Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 5. 09 23

05.09.23, 09:48
Am eigenen Tagesablauf genau dann arbeiten, wenn ich ihn frei gestalten kann.

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Was funktioniert, ist meine Liebe zur Bewegung.

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Ein paar Notwendigkeiten habe ich auch liebgewonnen, und so mähe ich einfach sehr gern den Rasen.

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Nur die Herbststürme, die kommen mir noch ungelegen.

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Eine weitere Notwendigkeit, das Zähneputzen, habe ich durch den Kauf einer wundervollen Zahnbürste tatsächlich zu einem Ereignis gestalten können, auf das ich mich Tag um Tag freuen kann.

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Wir hatten ja nix, denke ich, aber zum einen war die Zahnbürste doch auch teuer, und zum anderen besteht der Alltag dann doch aus Notwendigkeiten, und warum nicht diese angenehm gestalten.

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Nachrichtenwert habe ich keinen. Ich sammle hier nicht einmal Quellen.

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Dafür verfolge ich Themen, lese hier und dort und male mir ein Meinungsbild daraus. Zu der gerade beschlossenen Kindergrundsicherung fiel mir ein Artikel der Tagesschau auf, der eine sechsunddreißigjährige Frau beschreibt, die zwei Kinder hat und studiert. Ihr Einkommen wird mit zweitausend Euro beziffert, und ich hatte lang die Frage im Kopf, wie wenig das wirklich sein mag. Es kommt ja drauf an, wie so oft, auf die Umstände, auf die Miete, auf die Kinder. Es sind aber, so denke ich weiter, eben nicht nur Umstände, sondern auch Lebensentscheidungen, zwei Kinder, das späte Studium, und Lebensentscheidungen haben dann doch auch Konsequenzen. Ein paar Tage später stolpere ich über eine Tabelle des IFW Kiel, das die Beihilfen für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern auf zweitausenddreihundert bis zweitausendvierhundertundsechzig Euro beziffert. Ja, was denn nun, denke ich, und es ist doch ein seltsam konstituierendes Merkmal dieses Landes, dass solche Zahlen niemals nachvollziehbar sind. Die Differenz ist immerhin ein Nebenjob, und gerade dann nicht unwichtig, wenn über das Ausreichen oder Nichtausreichen dieser Summen geschrieben wird. Und daß eine solche Summe jeden Monat vermutlich recht schnell aufgebraucht, aber doch auch irgendwie ganz schön groß ist, mag beides stimmen. Einerseits, andererseits, Umstände, Lebensentscheidungen.

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Ich muss die Zeitleiste von Google Maps nutzen, um nachzusehen, wie oft ich schon im Fahrschulunterricht war. Ich sitze dort mit jungen Leuten, die fürs Autofahren lernen, und mit erstaunlich vielen Leuten in meinem Alter, die für den Lastwagen lernen. Stepstone beziffert das Durchschnittsgehalt eines Lkw-Fahrers bei vierzig Wochenstunden auf weniger als zweitausendsiebenhundert Euro. Brutto. Es müssen ganz schön viele Leute fahren, um davon noch die Steuern aufzubringen, damit anderswo gut zweitausend Euro zusammenkommen.

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Einen Nachmittag streune ich auf hilfloser Suche durch ein Möbelhaus, wo man Sofas um knapp zehntausend Euro feilbietet. Um den Preis, denke ich, fahren andere Leute Fahrräder.

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Dem Herbst entgegen, dem Herbst entgegnen.

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Und im Hinterkopf immer das ungute Gefühl, wir diskutieren die falschen Themen.
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