Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

20.01.15, 11:47 | 'Der Vollstaendigkeit halber'
Am Freitag, da fahre ich erstmals einen Umweg für mein Telefon, das ich liegen gelassen habe. Und erst da wird mir klar, wie man sich heute verabredet: Wo genau? Ich melde mich. Wann genau? Ich melde mich. Wie genau? Ich melde mich. Und das alles ohne Telefon?

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Hach, diese Hochschule. Wir legen die Matten im Treppenhaus aus und bouldern, bis die Schultern schmerzen. Dann ein wenig Fingerkraft, und neben uns sehen ein paar Boxer erstaunt hoch, wie wir an den dünnen Leisten hängen. "You're tough" sagt einer, und von seinen Handschuhfäusten möchte ich keine gescheuert bekommen.

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Dann sitze ich tatsächlich im falschen Café. Oder im richtigen, so genau kann das keiner sagen. Wir finden uns, dank sei dem Telefon, und dann essen wir gemeinsam und erzählen uns was. Sie packt irgendwann ein Kartenspiel aus, mit Zerstörungspunkten, Dinosauriern und Robotern. Es ist spät, als ich sie nach Hause begleite, durch die Kopfsteinpflasterstadt am Hang, im leichten Niesel, wir beide unter unseren Kapuzen.

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Auf dem Heimweg denke ich noch an ihre Erzählung von der Kreuzfahrt, und wie das alles so gar nicht zu mir passen kann. Dabei kann ich mir eine Kreuzfahrt überhaupt nicht vorstellen, oder besser, ich weiß gar nicht mehr, was ich mir alles vorstellen kann oder was zu mir passt.

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Wir bauen den Faschingswagen auf, und der Bauunternehmer bringt seinen Lastwagen dazu. "Du kannst doch Stapler fahren und Schweißen" sagt er zu mir, und so wird das ein ganz großer Morgen.

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Eine Generalprobe in der staubigen Holzwerkstatt.

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Ein Schläfchen.

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Eine Generalprobe im Gymnastikraum.

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Wir fahren mit dem Bus zum Auftritt, und dort gebe ich mich weltmännisch, als mir eine junge Dame den Preiszettel vom Hut klauben will. Das gehört so, sage ich und tue, als würden sie mir alle nachstellen. Ich sehe sie nicht wieder an diesem Abend.

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Kabinenfeiern.

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Die Konfettikanone im Mund.

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Hallo? Hallo? Hallo?

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Unser Kreis, und wie er uns anzuschreien versucht.

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Sie stoßen die Köpfe aneinander.

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Hektisches Umziehen. Ich bin gleich noch einmal dran.

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Ich stehe gern verschwitzt und halbnackt auf einer Bühne. Liegen ist aber auch okay.

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Wir fallen in der Nacht noch über einen Geburtstag her. Wir trinken sehr viel. Und wir essen wilde Dinge. Pizzaschnitzel, Muffinschnitzel, Schnitzel. Der Vetter und ich, wir zwei Maschinen.

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Ich bin der Älteste hier, und das Unwohlsein trinke ich weg.

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Dann pöbelt mich einer an. Einer, der anstrengend ist, und den ich deshalb schon lang ignoriere. Der mir immer wieder etwas erzählen wollte, das ich nicht hören will. Warum immer ich, überlege ich und versuche, ruhig zu bleiben. Was treibt euch denn dazu, mich auszusuchen, zuerst für eure Vertraulichkeiten, dann für Zudringlichkeit, und mit meinem Unwillen dann zur frustrierten Aggression? Ich sage nichts, ich atme tief durch, und erst auf dem Heimweg denke ich mir, wie befreiend das Zuschlagen früher gewesen war. Warum nicht? Muß ich denn immer älter und klüger werden? Habe ich nur Angst vor meiner Schwäche? Davor, daß ich immer noch nicht zuschlagen kann wie andere, daß ich innehalte, daß ich Rücksicht nehme?

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Das Vermissen in Wellen. Ich wache immer noch an Dir auf. Ich sehe immer noch die Hundehaare auf meinem Beifahrersitz, und wie Du verschwitzt und rotwangig den aufgedrehten Hund herztest, eine Hand auf meinem Oberschenkel.

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Ich kann heute nicht laufen, ich bin noch immer wie erschlagen. Stattdessen wandern wir durch den Wald und lachen, und warum machen wir das eigentlich nicht immer? Das Jugendhaus als Treffpunkt, als Basis für gemeinsame Unternehmungen, wann ging das verloren? Mit dem Telefon, das weiß ich längst, denn damals ging auch ich verloren.

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Erst am Montag ziehe ich den Sonntagslauf nach. Jetzt auch mit Herzfrequenzmessung, und so recht weiß ich auch noch nicht, was ich damit anfangen soll. Außer, daß ich nach wenigen Kilometern am Ende bin, weit entfernt von der angepeilten großen Runde.

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Regale aufbauen.

Es ist ziemlicher Quatsch, das hier zu tun, wo ich nicht sein will. Und allein, wo ich ständig drei Hände bräuchte. Aber es ist richtig, es muß sein, denn der Aufwand zeigt mir Wert. Dann war da heute morgen noch ein Artikel, den ich nicht mehr finde, über Männer und ihre Wohnungen, und ich erinnere mich plötzlich an Dein Entsetzen, als Du in meiner Wohnung standest. Vielleicht ist es ja auch nur das.

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Wie Du damals in meinem Schrank geschaut hast, und mich gefragt, ob ich denn tatsächlich nicht mehr zum Anziehen besitzen würde. Doch, habe ich gesagt, aber die Anzüge trage ich selten, und die Arbeitskleidung nicht hier.

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Wie mir diese halbe Stunde in der Woche dann doch immer wieder die Begeisterung an der Gitarre zeigt. "Du singst gern", sagt er, und ich muß lächeln. Ja, das tue ich.

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Früh zu Bett, der Körper rumort. Nachts schwitze ich schwer.

Rauchzeichen




marmotamarmota   |   20.01.2015, 15:00   |  
Über Männer und Ihre Wohnungen gibt es sogar einen Bildband, nur falls Sie mal Geld über haben und ein großes Buch brauchen um ein loses Regalbrett abzustützen:
http://www.sueddeutsche.de/stil/wohngeschmack-was-maenner-durch-ihre-einrichtung-verraten-1.2303456

Obwohl, nein, bei Ihnen gibt es sicher keine losen Bretter.

texas-jim   |   20.01.2015, 15:40   |  
Hui, Sie haben den Artikel gefunden!
Da fühle ich mich schon ein wenig getroffen. Meine Wohnung ist klein und reduziert eingerichtet. Sie ist klein, weil ich sie günstig haben will, und sie ist reduziert, weil ich einfach wegkönnen will. Das hat mit der Suche nach einer Ersatzmami nichts zu tun, finde ich. Denn im Gegensatz zu einigen gut eingerichteten Damen, die ich kenne, habe ich zum Beispiel eine vernünftige Küchenmaschine und kann durchaus damit umgehen.
Es ist nur so, daß ein befristeter Arbeitsvertrag und die große Frage danach, wie und wo es denn weitergehen soll, sich auf meine Wohnung auswirkt. So muß ich meine Wäsche sommers auf dem Balkon und winters leider in der Wohnung trocknen. (Wie und wo sind durchaus Fragen, die man bei Bedarf zu zweit diskutieren kann. Das gebe ich zu.)
Und daß es durchaus andere gibt, die sich besser einrichten können, bezweifle ich gar nicht. Dafür bezweifle ich, daß Begeisterung ansteckend wirkt - mein Rennrad über der Couch wirkt eher befremdlich, fürchte ich.

(Im Moment sind noch einige Bretter lose - mir sind gestern abend die Schrauben und die Lust ausgegangen. Aber das wird.)

marmotamarmota   |   20.01.2015, 17:11   |  
Ja, vermutlich ist die Frage doch ganz einfach - es hängt eben davon ab, ob einem die Wohnung wichtig ist. Sie werden vermutlich viel mehr Zeit und Geld in Ihr Fahrrad oder Werkzeuge aller Art stecken....Ich dagegen (nur um ein Beispiel zu nennen) habe mir trotz befristetem Arbeitsvertrag einen 80qm Altbau-Palast gegönnt, Biedermeiermöbel gekauft und jetzt Schweißausbrüche, wenn ich an den nächsten Umzug denke (die Bücher-Apokalypse!).
Was nun die Wirkung auf besuchende Damen angeht, kann ich nur von Begeisterung berichten- allerdings gehöre ich zu der im Artikel genannten Gruppe, der man einen besonders guten Geschmack nachsagt, mein Blickwinkel ist also da ein anderer, Sie verstehen.
Allerdings, und das ist vermutlich der Kern des Ganzen, muss es authentisch sein- wenn das Fahrrad über dem Sofa zu Ihnen gehört, dann ist das eben auch richtig so! Nur eine perfekte Wohnung einzurichten um anderen zu gefallen- also bitte, was soll denn das!

mark793   |   20.01.2015, 17:27   |  
Für den Geschmack meiner damaligen Kollegin und heutigen Frau war meine Junggesellenwohnung etwas zu kühl und steril eingerichtet. Für mich hats gepasst, abgesehen davon, dass die 75 Quadratmeter für mich alleine ein bisschen überdimensioniert waren, nachem meine vorige Lebensgefährtin ausgezogen war.

Zumindest konnte ich meinen Style ins Arbeitszimmer des Familienwohnsitzes retten. Ich habe hier z.B. ein sehr schönes Chromregal mit Rauchglas-Fachböden stehen, das ich einst einem Herrn abkaufte, der mit seiner neuen Flamme zusammenzog und sich seufzend ihrem messingdominierten Stilkdiktat unterwarf. So wollte ich nie enden.

texas-jim   |   23.01.2015, 10:26   |  
@marmotamarmota:
In bestehende Fahrräder investiere ich nicht einmal so viel - Wartung ist recht kostengünstig, wenn man sie selbst erledigt. Und technisches Hochrüsten ist bei mir auch eher selten. Ich halte mich insgesamt für sparsam.
Hier ist es eher die Situation des Jobs: Der wird so sicher nicht weitergehen. Und ob ich danach hier bleiben möchte, oder zu jemandem ziehen oder wieder in heimatliche Gefilde, das kann ich überhaupt nicht sagen. Ich bin gern in der Heimat, habe aber das Gefühl, das sei eine Niederlage. Als ginge es dort nicht weiter, als hätte ich das "durchgespielt". Dort eben alles erlebt. Hier wiederum hält mich nicht viel, ein paar Freunde, die ich selten sehe, die ebenfalls alle auf dem Sprung sind. Hält man sich denn daran fest? Und daß ich jemals jemandem nachlaufen, gar nachziehen könnte, hätte ich selbst nicht geglaubt. Aber wenn ich es recht überlege, habe ich das damals auch schon gemacht, als ich zu promovieren begann. Und beim Marathonmädchen hatte ich nicht einmal Zweifel: Bei ihr wollte ich sein.

Ich würde mich nicht einrichten, nur um anderen zu gefallen. Aber da ist schon was dran - ich bin recht einfach zufrieden, ich kann mit Provisorien leben. So habe ich immer noch nur einen kleinen Aufstellofen, weil ein richtiger nicht in die Küche passen würde. So trockne ich meine Wäsche eben in der Wohnung, weil es winters nun nicht anders geht. Meine Schuhe stapeln sich auf einem Brett über der Wohnungstür - das spart Platz. Ich muß ein wenig mehr tun, weil ich mich auch selbst nicht ganz wohl fühle hier - allerdings bin ich nicht recht sicher, was und wie. Ich habe zwei Pflanzen auf dem Fensterbrett, die mir Supergirl hinterlassen hat. Und einen Kasten, in dem ich Teekräuter ziehe, wenn denn mal wieder die Sonne scheinen mag. Ich habe jetzt ein Bücherregal, das eine Eigenkonstruktion ist und ein paar handwerkliche Schnitzer hat. Freihand, was will man machen. Und gestern abend habe ich eine neue Lampe aufgehängt, die ich von meinen Eltern geschenkt bekommen habe. Die hatte mal eine Fernbedienung und das Funkmodul war irgendwann defekt, also habe ich sie umgebaut. Aber das war eher Resteverwertung.

Authentisch, da sagen Sie was. Was passt denn zu mir? Ich bin beim Stöbern im Internet und im Laden oft überfordert. Ich weiß nicht recht. Was brauche ich denn schon? Ich hätte gern noch eine Ablage im Flur, für Schlüssel, Geld und Telefon. Ich wäre auch gern den Schrank, der zum Inventar gehört, los, aber der passt nun mal nicht in den kleinen Keller.
Und mehr Geld auszugeben fürs Wohnen? Klar hätte ich gern ein zweites Zimmer, aber ich selbst komme auch mit einem klar. Da spare ich mein Geld lieber und kaufe mir mal etwas zum Wohnen. Das allerdings werde ich allein und auf dem Sprung nie brauchen, und so beißt sich im Moment die Katze in den Schwanz. Ich sehe recht schwarz im Moment, denn ich bin ziemlich traurig, bitte sehen Sie mir das nach.

texas-jim   |   23.01.2015, 10:28   |  
@mark793
Ja, ich hatte auch mal eine Vorstellung davon, wie ich nie enden wollte. Die Wohnung des Marathonmädchens ist voller Dinge, die ich nicht kaufen würde. Emailleschilder zum Beispiel, und einzelne Kleiderhaken. Und trotzdem habe ich mich dort wohl gefühlt, mich überhaupt nicht gestört. Ich könnte mich da tatsächlich sehr weit zurücknehmen, ohne daß mir etwas fehlen würde.

mark793   |   24.01.2015, 18:24   |  
Das ist gut. Ich habe, als ich vor 25 Jahren mit meiner damaligen Freundin zusammenzog, beim Thema Einrichtung sehr wenig Kompromisse gemacht. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, das wäre der Hauptgrund gewesen, dass ich ein paar Jahre später die Wohnung für mich alleine hatte, aber es hat schon seinen Teil dazu beigetragen.

texas-jim   |   25.01.2015, 17:28   |  
Man könnte es auch so sehen, daß bis jetzt noch niemand Ambitionen zeigte, mit mir zusammenzuziehen ;)
Mitrauchen
 

berenike   |   23.01.2015, 12:12   |  
Ich bin ja in die fertig eingerichtete Wohnung des verrückten Radfahrers gezogen. Obwohl weiblich, geht es mir wie Ihnen, so richtig weiß ich auch noch nicht was zu mir passt. Aber ich habe mir schon vor einigen Jahren mit der Vorgängerwohnung versucht dieser Frage zu stellen: Heraus kamen ein paar schöne Einzelstücke, dir mir heute noch sehr gefallen und in der Radfahrerwohnung anderes verdrängen durften.

Ich freu mich aber schon auf das lustige Beziehungsexperiment, wenn wir mal eine größere Wohnung beziehen, also gemeinsam einrichten und nicht nur schauen müssen, was geht von meinen Sachen rein.

texas-jim   |   23.01.2015, 21:05   |  
Wenn ich ein paar Sachen mitbringen und mein Griffbrett über eine Tür hängen darf, bin ich schon zufrieden. Der Rest ergibt sich. Daß auch nur ein Stück irgendwas verdrängen muß, denke ich nicht. Na, vielleicht wäre es schade um die Mühe mit meinem Regal. Aber von mir aus darf dann der Rest dessen, was ich hier so sammle, ob gekauft, geschenkt oder selbst gebaut, auch raus. Und ein Rad muß auch nicht zwingend über einem gemeinsamen Sofa hängen, wenn es einen anderen Platz findet.
Mitrauchen
 


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