und in den steilsten Stellen erzähle dann ich.

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Immer noch Deine Augen, und dazu die Lachfältchen. Der übermächtige Drang, Dich zu berühren, und die übermenschliche Kraft, die mich abhält.

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Wir teilen uns einen Flammkuchen, und ich halte die beiden Räder, während Du weg bist.

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Ich erzähle vom Baby und sage "Rot und schwarz."
"Das sagst Du nur, weil ich keine Ahnung habe", sagst Du, und daß Du mich so kennst!

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Ich hole Dir einen Klappstuhl aus einem Zelt, damit Du besser sehen kannst. Mißtrauisch siehst Du den billigen Stoff an, und daß ich in dem Moment sage, daß er Dich schon aushalten wird, das nimmst Du mir nicht übel.

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Wir beide am Stand mit dem Süßzeug, und wie Du Dich in einer Autoscheibe erblickst und Dir verstohlen die Schokolade aus dem Mundwinkel wischst.

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Deine Hände sind kalt, die Fingerkuppen weiß, und in meinen Händen sehen Deine noch viel zarter aus. Ich reibe sie und höre das Scharren meiner Schrunden auf deinem Handrücken.

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Der Abschied, Dein Haar an meiner Wange.

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Laut singend radle ich im Wind.

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Mähen, Schwaden, Häckseln. Silagedreikampf. Und das ständige Planen, Dirigieren, das ich eigentlich nicht mehr machen wollte.

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Wie man wach leben kann.

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Seit langem wieder geträumt. Sehr deutlich, und sehr des Träumens bewußt. Ich erwache lächelnd.

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Das Straßenschild, und es ist nachts immer noch wie früher, nur daß wir tags darauf mehr bereuen.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Sonntag, 9. 05 10

09.05.10, 23:42 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Diese kleine Textdatei, sie schreckt mich ab.

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Wie sie alle viel zu spät kommen und wollen. "Wir hatten uns gedacht." Aber gefragt hat mich niemand. Also renne ich um eine externe Platte und ein Notebook.

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Ich bringe das Baby zum Kundendienst, und da lässt man mich dann mehr als eine Stunde warten. Nicht der Händler, sondern der Abholdienst.
Ich vertreibe mir die Zeit in einem Fahrradladen, weil ich keine Jacke dabei habe. Ich lese Preisschilder für überteuerte Räder mit schlechten Gangschaltungen. Eine "LookOut Funktion", die hätte ich ja manchmal auch gerne.

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Am Ende sitzen wir zu zweit und schwärmen von alten Zeiten. Pressen, wickeln, häckseln. Wir wurden ganz schön durcheinander gewirbelt, wir beide.

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Zwischendurch ein Lob, das mir guttut. Es ist ja so einfach, mich glücklich zu machen. Saubere Arbeit, bei jeder Arbeit. Wie sich darin auch die Einschätzung des Gegenübers spiegelt, sehe ich wohl. Er lobt den Arbeiter mehr als die Arbeit. Man sieht eben denen nach, die man gern hat, aber wer hat schon behauptet, das Leben sei gerecht?

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"Man is not made for defeat" schwirrt um mich, wie immer, wenn ich wieder diesen alten Band in die Hände bekomme. Ich habe viel hineingemalt, zu Schulzeiten, und heute finde ich den jungen Kerl sehr komisch.

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Was wäre ich ohne den Alten Mann? Was ohne das fliehende Pferd? Was ohne die Lebensweisheit? Was bin ich denn überhaupt, und sobald man die Fragen soweit verallgemeinert hat, kann man genauso gut ins Bett gehen. (Dieser Absatz wurde eingefügt und gehört chronologisch ans Ende. Er steht trotzdem hier.)

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Fahrradpflege am frühen Samstagmorgen. Ich kürze Bowdenzüge und freue mich an zehn eingesparten Gramm. Vom frisch eingestellten Lenker werde ich heute abend Kreuzschmerzen bekommen, aber das weiß ich ja jetzt noch nicht.

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Ich baue den alten Blockschneider zum Siloschieber um. Das ist dem einen nicht recht, und ich bin sehr stolz darauf, daß ich heute ruhig bleiben kann.
Erst beim Essen breche ich aus. Ich kann Wut nicht schlucken, mir wird übel davon.

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Beim Basteln am Ballast das selbe Spiel. Diesmal packe ich zusammen und gehe, kochend vor Wut.

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Da hilft alles Radeln nichts, auch wenn ich einen kennenlerne, der mich noch vom Skijugendlager von anno dazumal kennt. Ich habe ihn im Internet gesehen, und manchmal kommt mir diese Zeit sehr verrückt vor. Ich schüttle den Kopf, finde aber trotzdem nichts Schlimmes daran. Nur komisch kommt mir das alles vor. Seltsam. Dieses Finden der Gleichgesinnten, der gleich Verrückten, während man nicht dem Verrücktsein nachgeht, sondern während man danach sucht. Immer noch finde ich nichts Schlimmes dabei. "Weird" möchte ich sagen, aber das ist auch so ein Wort, das ich hier gelernt habe. Und ich sage ja mit Absicht immer noch Telefon. Er sagt die ganze Zeit "Bike". Auch das ist nicht schlimm.
Irgendwann endet unser gemeinsamer Uphill, und er stürzt sich bepanzert und behelmt den Berg hinab, während ich weiter trekke. Trecke. Treke? Radle. Downhill. Bergab, sozusagen, aber dann doch nicht ganz. Hat ja doch alles auch Nuancen.

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Nicht einmal der wunderschöne Abend vom Zick-Zack-Weg ist mir ein Bild wert, so ist mir der Tag verdorben.

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Freitagnacht, und ich noch auf einer Runde, um etwas zu sehen, das ich nie sehen wollte. Von dem ich weiß. Das mich noch immer reißt, allzusehr. Als quetschte man das Herz aus, das ich ja gar nicht habe.

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Zick-Zack-Weg? Zigzag-way? Left-right-trail? Ich brauche einen Fahrradsprachführer. Einen Bikeguide. Nein, das ist eine Ausbildung. Dafür habe ich mich auch nicht angemeldet, herrjeh. Wenn man nur alles täte, woran man dachte.

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Ich gehe nicht in die Kirche, ich scheue. Lieber bastle ich in der Garage noch am Rad und laufe sinnlos durchs Haus, weil ich ja dort sein sollte.
Als es eben zu spät ist, sehe ich erleichtert zur Uhr.

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Beim Zuspätkommen ist es seltsam mit mir. Ich bummle dann und finde keine Möglichkeit mehr, einzutreffen. Es ist halb neun, als ich mich überwunden habe, und verschämt bleibe ich draußen stehen. Irgendwann machen sie Fotos vom Kleinen und von mir, und gemeinsam müssen wir ein Herz halten. Ich mag die Fotografin nicht, und deshalb finde ich sie auch nicht schön. Hatten wir das heute nicht schon, denke ich, und daß ich von mir selbst immer meta denken muß, das bringt mich auch immer durcheinander.

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Er hat "meta" gesagt!

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Spät in der Nacht kämpfe ich mit einem Satz. Einem, der zwei Jahre überbrücken soll. Ich stehe lang da und schaue ins Leuchten. Ich finde den Satz nicht, denke ich.
Ich schiebe das Telefon wieder ein, und da überfällt es mich, daß ich den Satz schon lang gefunden habe, nur den Mut nicht.

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Ich blicke auf, der Inder singt. Ich muß betrunken sein, eben waren noch zwei junge Damen auf der Bühne. Ich blinzle und rieche an meinem Bierkrug. Sehe auf den Boden und wieder zur Bühne.
Es ist seine Stimme, es ist ein schönes Lied, es ist nicht perfekt, aber es ist gut. Ich klatsche wie wild, als er von der Bühne geht. So groß die Welt, und irgendwo stellt sich einer schwitzend in einem Zelt auf die Bühne und singt, eine Hand in der Tasche, und er singt, und das ist ihm in diesem Moment alles. Welt, denke ich, wer braucht eine Welt?
Und ich, ich brauche noch ein Bier.

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Sie spielt am Verlobungsring, und er zeigt ihn gern, während seine Hand den Krug hält.

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"Jetzt gehen wir aber nach vorne, rocken!" ruft sie mir zu und lässt den Stehtisch los. Sie beginnt zu schwanken und greift erschrocken wieder zu. "Vielleicht trinken wir lieber hier noch einen."
Ich hole zwei Gläser, und eine halbe Stunde später ist sie fort. Ich grinse, denn eigentlich sind wir zu alt für sowas. Hoffentlich fährt sie nicht, denke ich, aber auch dafür sind wir zu alt.

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Gerade einmal zwei Stunden Hochzeit, und ich fliehe schon wieder. Mir ist es zu laut, zu viele Leute, zu verstreut sind sie, und überhaupt habe ich Laune. Und Puls habe ich, da hilft auch kein Kuchen. Den gibt es noch, zum Essen war ich zu spät dran. Ich möchte auch nichts, ich will ja schlecht gelaunt sein.
Ich würde auch früher gehen, aber das Brautpaar sitzt am Eingang, während irgendein Spiel vorgeführt wird. Es gibt keinen zweiten Eingang, und ich will da jetzt nicht durch.

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Ich möchte mit meiner Anwesenheit nicht böse sein. Deshalb gehe ich unauffällig. Ein Vetterchen mehr oder weniger, denke ich, das spielt keine Rolle. Es ist eine große Gesellschaft, es sind genug da.

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"Der Hund wittert das Blut!" ruft der Kleine lachend, als sich meine Nüstern bewegen. Ich habe tatsächlich einer Gelockten nachgeschaut, ohne das zu bemerken, den inneren Blick irgendwo im Unendlichen.
"Er hat das Jagen nicht verlernt!".

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Wie sich die beiden Gruppen gegenüberstehen und so gar nicht mischen mögen. Leute, denke ich dann, aber ich habe ja selbst genug Vorurteile, und leiden kann ich auch nicht jeden. Daß ich das nicht an einem Ort festmache, fällt mir irgendwann auf. An was dann? Ich grüble ein wenig in mein Glas und denke dann, daß es der Geruch sein könnte.

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Wie auch ich immer beäugt werde, wenn ich bei den je anderen bin. Der Seitenwechsel wird nicht goutiert, und das zwanglose Pendeln gar verachtet.

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Wie die beiden sich etwas aufbauen. Schlupflöcher finden. Einen ärgern, der sie geärgert hat. Und ich in der Mitte, ach je.

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Ein Sonntag am Spülmobil. Die Sonne scheint, und wir zwei sind sehr behutsam miteinander. Vielleicht ist das richtig, wenn man sich nur oberflächlich kennt. Dabei sehen wir uns oft, und wir freuen uns dann auch. Aber das Kennen, das ist anders. Vielleicht kommen wir dahin, irgendwie.

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Daß ich gute Witze auch immer weiter erzählen muß! Meist zwei Mal, und meist denselben. Die Ärmsten müssen mich für einen Esel halten.

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Der Musikverein spielt Sinatra und Pogeschichtliches, und ich kann fast nahtlos mitsingen, hinterm Zelt, während ich Berge von Geschirr auftürme.

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Die Lieder, die wir hier kennengelernt haben, denke ich dann. Sozialisation, und wie hätte ich ohne New Model Army überleben können?

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Ich finde ja doch keine Ruhe. Hummeln im Hintern, oder was weiß ich für eine Krankheit.
Dabei habe ich mir die Ruhe immer erhofft, von anderen. Womöglich muß ich sie selbst suchen gehen, die Ruhe.

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Immer noch kein Schlafsack und kein Rucksack.

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Allein im Haus, und ich in voller Lautstärke. Die Musik lädt mich auf, wie sie mich nachts auflädt, wenn ich sie mit kleinen Kopfhörern zu mir ins Bett nehme, wo ich lautlos singe.
In jedem dieser Lieder eine Botschaft.

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I could easily stay, and never come home
Looking out on the field like it's never been changed
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Den Muttertag vergessen.
"Solange es keinen Kindertag gibt", grinst einer.

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Zwei fragen mich nach meiner Hochzeit, und eine Stunde bleibe ich standhaft. Dann kommen noch zwei, und die beiden heiraten tatsächlich. "Dann trete ich zurück!" rufe ich und löse das Spiel auf. Die Gerüchte sind ja nett, da lache ich nur.

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Morgen, sage ich, und schiebe das Textlein wieder vor mir her.

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Im Spiegel mein abweisendes Gesicht. Dabei sehe ich gut aus heute. Die Haare gewaschen und in eine wenig gelockte Form gezwungen, die Krawatte, der Anzug und die Sonnenbräune. Ich gefalle mir sogar, in diesem Aufzug, auch wenn ich mich in teurer Kleidung unwohl fühle, weil sie so leicht kaputtgeht. Ich gefalle mir tatsächlich, bestätigt ein Blick in den Spiegel, und manchmal erwische ich eine, während sie mich ansieht. Ich übe ein Lächeln. Das geht heute noch nicht, die Grimasse sieht furchtbar aus, die Augen gefroren, die tiefgezogenen Brauen, und erst der Mund, das Lächeln! Ich sehe aus, als ob ich beißen möchte.
Ich lasse das Lächeln bleiben und sehe in der Fensterscheibe zu, wie mein Gesicht versteinert und Frost die Augen matt überzieht.

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Ohne Dich kein Glück, kritzle ich auf einen Schmierzettel. Ein grüner, dicker Kugelschreiber, dessen Knopf festsitzt. Voller Staub und Dreck, schreibt aber noch. Er hat zwei Sommer im Arbeitsrucksack verbracht, den ich neulich ausgeräumt habe. Ich drehe ihn in den Händen und lese den Aufdruck einer Tanzschule.

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Ich würde aufgeben für Dich.
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Dienstag, 4. 05 10

04.05.10, 01:01 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Die Gräfin hat die Dachrinne am Melkhaus kaputtgefahren, und ich bin jetzt schuld. Dabei habe ich nur gesagt, daß "man" da mit dem Lastwagen durchkommt.
Nun gut, ich richte die Dachrinne, und sie bezahlt mir dafür ein Bier.

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Der Plan vom Gewicht und von der Gabel.

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Der Biobauer war auf der Waldorfschule, und ich scheue mich ja immer, darüber zu lästern. Zu offensichtlich, zu einfach, da mache ich mich lieber über seine Arschnahängerhosen lustig.

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Wenn ich nur noch einen Keil und einen Bolzen aus dieser Schalung klopfen muß, fällt mir sicher der Arm ab, beim Teutates. Leitern machen mir dafür nichts mehr aus, und auf einer zwanzig Zentimeter breiten Mauer kann ich auch laufen.

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Wie ihm der Kranfahrer die riesige Platte ganz sanft auf den Kopf setzt. Ausgelassen sind sie heute, als wäre es der letzte Tag. Ist es auch.

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In der dunklen, riesigen Eingangshalle zum Schlpß bellt der Hund unter dem Tisch hervor. Zu mir traut er sich aber erst, als ich das Licht einschalte, und dann liegt er auch schon auf dem Teppich und lässt sich den Bauch kraulen. Hund sollte man sein.

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Irgendwie wird mir auf diesen Besprechungen für irgendwelche Freizeiten zu wenig beschlossen und zu viel erzählt. Trotzdem funktioniert immer irgendwie alles.
Was ich weiß: Einundfünfzig Kinder plus x.

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Ich brauche einen Rucksack, einen Schlafsack und eine Matte, und dazu einen Gepäckträger. Friedrichshafen, Meran, Salzburg, Sie wissen schon.
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Sonntag, 18. 04 10

18.04.10, 23:30 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Sonntag vorbei, nichts erledigt.

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Daß ich für die Langsamen so gar keinen Platz habe, daß ich sie so unwillig abstreife, das zerrt manchmal sehr an mir. Und manchmal, da nehme ich Platz neben ihnen und horche, was die über den Lauf der Welt zu sagen haben, die ihr zusehen, wie sie sich an ihnen vorbeidreht, und dann denke ich mir, daß ich von diesem Standpunkt aus sehr seltsam aussehen muß, und daß Kraft nicht zwingend mit Bewegung zu tun hat. Nur Arbeit hat mit Bewegung zu tun, wenn man seinen Bernoulli verstanden hat, und dann sollte man aber auch wissen, daß die Verluste mit dem Geschwindigkeitsquadrat steigen, und linear mit dem Zeta, das ich jetzt auf meiner nicht vorhandenen griechischen Tastatur auch nicht suchen mag, das ich aber immer als einen Wert der Umstände gesehen habe. Weisheit, denke ich dann, und Wissen, brauchen vielleicht keine Bewegung, und dann fasse ich wieder in meine Tasche, wo der Gegenwert einer großen Tankfüllung zusammengefaltet ist, und die schmerzenden Arme und die Freude an diesen beiden, die mich immer fast um den Verstand bringt, so wie die Wut, die die beiden im Schlepptau haben, die sie so behutsam umgehen, für den sie so gar nichts können.

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Auf dem Weg zum Feierabendbier kehre ich um. Ich winke, und hilflos winkt er zurück.

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Wie einer redet, um nichts sagen zu müssen.

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Das radfahrende Pärchen. Sein Rad ist teuer und sieht aus, als sei es in Gebrauch. Ihres hat Schutzbleche. Er trägt Radhosen und ein Trikot, sie einen Jogginganzug.
Es scheint, als versuchten da zwei eine Gemeinsamkeit. Und man sieht im an, wie ihn das wurmt, daß er nicht mitziehen kann am Berg, sondern warten muß. Irgendwann halten beide an. Noch später kehren sie um. Er wird wohl wieder allein radeln.

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Ich kann das Berichteschreiben völlg verdrängen. Auch eine Kunst, könnte man meinen. Die Begründung zur verspäteten Abgabe lief mir geradezu lachhaft leicht aus der Feder.

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Ganz langsam gewinne ich mein Motorrad wieder. Die Große hat wieder ein Standgas, das sich so nennen darf, und ich werde immer leichter mit ihr. Vielleicht bekommen wir beide das noch einmal hin.

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Sie spielen Federball auf der Straße, und im Garten nebenan toben sie mit dem Hund. Auf der Straße ein Motorrad, der Fahrer ohne Helm. Zwischen zwei Bäumen balancieren sie auf einem Spanngurt, und irgendwo klackert ein Tischtennisball.
Grillen! rufe ich in den Hörer, und dann gibt es an diesem Wochenende doch noch ein warmes Essen.

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Kurz ruft er an und erzählt freundlich von seinem Wechsel, von seinem Hausbau. Ohne Gerede, ohne Diskussionen, und ebenso verbindlich lässt er sich erzählen. Wir trudeln hin und her und landen, wie immer, zuletzt beim Telefontarif, und wie immer berichtet er stolz von den siebenkommafünf, und das Prepaid! und wie immer weiß ich dem nichts entgegenzusetzen. Ich habe halt ein Telefon.
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Sonntag, 4. 04 10

04.04.10, 15:24 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Alt werden ist nur noch einen Saufpass zu brauchen. Und selbst der bleibt mir. Dafür dann Brummschädel am Morgen, und sowas ärgert mich besonders, wenn ich mich für unschuldig halte.

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"Krebs", sagt er, und wie kommt es, daß ich immer die Themen, aber nie die Worte finde?

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Mit rotem Gesicht arbeitet er verbissen daran, sich ins Taka-Tuka-Land zu befördern. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und sage, daß ich nichts zu sagen weiß. Aber das hilft ihm ja auch nicht.

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"Musikhochschule", sagt sie, aber nicht dort. Da kennt sie ja schon alle, und wenn sie das sagt, klingt das mit einem Mal sehr plausibel. Und dann erzählt sie von den Instrumenten und den Prüfungen, und ich von der Harmonika, ganz beiläufig nur, und ihre Augen beginnen zu strahlen. Sie zerrt mich nach draußen, und da stehen wir dann, an die Wand gelehnt, und unterhalten uns über Tonleitern, und ich führe ihr vor, wie man mit dem Rachen als Resonanzraum die Töne verschieben kann, und mit den Händen, und das sieht sicher sehr lachhaft aus, wir beide als Pantomimen, aber so ist das mit Leidenschaften, von denen man nicht erzählen kann.

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Immer wieder zwirbelt sie ihr blondes Haar in den Händen, und zu einer anderen Zeit hätte ich mir darauf etwas eingebildet.

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"Da fährt sie dahin", sagt einer, der oben am Weg steht und einem Auto nachschaut. Ich bin es müde, soll er doch suchen in den Gesten und den unbedachten Worten, ich bin es müde, ich bin es leid.

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Ölwechsel an Karfreitag, und wir hatten selten so viel Spaß. Sein Vater kommt dazu, und seine Schwester, und dann sind wir bei Reifen und Pferden und der Stadtverwaltung. Ein Loch in der Gesäßtasche, und was täte ich nur ohne euch?

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Großes Ostereiersuchen! schreibt jemand, und ich bedanke mich artig.

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Lässt Du Dir die Ostereier anmalen?
- Nein, ausblasen.
Spiel, Satz, Sieg, und bis wir zu lachen aufhören, ist er schon längst weg.

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Ach rotes Unglück, wirst Du auch schon wieder zwanzig?

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Der neue Praktikant ist da, und den gilt es, wie immer in den ersten Tagen, "in den Schuh zu bringen". Der Bauer grinst, und so fahren wir ins Holz. Aufsägen und spalten, und bis die beiden da sind, habe ich die erste Tankfüllung schon durch.
Abends beim Abladen fragt er zum ersten Mal: Arbeitest Du hier?
Nein, sage ich. Nur Hobby, und er schüttelt den Kopf.
Als ich im Dunkeln noch einmal durch den Hof brumme, löscht er eben das Licht in seinem Badezimmer. Wahrscheinlich schüttelt er noch immer den Kopf, während ich mir grinsend wieder eine Nacht um die Ohren schlage, Furche um Furche meine Bahnen ziehend.

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Die Säge klemmt, und ich habe keine zweite. Ich fluche laut und spüre erst jetzt den kalten Wind durch mein nasses Hemd. Ich schlage die Axt ein, und der Stiel knackst bedenklich, als ich zu drehen anfange. Gibt so Sachen, da bräuchte man drei Hände, und am liebsten würde ich mich noch in den Stamm verbeißen.
Es knackt, es dreht, und nur die Säge nicht ausgehen lassen. Ich verfluche das liederliche Standgas, und die bissige Vollmeißelkette verfluche ich auch, wo ich schon dabei bin. Zuletzt fluche ich dann auf meine triefende Hand, weiß der Geier. Knochen sehe ich keinen, und die Finger tun auch noch, und irgendwann sickert das Blut aus dem schweren Handschuh.
Beim Kaffee lasse ich die Hand unterm Tisch, und den Rest macht der Tierarzt später. Grinsend wünscht er frohe Ostern, und "Suchst die Eier halt mit links."

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Der weiße Pullover ist dann auch ein Irrtum.

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Der Seniorentisch. Tatsächlich, wir erzählen von damals, von den Festen, und von denen, die wir gekannt haben. Von denen, die uns voraus sind. Und sie tun alle so, als sei das unabänderlich, als müsse das so sein, als folgten wir einem Weg, die einen froh, die anderen getrieben. Und als sie von Kindern erzählt, da schaut sie ihn ganz seltsam an, und in dem Moment freue ich mich an mir selber.

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Weißwurstfrühstück jeden letzten Sonntag im Monat!

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Menschen, die in der Kirche ihren Sitzplatz behaupten müssen. Ihr seid die wahren Katholiken!

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Und immer wieder sehe ich mich um, wen ich denn finden möchte.

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Ein leeres Haus.

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Drinnen Après-Ski und Ballermann, und wir draußen so nachdenklich, wie man das nur wird, wenn man sehr müde und ein wenig betrunken ist.

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No rest.
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Sonntag, 28. 03 10

28.03.10, 20:26 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Das Skifahren als Perfektion der Egozentrik. Der Mensch, wie er Maschinen baut, die ihn an Seilen nach oben tragen, damit er sich selbst hinabstürzen kann. Wie er Pisten präpariert, Schnee herstellt und Gletscher in Folie verpackt, während sich unten all die Autos den Berg heraufquälen und die Luft grau und dick ist. Ich, während der wenige Minuten dauernden Abfahrt auf meine flatternden Schaufeln konzentriert, auf meine Knie und Oberschenkel, nur mich selbst wahrnehmend. Das Skifahren an sich ist Wahnsinn - Ausrüstung, die für nichts anderes zu gebrauchen ist, die lange Fahrt, der gigantische Materialeinsatz, der Umbau kompletter Gegenden zu Menschenschleusen. Mein ebenso rasantes wie riskantes Skifahren ist Wahnsinn - ein Stil aus den Achtzigern auf neuestem Material, aggressive Furchtlosigkeit und jubelnde Schwerelosigkeit. Ich habe nichts vermisst, und das erschreckt mich selbst. Ich war vorbereitet, und ich habe Dinge notiert, die ich vergessen habe.

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Derzeit anderswo ein Leben, das ich nicht haben wollte. Das niemand haben will, und dem niemand helfen kann. So stehen wir alle hilflos vor den Trümmern. Und es kommen wieder die Übelwollenden davon, das ist es, was mich nachts nicht schlafen lässt. Anders sollte ich denken, die Üblen lassen und den Unterlegenen helfen. Es ginge da nicht um Sieg, sondern darum, den Wettstreit zu vermeiden, den die einen nicht gewinnen können. Den Kampf ignorieren, darüber stehen, und sie dadurch doch zu Siegern machen. Das ginge nur wutlos, zornfrei, und mit einem Großmut, den ich leider nicht geerbt habe. Ich kann nur Zorn, ich kann nur Auflehnung, und so stehe ich dann da und schreie, ob er mich denn auch umbringen möchte, als Gegner, der ihm wenigstens gewachsen sei, und ich bebe vor Zorn und vor meinem Grollen, aber den Opfern hilft das nicht, daß sich die Täter zu ihnen gesellen, weil noch jemand Stärkeres auftaucht.
Was also tun mit diesem Leben? Ein Glück aufzwingen, wo man keines finden kann? Wo man selbst sagt, zugibt, geschlagen und ergeben, daß man nichts finden kann. Ich kann dieses Leben nicht verstehen, und das kann mir nicht passieren, weil ich nicht so bin, weil so niemand ist. Es gibt keine Hilfe gegen Leere. Es gibt nichts, womit sich dieses Leben füllen ließe - müßte ich es leben.
Für diesen Menschen selbst gab es einen Ausweg, eine Flucht. Der Dusel über kurze Zeit, über längere Zeiträume, und immer wieder das Verbot der anderen, zu flüchten. Mit welchem Recht? Streben nach Glück als Zwang, aber kein Satz darüber, was das Glück sein könnte. Wir lassen die Möglicheit, daß es kein Glück geben könnte, nicht zu, und wir zwingen diesen Menschen.
Wir halten Körper in einem Leben, das der Geist nicht will. Wir lassen die Flucht nicht zu, wir sind nicht die Schöne neue Welt. Und Mitleid, Mitleid, Mitleid, und allenthalben Hilflosigkeit, aber dennoch: Das darf man nicht.
Warum nicht? Warum zwingen wir diesem Menschen einen glücklosen Weg auf? Aus einer Perspektive dessen, der diesen Weg nie sehen kann. Warum, und ich frage das in aller Ernsthaftigkeit, sind wir grausam genug, das kategorisch Lebenswerte zu erzwingen? Verstehen Sie mich nicht falsch, dies ist kein Weg zurück zu den Zügen und Schornsteinen, sondern die Frage nach einer endgültigen Freiheit. Nur weil wir nicht entscheiden können, nicht unterscheiden, nicht festlegen, was denn nun Wert ist, was Glück und was Leben, und uns doch alle sicher sind, so nicht leben zu wollen, nur deshalb lassen wir diesen Menschen nicht selbst entscheiden?
Wo hört das Bewahren vor Schaden auf, und wo fängt der bedrohende Zwang zu erfolgreichem Leben an? Das Pendel schlägt in die andere Richtung aus.
Herrjeh, ich salbadere hier herum und möchte doch nur fragen. Was ist Wert, was Glück, was Leben, und was darf man erzwingen? Und kommen Sie mir bloß nicht mit dem albernen freien Willen. Es gibt zu viel, was den einzelnen daran hindert, klar zu sehen. Und keine Möglichkeit für einen anderen, hineinzusehen. Was tun? Ich möchte über kein fremdes Leben entscheiden, und das fremde Leben kann es selbst - nach unseren Maßstäben - nicht, und hat doch deutlichst seinen Willen gezeigt, auch wenn er nur darin bestand, schwach zu sein. Nachgeben kann eine Willensentscheidung sein, auch wenn wir Starken, wir Vorwärtsgerichteten, mit geballten Fäusten Marschierenden das nicht sehen können.

Das Schlimmste ist, daß ich mindestens einmal entscheiden werden muß. Nicht für mich.

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Ich bin zurück im Stall, an einem riesigen Kalb zerrend, das durch einen viel zu engen Geburtskanal muß. Mit Blut und Schleim verschmiert schaue ich nach draußen auf dieses kleine Eckchen der Welt, und wahrscheinlich ist das Heimat, irgendwie, daß alle Horizonte haben, und alle Grenzen.

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Mineraldünger streuen. Wiesen eggen. Könnte nur alle Arbeit diese Freude tragen.

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Weit oben im Berg, versteckt an den Hängen, denke ich daran, daß all das eine Krise sein könnte, an das Verrinnen, Verrieseln, an das Vergeuden und Verpfuschen, und es dauert lang, bis mir der Felsen wieder die Weiterfahrt gebietet. Keine Umkehr. Kein Löschen. Alles einmalig, alles behaftet, und deshalb sollte man doch viel freier sein, und leichter, aber das ist man nicht. Ich drehe mich im Kreis, und wenn man erst einmal das Verbot des Aufgebens anzweifelt, dann wirds nicht mehr schlimmer.

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Im Dorftheater spielen sie auf das Dorf an, und auf die Dörfler, und deshalb lachen sie sehr laut, wenn wieder diese Namen fallen, die der Überkandidelten, der Herausstechenden, der Schwerenöter, und ich zähle mich glücklich zu den Eingeweihten und lache laut heraus, auch wenn die Spitze letzendlich wieder den Falschen treffen wird, den Unschuldigen, den Gehörnten, den Unterlegenen; und ich schleiche bemüht um die vielgescholtene "Gesellschaft" herum, der man nur allzuleicht zu vieles anlastet, sie kann sich ja nicht wehren, und Sie merken schon, wie ich mich schon wieder im Kreis drehe.
Ich bekomme heute die Gedanken nicht klar.

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Vor dem Haus das kleine Auto, das immer dort steht. Stand, denke ich, und stutze erst auf der nächsten Fahrt. Das Auto ist weg, ein anderes da, und ich überwinde mich, dränge mich auf, ich läute und stürme die Treppen nach oben. Wortlos faltet er ein handbeschriebenes Blatt Papier sorgfältig zusammen und schiebt es in einen Stapel. Er nimmt den einzelnen Schlüssel vom Tisch und legt ihn behutsam neben seinem Bund ab. Ich kann ihm nicht helfen und verlasse den Ermatteten in den Wänden, die ihn wieder anschreien werden heute nacht.

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Wir tragen die gleichen Overalls und Gummistiefel, ich und mein kleiner Passagier, und das gleiche Grinsen tragen wir auch durch den Fahrtwind.

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Ich hatte einst diese beiden Töchter zu Besuch, und es sähe heute alles ganz anders aus. Sieh an, denke ich, als ich ihnen beim Tanzen zusehe, auch Möglichkeiten verblassen. Wie schön.
# |  Rauchfrei | Gas geben

Montag, 15. 03 10

15.03.10, 00:31 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Es scheint so, als hätte ich neben dem Radfahren eine weitere Leidenschaft fürs Erwachsensein entdeckt, wobei Erwachsensein hier im Sinne von Verschrobensein heißen soll. Mit leichtem Kopfschütteln, immer für ein bißchen Klatsch gut, und immer mit dem Hintergedanken, da sei jemand nicht ausgelastet. Wie dem auch sei: die Mundharmonika.

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Vier Kinder im Kurs, die ich alle an die Wand nageln könnte. Vier ältere Damen, die sich nur ums Mittagessen sorgen. Dazwischen ich und ein Lehrer mit Backenbart.

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Bei den "Jungs" will er mich nicht einteilen, und bei den "Erwachsenen" auch nicht. Das führt dazu, daß ich in den Kanons mein eigenes Stimmchen habe und in den Grüppchen immer vorspielen muß.

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Neid auf diese unglaubliche, federleichte Musikalität.

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Immer, wenn ich mal nicht durch die Harmonika atme - sie ist kein Blasinstrument im eigentlichen Sinn, weil man sie in beiden Richtungen spielt - , weil ich mal wieder aus dem Takt geflogen bin und mich dann auch nicht mehr so sehr auf Finger, Lippen und darauf, nicht zu ersticken oder zuviel Sabber in die Kanzellen zu pusten, konzentrieren muß, höre ich, wie schräg wir noch klingen.

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Wie mich die Kinderlieder abstoßen. Die mochte ich nie, ich war schon immer ein Rocker. Meine Schlaflieder waren von den Animals, den Stones, vom Meister Dylan.

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Wie mich das Lied vom Seemann fasziniert. Stundenlang übe ich und wünschte, ich säße auf dem Felsen über dem Dorf, die Füße baumelnd, in kurzen Hosen, und spielte dieses Lied hinunter.

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Und ich hatte immer Angst, mir würde irgendwann nichts mehr zu tun einfallen! Dabei muß man nur die Genauigkeit steigern, schon springt es einen an, füllt die Tage aufs Angenehmste.

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Ich kaufe ihm die Harmonika ab, und ich zweifle tatsächlich, weil ich zuvor die Preise nicht im Netz gesehen habe. Wie es uns abhängig macht und unsicher und beeinflussbar. Wo bleibt meine eigene Einschätzung des Wertes? Dieser gesunde Menschenverstand, von dem man so viel hört?
Zaudernd kaufe ich das Instrument, und abends warte ich mit den Fingern über der Tastatur, bis ich mir sicher bin, ob ich wissen will, wie ich denn nun wieder übers Ohr gehauen worden bin.

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Seine Liederbücher verkneife ich mir dann doch.

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Es scheint, keiner esse meine Kekse, aber es mag mir auch niemand sagen, ich solle keine mehr backen.

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Wie ich beschützen, behüten möchte, mit derselben Hilflosigkeit und Sturheit wie ein Rind.

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Eine Leinwand, ein Projektor, und irgendwann geben wir auf. Das reicht mir für einen Samstagabend, und diesem Eingeständnis fehlt jede Bitterkeit. Nach dem Altwerden üben wir nun die Sesshaftigkeit. Ab heute in diesem Theater.

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Wie viel es vorzubereiten gäbe für den Ausflug auf den Gletscher. Organisieren nennen sie das hier und ziehen die Stirn wichtig hoch. Ich horche mir die kurzatmig vorgetragene Stakkato-Liste an - Sie merken schon, ein Musiker! - und winke bei allem ab. Selbst die Ski kann man dort sicher leihen, und es läge mir fern, daraus eine Wissenschaft zu machen.

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Ob ich jetzt noch schnell ein Schlafliedchen...?
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Freitag, 12. 03 10

12.03.10, 08:16 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Ich quäle mich einen ganzen Tag mit dem Gittergenerator und den Blöcken von ICEM, indem ich stur einem dreizehnhundertseitigen Tutorial folge. Wort für Wort, point für point, curve für curve, vertex um vertex, edge um edge, surface Sie wissen schon. Wenn ich das habe, kann ich wundervolle Gitter in schicke Geometrien legen. Ich werde dann noch keine Randbedingungen haben und keine Rechnungen und kein Postprocessing und erst recht kein Ergebnis, aber das Gitter zumindest.
Um sechs will ich irgendwann aufgeben, als einer der jungen Ingenieure hereinkommt, eine Kaffeetasse in der Hand. "Hilf mir bitte", sage ich, und auf zwei, drei Zetteln erklärt er mir, was ich gemacht habe und wozu das dient.
Es ist dies eine sehr quälende Art des Lernens, aber eine sehr intensive. Ich habe wirklich das Gefühl, dieses Programm zu verstehen. Und seiner Begeisterung für "schöne" Gitter, mit kleinen Volumensprüngen und großen Winkeln kann ich ja sowieso folgen. Gitterqualität ist ein wenig esoterisch, weil nicht völlig quantifizierbar, aber ich mag sowas ja, wenn man sich ein wenig Gespür erarbeiten muß.

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Am Abend sitzen wir in einer Kneipe vor dem Fernseher, und ich sage mehrmals verwundert, daß wir so etwas früher nie gemacht hätten.

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Ich träume von der ersten Freundin, obwohl das so nicht stimmt. Ich hatte zuvor schon Freundinnen, war schon zu Kindergartenzeiten fest verlobt, und leider habe ich die Liebesbriefe aus der Grundschule nicht mehr. Danach lange nichts, weil ich nicht wollte, keine Zeit haben wollte, und irgendwann die Schüchternheit als Schild entdeckte, als Schutz vor Hoffung und Enttäuschung, denn wer nicht kann, der muß auch nicht, und heute nacht argumentiere ich wild und verzweifelt. Ich wache auf, allein und viel zu früh. Endlich wieder einmal früh ins Bett und ein wenig lesen, hatte ich mir gestern noch gedacht. Am Arsch na, aber so ist das halt.
Muß man sich mal denken, wie lange ein Jahr nachwirkt. Und erst die neun Jahre des Freundes. "Hoschd oena, ischs nex, hoschd koena, ischs earschd reachd nex", habe ich letztens zu ihm gesagt. Nur konsequent hätte man bleiben müssen.

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Und mein Spielzeug kommt heute auch nicht.

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Vier Tage auf den Gletscher mit den Bauernlümmeln.
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Mittwoch, 10. 03 10

10.03.10, 17:04 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Am Morgen wollte ich länger schlafen als seit langem. Kein Stalldienst, keine Prüfung. Ich wusste das. Mein Wecker nicht. Aber wach ist wach, und "Daylight is burnin'!" brüllend - aber leise - hüpfte ich aus dem Bett, um erschrocken festzustellen, daß ich nichts sehen konnte. Kalte Winternächte, in denen selbst ich das Fenster schließe und den Rolladen herunterklappern lasse, enden immer so. Ich taumle also im Dunkeln in Richtung Badezimmer. Der bloße Zeh findet die Kälte affig und den Türrahmen mit Schwung. Trotz Dunkelheit.

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Ich bin noch gar nicht wach, als ich den gewohnten Weg zur Arbeit nehme. Dabei arbeite ich heute nicht, aber den gestrigen Weg zum Lagerverkauf traue ich meinem Orientierungssinn und meinem Heckantrieb nicht zu. Die Schneewehen sind schließlich über Nacht noch gewachsen, und der Allradler ist leider nicht meiner. Ein Glück, ich mag eh keine roten Autos.

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Gestern nacht noch so schön mit Drall um die Kurven, weil man dort mutig ist, wo man zu hause ist. Und es kommt, wie es kommen muß, irgendwann macht die Straße einen Bogen, das Eis eine spiegelnde Fläche, den Rest macht der pulverfeine Schnee, und ich stehe bis über die Motorhaube bedeckt in einer Wiese. Knarrend bleibt der Scheibenwischer stehen, und was soll ich schon tun, als zu lachen?
Mit Mühe schiebe ich die Tür auf, und der Hinterreifen spritzt ein wenig Schnee herein. Als er sich nach unten gräbt, kommt Dreck dazu, aber "Dreck macht Speck" hat meine Oma immer gesagt, und damit habe ich ja im Moment auch ein Problem.
Ich gebe auf und sondiere mein Telefonbuch. Alle sind weit weg, bei der Arbeit, nicht in der Lage, mich hier zu finden oder auf dieser Eispiste überhaupt her zu fahren, oder ich will sie nicht anrufen oder alles zusammen.
Ich rufe den Vertreter an, der ein Dorf weiter Schlepper verkauft.
"Ich will einen von euch probieren!"
- "Gern, welchen denn?"
- "Hm. Ein kleiner tut es mir heute."
- "Heute?"
- "Genau genommen jetzt. Dauert auch nicht lange."
- "Was soll das heißen?"
- "Zugleistungsprüfung. Bring ein Seil mit. Ich stecke hier im Schnee fest."
Er lacht und ist zehn Minuten später da. Nur auf die Rundumleuchten hätte er gern verzichten können, aber ich hab ja sonst auch nichts dagegen, wenn man mich beachtet. Egal.
Minuten später stehe ich wieder auf der Straße, und vom Malheur kündet nur noch eine Spur, die am Anfang schmal und am Ende sehr breit ist, weil sich der Beemes offensichtlich nach der Straße umgesehen hat. Wo ist die denn hin? wird er sich gedacht haben. Der Schneewall ist auch nett, man sieht die Kontur des Wagens bis hoch zum Fenster. Hat man ja sonst auch nicht so oft, denke ich, und setze auf den Wind, der die Spuren schon verwischen wird. An Tauwetter glaube ich ja schon gar nicht mehr.

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Der Vertreter will kein Trinkgeld, also rufe ich den Chef an und berichte. So kommt der Chef zum ersten Lacher des Tages und der Vertreter heute noch zu einem Tässchen Kaffee. Daß ich den Chef geweckt habe, weil er die ganze Nacht Schneewehen beseitigt hat: Kollateralschaden. Hätte er die hier aufgeräumt, wäre ich nicht abgeflogen, hätte mich nicht bergen lassen müssen, wäre er nicht von mir angerufen worden, hätte weiterschlafen können. Gut, es sind dreißig Kilometer bis zu seinem Revier, aber trotzdem.

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Noch einmal Werkzeug, und ich noch einmal Kind. Wie immer also, und am Schluß verzichte ich auf den Nussenkasten in Dreivertelzoll und nehme stattdessen eine Bügel- und eine Japansäge mit. Bäume schneiden statt große Schrauben drehen. So hängt man halt an den Jahreszeiten, und ich werde mich sicher noch darüber ärgern, aber irgendwann ist gut und das Geld alle, und der Verkäufer schaut auch schon komisch. Immerhin schenkt er mir einen magnetischen Bithalter. Ich stehe in der Tür und drehe den Bithalter in den Fingern: Ich habe noch gar keine Bits dazu.
Nein.
Alles in den Kofferraum, dann habe ich auch mehr Druck auf der Treibachse. Das Geld wiegt wesentlich weniger, und es geht ja nichts über Gewicht, also habe ich ja alles richtig gemacht.

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Auf dem Weg in die große Stadt werde ich nicht geblitzt und tanke für sieben Pfennige - also diese neumodischen Pfennige, die ganz anders heißen - weniger als an allen anderen Tankstellen auf dem Weg. Mit den Tankstellen scheine ich gerade Glück zu haben.

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Seither Büro und Strömungsmechanik. Nun gut, genaugenommen habe ich viel palavert und viel Kaffee getrunken und viel gebettelt, damit meine Programme repariert werden. Jetzt startet alles, auch das, was mein Fehler war, man kann ja auch mal einen Namen falsch eingeben, sowas muß man ja mal durchgehen lassen als Computer, Mensch!
Und meine Geometrie habe ich auch in irgendeinem Verzeichnis wiedergefunden, und deswegen gehe ich jetzt nach hause und träume davon, meinen Werkzeugwagen neu einzuräumen und mein Werkzeug in signalorange anzupinseln. Nur gegessen habe ich noch nichts. Aber man kann ja nicht alles haben.

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Und wenn ich nur ganz kurz so Tagebuch, dann kommt sowas wie hier heraus. Kein Satz vollständig, dieser Satz kein Verb, und trotzdem eine halbe Stunde weg. 'Zefix.
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