Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

14.10.13, 15:18 | 'Der Vollstaendigkeit halber'

Auf dem Heimweg kaufe ich schnell eine Blume. Ein Geburtstagsgeschenk, und dafür fahre ich auch mal mit dem Auto ins Büro. Like a flower, denke ich, aber in meinem Kopf sind ja doch immer mehr Lieder als auf dem Telefon. Also singe ich bloß.

#
I am a flower
I grow for you
#
Ich kann das wirklich nicht, dieses Angefahrenwerden, wenn ich etwas frage, wenn ich unvorbereitet bin, weil ich freundlich und arglos bin in diesem Moment. Ich verstumme, und das scheint zu helfen.

#
Das kranke Mädchen und das kranke Mädchen und das kranke Mädchen. Sie machen mich krank mit ihren Krankheiten, und vielleicht verstärken sich solche Dinge tatsächlich gegenseitig. Ängste, Sorgen, Gehetztheiten.

#
Ein paar Runden klettern wir trotzdem, und immer, wenn ich im Überhang meinen Fingern nicht mehr traue, wenn meine Unterarme dick und feurig werden, weiß ich nicht mehr genau, warum. Dann eine glatte Wand mit kleinen Griffen. Ich finde sie nicht unfair, aber ich bin auch einsvierundachtzig. Ich trainiere Klimmzüge mit fünfzehn Zusatzkilos. Ich kann mich manchmal in Züge versenken, auf meinen Körper konzentrieren. Ich steige eine Sieben vor, und zurück am Boden spüre ich, wie die Venen unter der Haut pulsieren, wie die Körperspannung sich auflöst und wie ich einen erlösenden Schrei unterdrücken muß.

#
Auf Verdacht besorge ich Dichtband, Schlauchschellen und Adapterstücke. Wir vereinbaren sechs, und da sehe ich sie schon im Kreis stehen. Ich möchte das nicht mehr wissen, möchte nicht in diese Sorgen geraten. Mir reicht eine Sicht der Dinge, Deine Sicht, denn ich möchte nicht urteilen, ich möchte, statt unvollständig zu sein, lieber außenstehend bleiben.

#
Ich flicke die Waschmaschine, die wir gestern nach oben getragen haben, an die Anschlüsse. Dicht. Die Begleiterin kocht, und so lange liege ich mit dem Hund am Boden. Endlich wieder ein großer Hund, seufze ich, und dann hat er auch schon meinen Arm zwischen seinen Fängen, die Pfoten auf meiner Brust, und von alldem bleiben am Ende nur ein paar Haare übrig, so gut kann dieses Tier sich dosieren. Ich werfe ihn um, er drückt mich zu Boden. Schleckt meine Ohren aus und meine Brille vom Kopf. Ich lache, und als die Begleiterin die Teller hereinträgt, glaube ich, daß sie uns schon eine Zeit zugesehen hat.

#
Die Wohnung ist groß, und sie füllt sie mit Leben. Was ich sagen soll? Ich weiß es nicht, auch wenn sie zwei Mal fragt. Mein Schulterzucken ist nicht teilnahmslos, nur ahnungslos, sage ich.

#
Die Routen, bei denen ich mich schon strecken muß. Supergirl springt und fängt sich, springt wieder und wieder, und irgendwann packt sie der Frust. Ich muß lachen, als sie da baumelt und gegen die Wand tritt, aber ich lache so, daß sie es nicht hören kann.

#
An der Theke sitzen die Dörfler. Ich bin perplex. Meine Welten vermischen sich. Wo kommt ihr denn her, frage ich, schaue durch Bierkrüge und Schnapsgläser. Supergirl geht zur Bahn, und da war doch mein Plan, endlich, endlich, mich bloßzustellen, nicht nur von Begeisterung zu reden und davon, daß ich sie vermissen würde, sondern zu fragen, wie das denn werden soll, und zu erzählen, wie es denn geworden ist, in drei vier Sätzen auf einem Klebezettel entworfen, weil ich das sonst niemals zusammenbringe, und dann ist sie weg, und ich schreibe in die Nacht hinterher, daß Österreich verloren hat. Dann bleibe ich vielleicht, antwortet sie, und ihr sitzt der Schalk im Gesicht, das sehe ich durchs Telefon, und sie schreibt, daß ich warten soll, sie wird mir mehr Reiten beibringen, und vielleicht ist es das, von ihr zu lernen, von ihr zu nehmen, daß ich hinterher weitergehen kann. Überhaupt: gehen können. Weitergehen können. Weiter gehen können. Ich hätte gern, daß es weitergeht mit uns, schreibe ich nicht. Daß es weiter geht. Daß Du mir nicht nur Deine Wohnung zeigst. Nicht nur von Dir erzählst. Das schreibe ich nicht. Nur: Danke.

#
Ich weiß nicht, was das Gegenteil von Hoffnung ist, aber ich springe sehr oft von dort nach hier.

#
Wie soll ein Mensch das ertragen
Dich alle Tage zu sehen
Ohne es einmal zu wagen
Dir in die Augen zu sehen
#
Es ist tiefe Nacht, und ich schleiche mit einem Bier in der Hand durch das Elternhaus. Setze mich zu meinem Vater. Wir reden nicht. Irgendwann steht er auf aus seinem deckenbehängten Sessel, und ich meine immer noch, den Rauch riechen zu können, nach zwei Jahren noch. Manchmal bin ich wütend auf ihn, und erstmals fällt mir in dieser Nacht auf, daß er mir mein Altern zeigt. Meine Gebrechlichkeit, meine Zeit mit Hosenträgern und Gürtel und allgemeinem Unmögen, und daß ich nicht so altern möchte wie er. Vielleicht bin ich deshalb manchmal wütend. Tu etwas, möchte ich ihm sagen, der so viel getan hat, der sich aufgeopfert und abgearbeitet hat, und der jetzt müde ist. Tu etwas, auch wenn meine Rezepte ihm vielleicht nicht helfen. Weil ihm sein Alter mehr sagt, als ich ihm sagen kann. Weil er so viel klüger ist, so viel ruhiger, so viel weiter. Vielleicht würde ich ihn auch nur gerne lächeln sehen.

#
Ich atme Stallduft.

#

Messerschleifen, Messer wechseln.

#

Es ist nicht nur die Härte des Materials, die gewinnt. Manchmal gewinnt auch einfach nur die Zeit.

#
Alle haben sie Termine, und ich schicke sie alle weg. Ich mache fertig, sage ich, und als ich allein bin, singe ich "Bonfire heart", und ich mag meine Stimme im Melkstand, und dann jage ich die zwei Kühe, die ausgebüxt sind, in Gummistiefeln und Gummmischürze, und selbst diese klatschenden Geräusche mag ich sehr.

#
Abends bin ich zu müde. Das Telefon schweigt.

#
Sonntagserledigungen. Banken, Blumen, Einkäufe. Ich besitze jetzt einen Toaster und einen Wasserkocher. Wenn ich nur Pitabrot und frischen Tee aus dem Urlaub retten kann. Und das Wissen um das Glück, neben Dir aufgewacht zu sein.

#
Ich koche schnell und würzig. Gemüse, Reis, Sahne. Ich schreibe Mails an die Verwaltungen. Ich räume auf und um. Ich treibe wieder die Idee von meinem Bett. Ich packe die alte Gitarre ein. Ich suche farbige Flaschen und überlege, wie man Glas schneiden kann.

#
Der Sonnenuntergang ist prächtig, und es ist dunkel, als ich in die Stadt komme. Mehrfach habe ich das Telefon in der Hand, aber dann lasse ich es bleiben. Lege Wäsche zusammen. Lese noch ein wenig.

#
Gibt es etwas, das deutscher ist, als Pitabrote mit einer Perforation, an der man sie aufreißen kann?

#
Ich muß mir meine Abende erkaufen. Und warum eigentlich nicht? Gemeinsamkeit gegen Geld, und ich bringe die Gitarre mit. Andere gehen zu den Mädchen in den Schänken, ich nehme Gesangsunterricht.

#
Besuch uns wieder, sagen sie, und ich lächle. Die Frequenz ist schon richtig, der Takt zwischen uns.

#
Im Internet sehe ich die Sonntage der anderen. Ausschnitte, gewählte.

#
Vier Bilder aus diesem Jahr sollen meine Wände zieren.

#
Letzte Woche ein Jahr.

Rauchzeichen




To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.