Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

09.03.06, 19:26 | 'Nachdenken im Dativ'
Auf keinen Fall sollte man den Dienstagabend vergessen. Die drei Jungs im Heizraum, Gedanken nachhängend über den vierten, der fehlt, gemeinsame Erlebnisse auffrischend, austauschend. Wer nicht vergessen ist, ist zwar immer noch und unumstößlich tot, da beißt die sprichwörtliche Maus keinen ebensolchen Faden ab.
Und doch ist da mehr, irgendwo beim Stochern im Ofen, wenn die Funken sprühen und das nasse Holz zischt. Es ist, als wäre noch jemand da. Jemand, der Dir genau im richtigen Moment die nächste Anekdote eingibt, vom Steckenbleiben im Morast, von den lustigen Fußspuren im frischen Beton, von Folienkartoffeln und von den Ritten auf der alten Crossmaschine, vom Vorauslaufen auf der neuen Wiese, vom ersten sonntäglichen Stalldienst. Tausend Geschichten, die man teilt.
Und wenn man dann hinaus ins Schneetreiben läuft, wird der Schmerz undeutlicher, diffuser, erträglicher. Dazu gesellt sich eine Freude, darüber, daß man dies alles erleben durfte, daß es diesen Menschen für uns gab, und man wärmt sich an dieser Freude, die man sonst aus Stolz verdrängt, man läuft am dunklen Stall vorbei und horcht. Alles ist still, kein Rascheln, kein Schnaufen, kein Rührwerk, das unerwartet anspringt. Man befühlt den Schmerz, tastet ihn ab, wie man einen betäubten Zahn abtastet. Er gibt selbst kein Signal ab, nur seine Umrisse erkennt man beim Darüberstreichen. Es ist nicht feige, sich zu freuen, und es liegt kein Heldentum darin, nur in Trauer zu ertrinken, jämmerlich und unbeweglich. Sie sind einander freund geworden in der langen Zeit, gemeinsam in mir. Sie sind beide richtig und gut. Schmerzen sind ein Signal des Lebens, und Freude ist eines des Himmels, ein Rauchzeichen etwa, der erste Baum, die erste Straßenecke, die man wiedererkennt, wenn man von weit her auf dem Weg nach Hause ist.

Rauchzeichen




die-kleine-anja   |   09.03.2006, 20:14   |  
worte, bei denen man schon beim zweiten satz weiss, dass sie wunden aufreissen werden. worte, die man aber trotzdem liest, weil es genau die worte sind, die man seit geraumer zeit selbst versucht zu schreiben. und es einfach nicht schafft.
Mitrauchen