Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.

05.01.11, 18:26 | 'Kann Spuren von Irrsinn enthalten'
Menschen, die fünfstellige Summen für hässliche Regale ausgeben, aber eine völlig ungeeignete Lampe für ein Badezimmer beim Pressplattenschweden kaufen. Was muß das früher schön gewesen sein, denke ich, als man nicht alle naselang neue Möbel kaufen mußte, weil wieder ein neues Schwarz sich in ein altes Grau verwandelt hatte. Als das Zeug noch einfach teuer war und genau deshalb auch einen Wert hatte. Zwei, um genau zu sein. Einen Geldwert und einen Warenwert. Nicht nur Blendwerk, schön lackiertes Plastik. So rege ich mich auf, während ich die billigen, verschundenen Schrauben aus dem kreischend splitternden Plastik quäle. Ich stehe auf dem Wannenrand und auf den Zehenspitzen. So brauche ich wenigstens keine Leiter. Weil Leitern sind meist wie Lampen. Unzuverlässiges Volk.
Ich hätte ja noch jahrelang mit einer Glühbirne gelebt. Glühbirnen sind toll, die Fassungen sind Standard, und ob ich jetzt bei sechzig oder achtzig Watt dusche, ist mir auch gleich. Aber es mußte eine Lampe her, und es mußte Halogen sein und davon viele. Halogen bedeutet zig Fassungen, für die man ständig die falschen Birnen kauft. Halogen bedeutet heiß werdende Transformatoren, und mit fünf mal zwanzig Watt Halogen braucht man auch noch mehr Strom als mit einem Mal hundert Watt Birnenlicht. Ach, denke ich und klemme mir eine Schraube in den Mund, um mir das Fluchen abzugewöhnen.
Zuerst war es hell, dann begann immer wieder die Suche nach Leuchtmitteln, und weil es fünf sind, die kaputtgehen können, gehen sie auch fünf mal so oft kaputt. Aha. Dann wurde es alle paar Minuten duster. Das nahm ich lächelnd hin, spart es doch Wasser und Energie, wenn man nicht so lange duscht. Ein Licht-Countdown, und als Trödelstrafe das aufgeschlagene Knie an der Wannenkante. Oder wahlweise mit Zahnpastaspitzern im Büro zu sitzen, weil man sich im Spiegel nicht mehr erkennen konnte. Aber was will ich mich auch sehen, ich bin mir schön genug. Zum morgendlichen Frühsport, der ehrlicherweise nur aus Gähnen bestand, gesellte sich ein Strecksprung zum Trafo mit anschließendem Klaps. Väterchen Jahn wäre stolz gewesen, die Lampe tat ein paar Minuten ihren Dienst. Das Plastik knackte, aber mir egal. Die Leucht- und damit die Duschintervalle wurden kürzer, die Sprünge höher, die Schläge ruppiger. Plastik bröselte sanft auf den Läufer im Badezimmer. Dann Dunkelheit und die schnelle Lösung: vierhundert Watt aus dem Baustrahler, hallo wach! Bleich sah ich aus im Spiegel, aber der Strahler gab morgens schön warm, und irgendwie gleicht sich ja immer alles aus im Leben. Ich mag Baustrahler.

Nun gibt es Damenbesuch und meine Eitelkeit, und so kam es, daß ich auf dem Wannenrand balancierte, den Trafo aus der berstenden Halterung riss und die Schrauben halbherzig zusammenklaubte. Braucht man sowieso nie alle, und Schrauben in Plastik sind auch nichts für meine Hände und meine Ansicht von handfest.
Ein neuer Trafo kostet einen Zehner. Zum Pressplattenplastikschweden zu fahren kostete mich zu viel Überwindung. Und überhaupt riecht die Geschichte komisch. Ein brauner Brandfleck auf dem unvermeidlichen Plastik, direkt neben dem großen Riss, und irgendwann fällt mir, als ich eben die beiden großen Leistungstransistoren im Kopf schon ganz wo anders verbaut habe, eine Lötstelle auf.

Einsam, kalt, ohne Lot. Ist ja auch kein Plastik, das können die nicht. Ich schaue nochmal nach den Transformatoren. Die neuen passen nicht in die übel zugerichteten Ruinen des alten Gehäuses, und einen losen Trafo will auch ich nicht im Bad an Kabeln baumeln haben. Zurück zur Glühbirne kann ich auch nicht, da für die dusslige Lampe die Decke durchsiebt wurde. Spachteln, streichen, am Arsch lecken. Löten.
Wieder stehe ich also auf dem Wannenrand, pflanze Trafo, Gehäuse, Kabel, Abdeckungen und Schräubchen zusammen und nehme mir vor, eine im Mund zu behalten. Da passt was nicht, da knackst es böse, dort ist was nicht montierbar und rutscht was anderes wieder raus, hier dreht eine Schraube durch und ein Texaner auch gleich. Schließlich hole ich doch einen kleinen Tritt. Höher ist besser. Immer noch grummelnd tappe ich irgendwann zum Lichtschalter - Licht. Und für den Baustrahler finde ich schon noch ein anderes Zimmer.

Rauchzeichen




mark793   |   05.01.2011, 19:13   |  
Hach, ich liieeebe solche Geschichten, weil sie mich daran erinnern, dass ich nicht allein bin in der Twilight Zone. Und Mit so Agent-009-mit-Lizenz-zum-Löten-Nummern kriegt man mich ja auch immer. Zumal ich neulich beim Schiebedimmer meines Deckenfluters mit meinem Latein wirklich am Ende war.

Im Flur haben wir ja seit einiger Zeit auch so Halogendings, das mit 15 10-Watt-Birnchen nicht annähernd so hell macht wie die 100-Watt-Birne vorher. Aber jetzt ist es, ähem, wohnlicher. Die Funzel, die man uns als Ersatz für die verreckte Version schickte, sah übrigens gleich aus, hatte aber eine völlig andere Art der Aufhängung. Da war auch Improvisationstalent gefragt, ich war kurz davor, mir einen M 10 X 1-Gewindeschneider anzuschaffen...

petersilie   |   06.01.2011, 20:58   |  
So'n Gewindeschneider hat man doch im Nachttischchen. Oder fragen Sie mal Ihre Frau - hat die sowas nicht in ihrer Handtasche? ;-)

mark793   |   06.01.2011, 21:06   |  
Standard-M 10 hat jeder, aber nicht M 10 X 1, das Lampengewinde. Es kann sogar sein, dass ich doch einen habe, aber der passt nicht die Aufnahme meines Standard-Sets.

Messing antik geht übrigens gar nicht (schon gar nicht für so Heidengeld). Mein Chrom-Atomium stammt vom Sperrmüll und kostete mich nur ein bisschen Schweiß beim Heimtragen, Reparieren, Neuverkabeln und Aufhängen.

petersilie   |   06.01.2011, 21:17   |  
Sehr löblich.
Ich beneide Sie um dieses wunderschöne Stück, und zwar völlig neidlos.

Und ich möchte mich an dieser Stelle gleich noch für den schlechten Geschmack meiner Ahnen entschuldigen. Und dafür, dass sie mit einem derartigen Heidengeld die Produktion derartiger Artikel gefördert haben. Aber was wollen Sie von wem erwarten, der sich das Bad in einer Farbe namens Patina einrichtet, mit pergamentgeribbelten Fliesen, mit grünem Rand, auf jeder zweiten eine orangene Blume, mittig, und das bis in 3m Höhe...? Normalerweise hätte der Fliesenleger da ein Schmerzensgeld bekommen müssen.

Ich weiß, dass M10x1 ein fieses Maß ist. Ich hatte dieses Gedöhns irgendwann mal, weil es beim Eicher hier und da Ecken gibt, da ist das Gewinde ein Linksgewinde und dann nichtmetrisch, sondern auch noch englisch. Da wollte ein Händler für das Schneideisen 340,- EUR von mir, und sechs Wochen Lieferzeit.
Es ging dann aber wesentlich schneller. Und billiger.

Und das mit der Handtasche hab' ich nur geschrieben, weil mir heute morgen beim Frühschoppen ein Forstnerbohrer aus der Joppe gefallen ist. Fragen Sie mich aber bitte nicht, wie der da hinkam.

mark793   |   06.01.2011, 21:34   |  
Achso, das gute Stück stammte von den Altvorderen, jagut, ich sach mal, dass meine Ahnenreihe in der Hinsicht auch Leichen im Keller hat.

Forstnerbohrer, soso, Sie sind mir ja eine. Aber dann brauche ich Ihnen über Gewinde ja nichts zu erzählen (zumal ich eh nichts davon verstehe). Aber in Lampengedöns hatte ich mich mal reingearbeitet hobbytechnisch; leider habe ich mein umfangreiches Ersatzteillager bei einem Bekannten in der Vorderpfalz deponiert und nicht mit an den Niederrhein transferiert, sonst würde ich vielleicht noch ab und zu...
Mitrauchen
 

jean stubenzweig   |   06.01.2011, 16:32   |  
Womit wir – durch Ihre wunderschön grummelig geschilderten Ereignisse – wieder mal bei der (Welt-)Rettung der Beleuchtungsindustrie durch die EU wären.
Mitrauchen
 

petersilie   |   06.01.2011, 20:55   |  
Hätten Sie DAS mal früher gesagt: Letzte Woche habe ich einen antikisierten Messingkronleuchter, sechsarmig, Bj. 82, wenig Betriebsstunden, mit altersbedingten Staubschichten, zu bestücken mit 6xE14 Kerzenbirnen à 60 W (jaaa, da wird's hell in der Kapell !!!), Neupreis DM 1.259,00, dem Sperrmüll mitgegeben.
Den hätte ich Ihnen sogar geschickt, und der hätte optisch auch von Ihrer Decke abgelenkt, selbst wenn die mittlerweile wie ein Schweizer Käse aussehen sollte.

Insofern haben Sie recht, allerdings musste man schon damals bescheuert ein echter Liebhaber dieser, ich sag' mal vorsichtig "Stilrichtung" sein, um ein Monatgehalt für sowas auszugeben.

Wenn Sie mich fragen: Das ganze teure Zeug war nicht wirklich immer sein Geld wert.

2009 stand bei uns auch im Zeichen der Lampen, und da habe ich festgestellt, dass 400,00 EUR durchaus sinnvoll in eine Lampe investiert sein können. Zumal wir vorher zweimal 139,- EUR für Schrott zum Fenster 'rausgeworfen hatten - also so Lampen, denen dann mal ständig der Trafo durchbrennt, und all diese Scherze.

So 'ne Lampe darf dann aber nicht in antikisierender Messingoptik gehalten sein, sonst kommt ratzfatz die Geschmackspolizei.
Mitrauchen