Dieseldunst
I'd rather be a forest than a street.
Dienstag, 10. 11 09

10.11.09, 19:10 | '10000 lightyears from home'
Es ist der Betriebsrat, der jetzt meine Anstellung verhindert hat.

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Wie freundlich sie hier sind. Wie ich alles tun darf. Nimm, Junge, sagt der Meister, und es scheint, sie täten alles, um mir das Bitten zu erleichtern.

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Ob ich das wohl gelernt habe, in den letzten sechs Monaten? Das Bitten, das Fordern? Oder nur das Fragen nach dem Gelernten; dem eigenen Fortschritt auf der Spur zu sein, und damit mein eigener Überwacher. Ich habe im vorigen Satz ein "endlich" gelöscht. Ich konnte es da nicht sehen, aber ich möchte festhalten, daß es dort hingeraten ist. Und: daß mir das auffiel. Es ist also noch nicht zu spät. Womöglich.
Doch das Unwohlsein in der Erstarrtheit, wo Bewegung sein sollte, weil es zu viele Richtungen gibt und zu viele Geschwindigkeiten, das kannte ich schon. Jetzt, so scheint es, hilft dagegen nur noch die Bewegung.

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Wie seltsam, mich so gar nicht angestrengt zu haben. Aufzufallen, mit alten Farben und Mustern. Dabei war das gestern erst, möchte ich sagen. Doch ich bin nicht mehr gestern, auch wenn ich die neuen Muster noch nicht zu unterscheiden vermag.

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Eine Art Ausgleich findet statt, und wenn das so weitergeht, werde ich irgendwann noch an diese Yin-und-Yang-Geschichte glauben.

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Wie wenig ich mir vorstellen kann, kennengelernt zu werden. Daß jemand, der diesen Menschen kennenlernt, ihn auch noch mögen lernen kann - und wie bezeichnend, daß mir hierfür keine Passivkonstruktion einfallen mag.

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Ob es denn ein Nachteil sein muß, unvernetzt zu wohnen?

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Immer wieder erforschen, vertiefen. Hineinhören und aufdröseln. Instrumente statt Orchester, und Töne und Rhythmen statt Musik, und wie sich die Musik nicht mehr zu erheben vermag aus ihrer Dekonstruktion, sondern in Scherben liegenbleibt.
Und selbstverständlich geht es mir nicht um die Musik, sondern um mich, wie könnte es an dieser Stelle anders sein? Die anderen kenne ich doch nicht, was könnte ich von denen schon wissen, hätte ich vor kurzem noch gesagt. Nur um festzustellen, daß dieses Bohren, Zerfasern und Sortieren es mir unmöglich macht, mich selbst als Ganzes zu begreifen. Daß der Versuch, Komplexes zu zerlegen, es zerstört. Und so liege ich wach und erschrecke daran, mich nicht einmal mehr selbst zu kennen.

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Langsam gewöhne ich mich, indem ich die Zeitspannen verlängere. Ich erkaufe Geborgenheit im Ersatz der Dinge, die ich vermisse. Ihr nennt das Leben, vermute ich.

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Auf der Auffahrt gerate ich ins Schleudern und fange den Wangen nur mit Mühe wieder ab. Der große schwarze Kombi hinter uns, der schnell die Spur wechselt. Die nahenden Leitplanken und die Hände am Lenkrad, die Schuhe auf den Pedalen.

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Raten Sie mal, wer es nicht schafft, im bekannten schwedischen Möbelhaus ein Regal zu kaufen. Der Gestank! Die Gänge. Überall Hinweise, und freundliche Schilder. Ein Sessel, drei Farben, vier Polsterungen, drei Hocker, drei Farben, vier Polsterungen.Drei hoch vier mal vier hoch zwei, rechne ich, und dazu eignet sich der Sessel übrigens ganz vorzüglich, auch wenn ich nicht weiß, ob sich alle Polsterungen von Sessel und Hocker kombinieren ließen, ohne selbst das immer lächelnde Personal in Blau und Gelb zu nach oben wandernden Brauen zu verleiten.
Abends zuvor der Erstbesuch mit dem Freund. Mit meinem Blutdruck könnte man einen Achttonnenkipper hochdrücken, sage ich nervös, und darin ist noch viel zu wenig Koketterie. Einer muß mir dieses Leben ja zeigen, sage ich zu ihm, und kaufe ein rotes Handtuch, das zur Einrichtung des Badezimmers passt. Es fusselt stark, wenn man sich damit abtrocknet.

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Auf langen Autofahrten gerate ich ins Grübeln.

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Das Verlagern des Einzelnen ins Industrielle. Denken Sie nur an Brot und Marmelade! Denken Sie an alle Lebensmittel, meinetwegen.
Und nun, vergessen Sie Lebensmittel. Ich bin in einer Branche. In einer Firma. In einer Abteilung. In einer Gruppe. Zuständig für, nichtzuständig für alles andere. Spezialisierung, Verkleinerung, um den Kopf frei zu halten vom Übrigen, und sich konzentrieren zu können. Darum wurde wohl die Fertigpizza erdacht, aber das ist nun sicher zu weit hergeholt. Und am Ende bleibt nichts vom Kuchen, wenn er nur oft genug geteilt wird, und wer nichts hat, der ist auch nichts und kann gerne gehen. Ein Schelm, wer an einen Absatz weiter oben denkt, aber ich möchte Ihnen ja nichts vorschreiben.

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Ich kann in leeren Räumen mein Telefon verlegen. Meine Räume sehen immer leer aus. Vielleicht möchte ich deshalb keine haben. Vielleicht sind große Räume ein Fehler.

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Kann es denn sein, denke ich, weil ich nun versuche, die Verbundenheit zu erklären, daß mich nur die Taschentücher halten? Nicht einmal die, sondern nur das Wissen, daß da und dort Taschentücher sind, zu sein haben?
Das Erklären ist ein Erläutern ist ein Annähern. Und das Ganze wird wieder unübersichtlich und unaussprechlich, und ich greife mir Brocken aus dem Berg, und versuche sie zu beschreiben. Sie zerbröseln unter meinem Blick, oder sie offenbaren Grünspan und Moos an versteckten Stellen, und als ich nur genug von ihnen abgetragen und über meine Schulter geworfen habe, stürzt er ein, der Berg, und nichts bleibt. Ein Schelm, wer - aber ich möchte Ihnen, wie gesagt, nichts vorschreiben.

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Wie seltsam. Manches lässt sich nicht zerlegen. Vielleicht ist nur das wahr, und das hat so gar nichts mit Chemie zu tun. Mit Hoffnung, vielleicht.

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Das Formulieren der Grundbedürfnisse. Ihr Erfüllen. Das Verzetteln. Fehlende Prioritäten.

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Wie Arbeit Arbeit bedingt, denke ich, als vor mir zwei Fahrzeuge aufeinanderprallen und in den Leitplanken verschwinden. Da muß einer zur Arbeit und braucht ein Auto. Das muß einer bauen, und dazu braucht es einen Arbeiter, der wiederum zur Arbeit, ich kürze das sehr ab, aber Sie werden mich schon verstehen.
Ein Unfall eines Lastwagens wird im Radio gemeldet, und dazu wird erklärt, was jetzt alles getan werden müsse. Es muß Feuerwehren geben. Es muß jemand Sand in Säcke füllen, und Pulver, die das Grundwasser vor dem Öl schützen. Wer weiß, was der Lastwagen geladen haben mag? Ölbinder womöglich, aber selten liegt das ja so nahe.

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Man schließt das Büro, und ich bin noch nicht einmal mit meinen Notizen durch. Herrjeh.
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