10.02.11, 13:41 | 'Heller als tausend Sonnen'
Es ist ja mehr ein Zufall, wenn ich ans alte Telefon gehe. Ich trage keine zwei mit mir herum, ich schaue nicht einmal mehr jeden Tag, ob sich etwas bewegt hat. Still und leise bin ich ausgewandert, ich saß lange vor dem Telefon und habe überlegt, ob es denn Sinn macht, die neue Nummer heraus zu posaunen. Und konnte mich dann nicht aufraffen. Es ist schon gut so, und wen Du in drei Monaten nicht sprichst, den sprichst Du auch nicht in sechs. Und außerdem bin ich doch da, wo ich immer bin.
Es klingelt also, und ich stehe wieder am Meer. Ein, zwei Worte, dann wechselt mein Dialekt wieder, dann färbt ihn die See und das Lachen des Freundes, dann sind da wieder Schlepper und Pferde und "Weißte noch?", und daß ich nach all der Zeit noch eingeladen werde, zu Deiner Hochzeit, wo ich eben im Begriff war, aus Faulheit Fäden zu kappen. Solche Dinge bringen mich aus dem Gleichgewicht und machen mich sprachlos, aber das wissen Sie ja längst. Jedenfalls sitze ich nun hier und freue mich aufs Meer. Auf meine Freunde da oben. Auf den alten Weg aus Betonplatten. Auf meinen Wohnwagen. Darauf, der alten Flurkarte, die immer noch im Rahmen an der Wand hängt, noch einmal zu folgen.
Es klingelt also, und ich stehe wieder am Meer. Ein, zwei Worte, dann wechselt mein Dialekt wieder, dann färbt ihn die See und das Lachen des Freundes, dann sind da wieder Schlepper und Pferde und "Weißte noch?", und daß ich nach all der Zeit noch eingeladen werde, zu Deiner Hochzeit, wo ich eben im Begriff war, aus Faulheit Fäden zu kappen. Solche Dinge bringen mich aus dem Gleichgewicht und machen mich sprachlos, aber das wissen Sie ja längst. Jedenfalls sitze ich nun hier und freue mich aufs Meer. Auf meine Freunde da oben. Auf den alten Weg aus Betonplatten. Auf meinen Wohnwagen. Darauf, der alten Flurkarte, die immer noch im Rahmen an der Wand hängt, noch einmal zu folgen.
06.02.11, 20:33 | 'Heller als tausend Sonnen'

Endlich wieder Wald, denke ich morgens um sechs. Und als ich um neun am Kopf unter den vielen Haaren schwitze und mir die klettergeschädigten Finger brennen, denke ich immer noch so.
18.01.11, 19:19 | 'Heller als tausend Sonnen'
"Hast Du abgenommen? Er hat abgenommen! Gib ihm einen Teller! Ach was, gib ihm einen Topf!"
17.12.10, 12:04 | 'Heller als tausend Sonnen'
"Sorge für ein Netz, das Dich trägt."
13.12.10, 19:54 | 'Heller als tausend Sonnen'

Das Jahr, in dem ich anfing, farbige Brillen zu tragen. Und einen völlig unironischen Haarschnitt mit Spitze und gelocktem Nacken. Das Jahr, in dem ich über mich lächeln konnte. Das Jahr, in dem ich mich angestrengt habe. Nicht mehr als sonst, nur anders. Weniger anstrengend war es. Erwachsener.
Das Jahr, in dem ich mich frei gemacht habe, mein Herzblut neu zu verschenken. Es sind immer noch die Rindviecher, es sind immer noch die Sechszylinderturbos, aber da ist jetzt noch mehr.
Da geht ein Studium endlich zu Ende, und da fängt etwas ganz anderes an. Ich fühle mich wieder als Wochenendpendler, und dabei wohne ich doch in der alten Heimat. Ich benutze klaglos den Ergometer, wenn es über Tage regnet und ich meinen Bewegungsdrang nicht mehr unterdrücken kann. Ich möchte meine Abende organisieren, vielleicht ein Sofa kaufen.
Das Jahr, in dem ich erwachsen wurde. Und zum ersten Mal eine Ewigkeit versprach.
23.11.10, 00:21 | 'Heller als tausend Sonnen'
Es ist das Glück, das die Zeit verschlingt und mich gerade so sprachlos macht.
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Ich fühle mich nicht wohl auf diesem Fest. Und dabei wollte ich so gerne hierher! Das gelobte Land, so weit entfernt war es einst, und jetzt ist es mir viel zu nah.
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Nur Russinnen schaffen es, sich in kleinen Grüppchen zu treffen und sich derart abfällig über die Feiernden zu erheben. Anschließend tanzen sie auf den Tischen, sie wollen begeifert sein und genau dafür wollen sie die Geifernden verachten.
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Mein Lieblingsplatz ist die Kuchenbar.
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Nachts fahre ich uns nach hause durch den Regen. Gelobtes Land, adieu, ich habe das meine gefunden.
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Schleichend wächst der Abstand.
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Wen die Götter vernichten wollen, den schlagen sie zuerst mit Blindheit.
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Wir sind hier und dort, und schon bringe ich durcheinander, wo. Es zählt das Wir.
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Ich muß nicht mehr mit meiner Fremdheit in der Stadt kokettieren. Sie ist Wirklichkeit geworden, und neben Deiner Gewandheit fällt mein plumpes Staunen noch mehr auf.
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Da haben sich zwei in einer Wohnung eingerichtet und leben dort. Unten eine Straße, oben zwei Leben. Wenn ich das begriffen habe, werde ich ein Haus bauen.
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Ich muß, ich kann mich um nichts kümmern, denn es ist alles schnell und fremd, und ich lasse mich ziehen, führen, leiten; und ich fürchte nur, Du könntest dessen irgendwann überdrüssig werden.
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Ach, Zügel! Wie ein Hund würde ich Dir nachlaufen, wie ein Hund würde ich mich von einem Wort abhalten lassen, wie ein Hund müsste ich leiden, wie ein Hund liebe ich Dich.
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Unten rauscht der Verkehr, während oben einer das Fenster aufreißt: Luft! ruft er, und ich weiß für einen Moment nicht, wie er das meint.
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Diese Ski haben auf Dich gewartet! ruft er begeistert, und das ist mir Grund genug.
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Die Projektion der eigenen Wünsche. Sie leuchtet hell und verführerisch, und ich zerstöre sie, indem ich die Wünsche äußere.
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Der Ball einer Fachhochschule mit lustigen Grafiken, die auf breitgezogene Präsentationsbilder gepappt worden sind. Ich will ja nicht überheblich sein, aber diese Veranstaltung, die sie abwechselnd "Ball" und "Fest" nennen, die lässt mich an die Universität glauben.
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Dagegen das Video dreier Studenten, die sich am See treffen. Kunst, und ich sitze staunend davor, und dann überkommt es mich wieder, dieses Internet.
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Irgendwann siehst Du nicht mehr zu mir her, und dann antwortest Du nicht einmal mehr. Das ist die Hölle.
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Hilflos stehe ich, immer noch in Schuhen auf den kalten Fliesen, und sage, daß ich gehen werde, wenn Du es verlangst. Ich wüßte nicht, wohin. Ich wüßte nicht, wie. Ich weiß, es würde mich zerreißen, und ich weiß, ich würde es tun. Die Füße marschieren lange, wenn der Wille sie treibt, und sie werden nicht nachgeben, wenn es Dein Wille verlangt.
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Irgendwie lande ich in der evangelischen Kirche, und das findet auch der Bauer auf der Empore sehr komisch. Er lacht, stupst seine Frau. Sie lacht und winkt der Tochter, die gegenüber bei den Musikern sitzt. Fragend schaut sie umher, und als sie mich erblickt, kann ich den Misston sogar sehen, den sie in ihre Posaune prustet.
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Wir fahren mit den Rädern zu einem Melkroboter und sind zurück, bevor es dunkel und kalt wird. Ich lehne die Räder aneinander.
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Immer öfter der Drang, die kurzen Abende zu nutzen.
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Ein Balkon und ein Holzofen, das wäre genug.
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Ich habe keine Ahnung vom Reitsport. Menschenpyramiden, einer, der auf galoppierenden Pferden steht. Die dabei über Hindernisse springen. Freihändig, also der Stehende. Verrückt. Und es fesselt mich tatsächlich, daß man die unterschiedlichen Linien erkennen kann. Es sind gut zwanzig Reiter, und ich rufe am lautesten, als einer die Lichtschranke für den Start einfach nicht durchreitet, ich leide am meisten am Wassergraben, wo einer seinen Gaul einfach hindurchbrüllt, und sein Schrei gellt durch die riesige Halle, die in einem Moment totenstill innehielt und im nächsten vor Lachen tobt. Schauen Sie sich einmal ein Turnier an, wenn Sie die Gelegenheit haben. Und seien Sie kein solcher Esel wie ich und vergessen Sie die Kamera nicht. Danke. Gewonnen hat übrigens der Weltmeister. Und daß ich einen derartigen Klassenunterschied bemerken würde, das konnte ich mir zuvor nicht denken.
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Vesper gemacht zu bekommen hat etwas Königliches, und sie wundern sich alle, als ich ihnen begeistert meine Brote vorführe.
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Einen Moment achte ich nicht auf meine zügellosen Gedanken, und schon sitze ich beim Friseur. Antonio! schallt es, denn mit der Friseurin spiele ich Theater, und das weiß jetzt auch der ganze Salon. Hallo auch, denke ich, und dann setze ich die Brille ab. Drei, vier Mal hindert sie mich daran, danach zu greifen und sie aufzusetzen, damit ich mich im Spiegel sehe. Kritisch steht sie dann hinter mir, zupft und lässt die Schneiden schwirren, und am Ende habe ich einen Vokuhila. Sie konnte sich nicht von den Locken trennen, sagt sie, und ich überlege, ob ich eine aus dem Riesenberg auf dem Boden aufheben und ihr schenken soll.
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Sie spielen sehr diszipliniert, und sie merken sich die Regeln. Die Verlierer sind nicht so schnell genervt, und ich glaube fast an eine andere Welt, bis sich unten im Keller die Jungs mit den harten Alkoholika in den Jackentaschen breitmachen.
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Ein paar Tage zuvor ruft er an. Wald? Wald!
Und wie immer fluche ich zwischendurch auf diese Idee, die mich vor sechs aus dem Bett treibt, um Meterscheite durch die Gegend zu werfen.
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Unsere Unterhaltung wird durch den Lärm nicht gestört. Sobald ich einen Schritt mache, unterbricht er seinen Satz und führt ihn fort, sobald ich wieder da bin.
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Nur im Stehen ist es kalt. Nur kurz, nur ganz nebenbei erzählt er von dem, was zerbricht. Sehr lang von dem, was sie sich eben aufbauen. Alles Gute, sage ich, als ich gehe.
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Ich bin sehr stolz, daß ich die Säge nicht gekauft habe. Obwohl in einen Kofferraum eine Säge gehört. Eh klar. Aber halt sie mir noch eine Woche frei, sage ich. Manche Dummheiten sieht man eben kommen.
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Raclette, und ich bin verwundert, wie klein die Welt ist. Daß man sich an mich erinnert. Daß auch ich mich erinnere, an diesen seltenen Namen. Einen gemeinsamen Bekannten haben wir verloren, und uns so zufällig wiedergesehen. Kreise, denke ich, und wenn ich das einmal begriffen habe, werde ich vielleicht reich damit oder Wissenschaftler, aber so bin ich nur glücklich.
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Die beiden kahlen Laubbäume links und rechts vom Weg aus Knochensteinen, auf der Kuppe zwischen den Dörfern, und wie sie in die Nacht ragen, während wir darauf zulaufen.
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Alle heiraten sie und zeigen die Alben ihrer Hochzeitsreisen. Sie ähneln sich so. Und für einen Moment komme ich mir sehr alt und sehr unerfahren vor. Stimmt beides. Und als noch Nachwuchs angekündigt wird und die Stimmen laut und schrill werden, da habe ich wieder dieses Gefühl von Wohnungen und Leben und innen und außen. Ich möchte sehr vorsichtig damit umgehen, ich möchte es behalten, ich möchte es pflegen und wachsen lassen, bis es groß genug ist, daß ich es Dir zu Füßen legen kann.
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Überall Kerzen, und uns gegenüber eine, die so gern erzählen möchte, die so sprudelt, die all die Behutsamkeit verdient hat, die sie ihr entgegenbringen.
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Das süße Nichtstun. Ich sehe dem Tag zu, wie er hell wird, und ich sehe ihm zu, wie er vergeht.
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Und jetzt ist es spät.
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Ich fühle mich nicht wohl auf diesem Fest. Und dabei wollte ich so gerne hierher! Das gelobte Land, so weit entfernt war es einst, und jetzt ist es mir viel zu nah.
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When the night comes#
Nur Russinnen schaffen es, sich in kleinen Grüppchen zu treffen und sich derart abfällig über die Feiernden zu erheben. Anschließend tanzen sie auf den Tischen, sie wollen begeifert sein und genau dafür wollen sie die Geifernden verachten.
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Mein Lieblingsplatz ist die Kuchenbar.
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Nachts fahre ich uns nach hause durch den Regen. Gelobtes Land, adieu, ich habe das meine gefunden.
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Schleichend wächst der Abstand.
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Wen die Götter vernichten wollen, den schlagen sie zuerst mit Blindheit.
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Wir sind hier und dort, und schon bringe ich durcheinander, wo. Es zählt das Wir.
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Ich muß nicht mehr mit meiner Fremdheit in der Stadt kokettieren. Sie ist Wirklichkeit geworden, und neben Deiner Gewandheit fällt mein plumpes Staunen noch mehr auf.
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Da haben sich zwei in einer Wohnung eingerichtet und leben dort. Unten eine Straße, oben zwei Leben. Wenn ich das begriffen habe, werde ich ein Haus bauen.
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Ich muß, ich kann mich um nichts kümmern, denn es ist alles schnell und fremd, und ich lasse mich ziehen, führen, leiten; und ich fürchte nur, Du könntest dessen irgendwann überdrüssig werden.
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Ach, Zügel! Wie ein Hund würde ich Dir nachlaufen, wie ein Hund würde ich mich von einem Wort abhalten lassen, wie ein Hund müsste ich leiden, wie ein Hund liebe ich Dich.
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Unten rauscht der Verkehr, während oben einer das Fenster aufreißt: Luft! ruft er, und ich weiß für einen Moment nicht, wie er das meint.
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Diese Ski haben auf Dich gewartet! ruft er begeistert, und das ist mir Grund genug.
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Die Projektion der eigenen Wünsche. Sie leuchtet hell und verführerisch, und ich zerstöre sie, indem ich die Wünsche äußere.
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Der Ball einer Fachhochschule mit lustigen Grafiken, die auf breitgezogene Präsentationsbilder gepappt worden sind. Ich will ja nicht überheblich sein, aber diese Veranstaltung, die sie abwechselnd "Ball" und "Fest" nennen, die lässt mich an die Universität glauben.
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Dagegen das Video dreier Studenten, die sich am See treffen. Kunst, und ich sitze staunend davor, und dann überkommt es mich wieder, dieses Internet.
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Irgendwann siehst Du nicht mehr zu mir her, und dann antwortest Du nicht einmal mehr. Das ist die Hölle.
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Hilflos stehe ich, immer noch in Schuhen auf den kalten Fliesen, und sage, daß ich gehen werde, wenn Du es verlangst. Ich wüßte nicht, wohin. Ich wüßte nicht, wie. Ich weiß, es würde mich zerreißen, und ich weiß, ich würde es tun. Die Füße marschieren lange, wenn der Wille sie treibt, und sie werden nicht nachgeben, wenn es Dein Wille verlangt.
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Irgendwie lande ich in der evangelischen Kirche, und das findet auch der Bauer auf der Empore sehr komisch. Er lacht, stupst seine Frau. Sie lacht und winkt der Tochter, die gegenüber bei den Musikern sitzt. Fragend schaut sie umher, und als sie mich erblickt, kann ich den Misston sogar sehen, den sie in ihre Posaune prustet.
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Wir fahren mit den Rädern zu einem Melkroboter und sind zurück, bevor es dunkel und kalt wird. Ich lehne die Räder aneinander.
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Immer öfter der Drang, die kurzen Abende zu nutzen.
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Ein Balkon und ein Holzofen, das wäre genug.
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Ich habe keine Ahnung vom Reitsport. Menschenpyramiden, einer, der auf galoppierenden Pferden steht. Die dabei über Hindernisse springen. Freihändig, also der Stehende. Verrückt. Und es fesselt mich tatsächlich, daß man die unterschiedlichen Linien erkennen kann. Es sind gut zwanzig Reiter, und ich rufe am lautesten, als einer die Lichtschranke für den Start einfach nicht durchreitet, ich leide am meisten am Wassergraben, wo einer seinen Gaul einfach hindurchbrüllt, und sein Schrei gellt durch die riesige Halle, die in einem Moment totenstill innehielt und im nächsten vor Lachen tobt. Schauen Sie sich einmal ein Turnier an, wenn Sie die Gelegenheit haben. Und seien Sie kein solcher Esel wie ich und vergessen Sie die Kamera nicht. Danke. Gewonnen hat übrigens der Weltmeister. Und daß ich einen derartigen Klassenunterschied bemerken würde, das konnte ich mir zuvor nicht denken.
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Vesper gemacht zu bekommen hat etwas Königliches, und sie wundern sich alle, als ich ihnen begeistert meine Brote vorführe.
#
Einen Moment achte ich nicht auf meine zügellosen Gedanken, und schon sitze ich beim Friseur. Antonio! schallt es, denn mit der Friseurin spiele ich Theater, und das weiß jetzt auch der ganze Salon. Hallo auch, denke ich, und dann setze ich die Brille ab. Drei, vier Mal hindert sie mich daran, danach zu greifen und sie aufzusetzen, damit ich mich im Spiegel sehe. Kritisch steht sie dann hinter mir, zupft und lässt die Schneiden schwirren, und am Ende habe ich einen Vokuhila. Sie konnte sich nicht von den Locken trennen, sagt sie, und ich überlege, ob ich eine aus dem Riesenberg auf dem Boden aufheben und ihr schenken soll.
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Sie spielen sehr diszipliniert, und sie merken sich die Regeln. Die Verlierer sind nicht so schnell genervt, und ich glaube fast an eine andere Welt, bis sich unten im Keller die Jungs mit den harten Alkoholika in den Jackentaschen breitmachen.
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Ein paar Tage zuvor ruft er an. Wald? Wald!
Und wie immer fluche ich zwischendurch auf diese Idee, die mich vor sechs aus dem Bett treibt, um Meterscheite durch die Gegend zu werfen.
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Unsere Unterhaltung wird durch den Lärm nicht gestört. Sobald ich einen Schritt mache, unterbricht er seinen Satz und führt ihn fort, sobald ich wieder da bin.
#
Nur im Stehen ist es kalt. Nur kurz, nur ganz nebenbei erzählt er von dem, was zerbricht. Sehr lang von dem, was sie sich eben aufbauen. Alles Gute, sage ich, als ich gehe.
#
Ich bin sehr stolz, daß ich die Säge nicht gekauft habe. Obwohl in einen Kofferraum eine Säge gehört. Eh klar. Aber halt sie mir noch eine Woche frei, sage ich. Manche Dummheiten sieht man eben kommen.
#
Raclette, und ich bin verwundert, wie klein die Welt ist. Daß man sich an mich erinnert. Daß auch ich mich erinnere, an diesen seltenen Namen. Einen gemeinsamen Bekannten haben wir verloren, und uns so zufällig wiedergesehen. Kreise, denke ich, und wenn ich das einmal begriffen habe, werde ich vielleicht reich damit oder Wissenschaftler, aber so bin ich nur glücklich.
#
Die beiden kahlen Laubbäume links und rechts vom Weg aus Knochensteinen, auf der Kuppe zwischen den Dörfern, und wie sie in die Nacht ragen, während wir darauf zulaufen.
#
Alle heiraten sie und zeigen die Alben ihrer Hochzeitsreisen. Sie ähneln sich so. Und für einen Moment komme ich mir sehr alt und sehr unerfahren vor. Stimmt beides. Und als noch Nachwuchs angekündigt wird und die Stimmen laut und schrill werden, da habe ich wieder dieses Gefühl von Wohnungen und Leben und innen und außen. Ich möchte sehr vorsichtig damit umgehen, ich möchte es behalten, ich möchte es pflegen und wachsen lassen, bis es groß genug ist, daß ich es Dir zu Füßen legen kann.
#
Überall Kerzen, und uns gegenüber eine, die so gern erzählen möchte, die so sprudelt, die all die Behutsamkeit verdient hat, die sie ihr entgegenbringen.
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Das süße Nichtstun. Ich sehe dem Tag zu, wie er hell wird, und ich sehe ihm zu, wie er vergeht.
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Und jetzt ist es spät.
03.11.10, 22:16 | 'Heller als tausend Sonnen'
Wie er bei uns saß, etwas älter als wir, und an uns jung wurde. Unser ruhiger, unser zuverlässiger, und wie er zur Uhr sah, aufschrak und sich dann zurücklehnte: Komme ich eben einmal nicht. Gelassenheit von den Jungen lernen.
12.10.10, 12:39 | 'Heller als tausend Sonnen'
Als ich komme, ist ein Reifen am Kipper platt. Also flicken. Dann kommt der Häcksler zu spät, und als er dann anfängt, stirbt er gleich. Verstopfung. Ich schlage Dynamit vor, werde aber überstimmt und bekomme ein Stemmeisen in die Hand gedrückt. Damit darf ich das Rohr auskratzen. Irgendwann fährt mir der Bauer quer durch meine schöne, reihenzählende Wagenplanung, dann platzt ein Hydraulikschlauch, dann meine Nerven. Endlich Hochzeit.
#
Und hätte nicht mein Senior einen schnellen Krawattenknoten bei der Hand, ich wäre noch zu spät gekommen. So rieche ich trotz Dusche noch ganz leicht nach frischem Mais an den Händen und fahre in wilder Jagd durchs Dorf, hinaus, zur Kapelle am Waldrand.
#
Man nennt die Kapelle auch die "Kinderkriegerkapelle", weil dort Messen gelesen werden, zu denen die Frauen mit Kinderwunsch gehen. Die Braut ist allerdings schon schwanger, wie ich vor wenigen Tagen erfahren habe, und so tauschte ich schnell meinen herzlichen Scherz gegen ebensolche Glückwünsche aus.
#
In diesen Gedanken fahre ich am Weg zur Kapelle vorbei, biege in den nächsten ab und fahre gedankenverloren auf einer Wiese direkt zur Kapelle. Wo schon alle stehen und warten. Mir wird klar, daß ich mich eben zum Gespött mache, wenn ich mit dem Auto über die Felder direkt in die Kapelle schanze, aussteige und sage, daß wir gern anfangen können. Also mache ich mich unauffällig, blaues Auto auf grüner Wiese, und nehme noch einmal Anlauf, aber auf dem Weg. Zum Parken muß ich denn doch in einen Stoppelacker fräsen, aber was solls, man kann nicht alles haben.
#
Die Messe ist kurz und schön und am Ende singen zwei, die ich irgendwoher kenne. Später wird mir erklärt, wer mit wem verwandt ist, und da leuchtet mir einiges ein. Jedenfalls sitze ich draußen bei den anderen unterm Zeltdach, weil drinnen so wenig Platz ist, und nach der Messe stehen wir im Gras und schauen in den blauen Himmel.
#
Bei der Abfahrt fräse ich mit dem Heckantrieb ein Herz in den Acker. Bauernlümmel, grinsende.
#
Bevor wir zum Essen aufbrechen, hole ich noch eben die bestellte Mousse au Chocolat aus dem Kühlschrank, die ich noch in der Nacht gebastelt habe. Zehn Eier, und die Küche sah auch aus wie Sau. Lang geputzt, längst vergessen.
#
Wir bilden einen Verlegenheitstisch, glaube ich. Zumindest kenne ich die drei neben mir nicht, und als ich frage, haben die auch kein Interesse daran, das zu ändern. Trinke ich eben noch eins, während ich aufs Essen warte und den leeren Platz neben mir anschaue. Sie werden die ersten sein, die heute nacht gehen, denke ich, noch vor den Senioren, die uns immer so gern beim Feiern zusehen.
#
Wir essen, wir trinken, und danach falle ich fast ins Fresskoma. Davon hält mich das rote Unglück ab, das uns zum Umziehen scheucht. Im Flur vor den Toiletten. Nun ja, es gibt Schlimmeres. Ich blase meine Brüste auf. Sie haben verschiedene Farben, aber das macht nichts. Mein Badeanzug zwickt. Mein Röckchen rutscht. Meine Perücke nimmt mir die Sicht. Mir ist kalt, barfuß auf dem Steinboden.
Wir laufen zu Thunderstruck ein, und alles ist vergessen. Leider auch der Tanz. Ich hopse also durch die Gegend, verliere meine Luftballonbrüste und werde fast an der Bühne zerdrückt. Irgendwann bin ich vorne, als man mir winkt, und schlage mein Rad. Bei der Pyramide helfe ich ordnungsgemäß dem Letzten nach oben und habe gar keine Angst, daß er auf mich fallen könnte, als ich mich zwischen den Beinen hindurchwerfe und die Pompoms schwenke. Als Zugabe verfrachten wir noch den Bräutigam nach oben, und auch er ist nüchtern genug, um nicht auf mich zu fallen. Das ist schön, so bleiben mir nur meine aufgeschlagenen Knie.
#
Wir trinken noch eins an der Bar, singen noch eins, und ziehen uns dann wieder um. Nein. Halt. Ich werde gefragt, als ich mir eben den Schnaps aus dem Mundwinkel und die lilafarbenen Haare aus den Augen wische, ob ich denn darüber schreiben würde. Natürlich, sage ich, aber kannst Du denn lesen? Es hilft aber alles nichts, ich bin hier nicht mehr für mich. Das ändert das Schreiben, aber was solls und manches kann man nicht aufhalten. Nur heraushalten, und das tue ich schon lange.
#
Ich tanze mit dem Kleinen, ich tanze mit einer barfüßigen, mutigen jungen Dame und mit dem roten Unglück. Entspann Dich! sagt sie, und ich schaue verzweifelt auf meine Beine, die so gar keine Standardschritte machen wollen. Wir singen mit der Band vor der Bühne, von der Bühne, und als ich mir "Shine a light" wünsche, da müssen sie passen, und so fällt die Live-Übertragung aus. "Du fehlst mir" schreibe ich stattdessen.
#
Irgendwann haben wir alle Strophen von "Hoch auf dem gelben Wagen" durch, ich bin heiser und bis zur Krawatte durchgeschwitzt. Es ist ein Fest unter Freunden, wie in alten Zeiten, und darauf schwenke ich die zierliche Braut im Kreis, bis ihr Mann sie rettet. Da sehen Sie mal, daß es hier noch Gentlemen gibt.
#
Einer, der seine Entertainerqualitäten entdeckt. Ich bin begeistert. Die Band schwenkt von den Hochzeitsliedern zu den Stimmungskrachern. Am Ende Bed of Roses, und das wird nur schön dadurch, daß wir alle im Kreis ums Brautpaar tanzen. Im verunglückten Gardeschritt, aber immerhin. Ich beiße noch herzhaft in die Krawatte des Kleinen, schließlich habe ich das Buffet um Mitternacht einfach verpasst.
#
Im Taxi nach hause, und am nächsten Morgen steht ein Glas mit zwei Rosen vor meinem Bett. Aha.
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Und hätte nicht mein Senior einen schnellen Krawattenknoten bei der Hand, ich wäre noch zu spät gekommen. So rieche ich trotz Dusche noch ganz leicht nach frischem Mais an den Händen und fahre in wilder Jagd durchs Dorf, hinaus, zur Kapelle am Waldrand.
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Man nennt die Kapelle auch die "Kinderkriegerkapelle", weil dort Messen gelesen werden, zu denen die Frauen mit Kinderwunsch gehen. Die Braut ist allerdings schon schwanger, wie ich vor wenigen Tagen erfahren habe, und so tauschte ich schnell meinen herzlichen Scherz gegen ebensolche Glückwünsche aus.
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In diesen Gedanken fahre ich am Weg zur Kapelle vorbei, biege in den nächsten ab und fahre gedankenverloren auf einer Wiese direkt zur Kapelle. Wo schon alle stehen und warten. Mir wird klar, daß ich mich eben zum Gespött mache, wenn ich mit dem Auto über die Felder direkt in die Kapelle schanze, aussteige und sage, daß wir gern anfangen können. Also mache ich mich unauffällig, blaues Auto auf grüner Wiese, und nehme noch einmal Anlauf, aber auf dem Weg. Zum Parken muß ich denn doch in einen Stoppelacker fräsen, aber was solls, man kann nicht alles haben.
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Die Messe ist kurz und schön und am Ende singen zwei, die ich irgendwoher kenne. Später wird mir erklärt, wer mit wem verwandt ist, und da leuchtet mir einiges ein. Jedenfalls sitze ich draußen bei den anderen unterm Zeltdach, weil drinnen so wenig Platz ist, und nach der Messe stehen wir im Gras und schauen in den blauen Himmel.
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Bei der Abfahrt fräse ich mit dem Heckantrieb ein Herz in den Acker. Bauernlümmel, grinsende.
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Bevor wir zum Essen aufbrechen, hole ich noch eben die bestellte Mousse au Chocolat aus dem Kühlschrank, die ich noch in der Nacht gebastelt habe. Zehn Eier, und die Küche sah auch aus wie Sau. Lang geputzt, längst vergessen.
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Wir bilden einen Verlegenheitstisch, glaube ich. Zumindest kenne ich die drei neben mir nicht, und als ich frage, haben die auch kein Interesse daran, das zu ändern. Trinke ich eben noch eins, während ich aufs Essen warte und den leeren Platz neben mir anschaue. Sie werden die ersten sein, die heute nacht gehen, denke ich, noch vor den Senioren, die uns immer so gern beim Feiern zusehen.
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Wir essen, wir trinken, und danach falle ich fast ins Fresskoma. Davon hält mich das rote Unglück ab, das uns zum Umziehen scheucht. Im Flur vor den Toiletten. Nun ja, es gibt Schlimmeres. Ich blase meine Brüste auf. Sie haben verschiedene Farben, aber das macht nichts. Mein Badeanzug zwickt. Mein Röckchen rutscht. Meine Perücke nimmt mir die Sicht. Mir ist kalt, barfuß auf dem Steinboden.
Wir laufen zu Thunderstruck ein, und alles ist vergessen. Leider auch der Tanz. Ich hopse also durch die Gegend, verliere meine Luftballonbrüste und werde fast an der Bühne zerdrückt. Irgendwann bin ich vorne, als man mir winkt, und schlage mein Rad. Bei der Pyramide helfe ich ordnungsgemäß dem Letzten nach oben und habe gar keine Angst, daß er auf mich fallen könnte, als ich mich zwischen den Beinen hindurchwerfe und die Pompoms schwenke. Als Zugabe verfrachten wir noch den Bräutigam nach oben, und auch er ist nüchtern genug, um nicht auf mich zu fallen. Das ist schön, so bleiben mir nur meine aufgeschlagenen Knie.
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Wir trinken noch eins an der Bar, singen noch eins, und ziehen uns dann wieder um. Nein. Halt. Ich werde gefragt, als ich mir eben den Schnaps aus dem Mundwinkel und die lilafarbenen Haare aus den Augen wische, ob ich denn darüber schreiben würde. Natürlich, sage ich, aber kannst Du denn lesen? Es hilft aber alles nichts, ich bin hier nicht mehr für mich. Das ändert das Schreiben, aber was solls und manches kann man nicht aufhalten. Nur heraushalten, und das tue ich schon lange.
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Ich tanze mit dem Kleinen, ich tanze mit einer barfüßigen, mutigen jungen Dame und mit dem roten Unglück. Entspann Dich! sagt sie, und ich schaue verzweifelt auf meine Beine, die so gar keine Standardschritte machen wollen. Wir singen mit der Band vor der Bühne, von der Bühne, und als ich mir "Shine a light" wünsche, da müssen sie passen, und so fällt die Live-Übertragung aus. "Du fehlst mir" schreibe ich stattdessen.
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Irgendwann haben wir alle Strophen von "Hoch auf dem gelben Wagen" durch, ich bin heiser und bis zur Krawatte durchgeschwitzt. Es ist ein Fest unter Freunden, wie in alten Zeiten, und darauf schwenke ich die zierliche Braut im Kreis, bis ihr Mann sie rettet. Da sehen Sie mal, daß es hier noch Gentlemen gibt.
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Einer, der seine Entertainerqualitäten entdeckt. Ich bin begeistert. Die Band schwenkt von den Hochzeitsliedern zu den Stimmungskrachern. Am Ende Bed of Roses, und das wird nur schön dadurch, daß wir alle im Kreis ums Brautpaar tanzen. Im verunglückten Gardeschritt, aber immerhin. Ich beiße noch herzhaft in die Krawatte des Kleinen, schließlich habe ich das Buffet um Mitternacht einfach verpasst.
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Im Taxi nach hause, und am nächsten Morgen steht ein Glas mit zwei Rosen vor meinem Bett. Aha.
08.10.10, 14:59 | 'Heller als tausend Sonnen'
Ich hab' da noch eine oder zwei in petto. Musik und Text.
07.10.10, 09:50 | 'Heller als tausend Sonnen'
Ich lebe ja im schönsten Dorf der Welt. In einem Gärtnerdorf, wenn man so will, denn an allen Ecken gärtnert es, und sollten Sie ab und an zu Ihrem Unglück in einer Kantine speisen, so haben Sie fast sicher schon einmal etwas aus unserem Dorf gegessen. Oder etwas, das hier zumindest gewaschen und zerhäckselt wurde, in Zeiten der Globalisierung dürfe man da nicht so kleinlich sein, heißt es.
Jedenfalls brauche ich einen Strauß. Die Idee kam plötzlich, und dann war der restliche Bürotag auch schon für den Eimer. Einen Strauß mit besonderen Blumen. Ich suche noch eben nach deren Bedeutung, man geht ja auf Nummer Sicher bei sowas. Aber seit die Blumenhändler das Internet übernommen haben, haben auch alle Blumen die Bedeutung gewechselt. Alles Liebesblumen, soso. Es wird noch dauern, bis einer auf die Idee kommt, nur die Stiele zu verkaufen, und das als einzig unverfänglichen Strauß anzupreisen. Soll mir aber recht sein, ich bin ja verliebt. Aber ich brauche trotzdem Nelken. Aus Gründen, die mit einem Frack, einer vom Revers fallenden Nelke und deren Verschenken zu tun haben.
Jedenfalls: Es gibt keine. Die Blumenbindemädchen zucken die Schultern, und mir schwimmen die Felle davon. "Ich habe eine Nelkenproblematik!" rufe ich dem mit Tomatenkisten beladenen Chef zu, und er findet tatsächlich noch drei für mich. Das Mädchen ist erleichtert, ich bin verschwitzt und lehne es kategorisch ab, andere Blumen auszusuchen. Das soll sie machen, schließlich leben wir (s.o.) in einer globalisierten Welt. Daß die Welt ein Globus ist, sagt zwar nichts aus, aber ich sage es sehr getragen, und da begreift sie sofort das Konzept von Geld- und Waren- und Dienstleistungsverkehr, Arbeitsteilung und Reich und Schön. Jedenfalls flitze ich, während sie den Strauß bindet, nach hause und stehe dort ratlos vor dem Motorrad. Wo bringe ich den Strauß unter? Im Auto, klaro, aber dann brauche ich auch nicht mit dem Motorrad zu fahren. Ich bin zitterig, ich bin verliebt, mir fällt nichts ein, ich fahre zähneknirschend mit dem Auto. Zwischen Tank und Beine, denke ich noch, aber da sehen Sie mal, wie vernünftig ich heute bin! Ich bekomme einen Klumpen Packpapier, ein Tütchen mit Wassererfrischer und eine Menge Anweisungen. Ich will Blumen verschenken, keine Gärtnerlehre! sage ich, aber ich werde die Beschenkte auf euch verweisen, wenn es Fragen gibt.
Immerhin - jetzt ist Feierabendverkehr. Ich überhole an die dreißig Autos, bis ich beim Ortsschild bin. Ortsausgang, wohlgemerkt. Und irgendwann bin ich dann auch, wo ich hin möchte. Die Straße stimmt, nur die Numerierung ist etwas konfus. Oder auch sehr konsequent, wie man es nimmt. Nicht vorhanden nämlich, oder gleich doppelt. An zwei verschiedenen Häusern eine Nummer. Irgendwas ist ja immer. Ich parke also um die Ecke und frage mich, wie ich herausbekommen soll, wie denn nun die Vornamen von Mama und Papa sind. Oder Opa und Oma? Nur die stehen - wenn überhaupt - auf den Klingelschildern. Ich sehe ja nicht einmal überall eine Klingel! Irgendwann setze ich mich ins Auto und denke, daß ich den Strauß beschriften sollte. So käme er zumindest an, wenn die Nachbarn ehrliche Leute und des Lesens mächtig sind. Haben Sie schon einmal versucht, mit einem Kugelschreiber, der seit einem Jahr im Auto verwahrlost, gespanntes Packpapier zu beschriften? Mein Anschreiben fällt also deutlich aus: Die tatsächlich letzten Nelken im Gärtnerdorf! schreibe ich. Daß man das auch anders verstehen könnte, fällt mir auf, aber Kugelschreiber und zu spät und Esel und so.
Ich lege den Strauß vor einer Tür ab, die zur vier gehören könnte, und die Autonummer des Wagens vor der Tür passt auch. Die Initialen zumindest, oder wenigstens einer davon, und was tut man nicht alles.
Dann düse ich los, und schleiche ab der ersten Kreuzung zurück durch den Feierabendverkehr. Pflügen, pflügen, und spät am Abend dann die Erlösung: Umwerfend, mit Ausrufungszeichen!
Nelken - mehr braucht kein Mensch.
Jedenfalls brauche ich einen Strauß. Die Idee kam plötzlich, und dann war der restliche Bürotag auch schon für den Eimer. Einen Strauß mit besonderen Blumen. Ich suche noch eben nach deren Bedeutung, man geht ja auf Nummer Sicher bei sowas. Aber seit die Blumenhändler das Internet übernommen haben, haben auch alle Blumen die Bedeutung gewechselt. Alles Liebesblumen, soso. Es wird noch dauern, bis einer auf die Idee kommt, nur die Stiele zu verkaufen, und das als einzig unverfänglichen Strauß anzupreisen. Soll mir aber recht sein, ich bin ja verliebt. Aber ich brauche trotzdem Nelken. Aus Gründen, die mit einem Frack, einer vom Revers fallenden Nelke und deren Verschenken zu tun haben.
Jedenfalls: Es gibt keine. Die Blumenbindemädchen zucken die Schultern, und mir schwimmen die Felle davon. "Ich habe eine Nelkenproblematik!" rufe ich dem mit Tomatenkisten beladenen Chef zu, und er findet tatsächlich noch drei für mich. Das Mädchen ist erleichtert, ich bin verschwitzt und lehne es kategorisch ab, andere Blumen auszusuchen. Das soll sie machen, schließlich leben wir (s.o.) in einer globalisierten Welt. Daß die Welt ein Globus ist, sagt zwar nichts aus, aber ich sage es sehr getragen, und da begreift sie sofort das Konzept von Geld- und Waren- und Dienstleistungsverkehr, Arbeitsteilung und Reich und Schön. Jedenfalls flitze ich, während sie den Strauß bindet, nach hause und stehe dort ratlos vor dem Motorrad. Wo bringe ich den Strauß unter? Im Auto, klaro, aber dann brauche ich auch nicht mit dem Motorrad zu fahren. Ich bin zitterig, ich bin verliebt, mir fällt nichts ein, ich fahre zähneknirschend mit dem Auto. Zwischen Tank und Beine, denke ich noch, aber da sehen Sie mal, wie vernünftig ich heute bin! Ich bekomme einen Klumpen Packpapier, ein Tütchen mit Wassererfrischer und eine Menge Anweisungen. Ich will Blumen verschenken, keine Gärtnerlehre! sage ich, aber ich werde die Beschenkte auf euch verweisen, wenn es Fragen gibt.
Immerhin - jetzt ist Feierabendverkehr. Ich überhole an die dreißig Autos, bis ich beim Ortsschild bin. Ortsausgang, wohlgemerkt. Und irgendwann bin ich dann auch, wo ich hin möchte. Die Straße stimmt, nur die Numerierung ist etwas konfus. Oder auch sehr konsequent, wie man es nimmt. Nicht vorhanden nämlich, oder gleich doppelt. An zwei verschiedenen Häusern eine Nummer. Irgendwas ist ja immer. Ich parke also um die Ecke und frage mich, wie ich herausbekommen soll, wie denn nun die Vornamen von Mama und Papa sind. Oder Opa und Oma? Nur die stehen - wenn überhaupt - auf den Klingelschildern. Ich sehe ja nicht einmal überall eine Klingel! Irgendwann setze ich mich ins Auto und denke, daß ich den Strauß beschriften sollte. So käme er zumindest an, wenn die Nachbarn ehrliche Leute und des Lesens mächtig sind. Haben Sie schon einmal versucht, mit einem Kugelschreiber, der seit einem Jahr im Auto verwahrlost, gespanntes Packpapier zu beschriften? Mein Anschreiben fällt also deutlich aus: Die tatsächlich letzten Nelken im Gärtnerdorf! schreibe ich. Daß man das auch anders verstehen könnte, fällt mir auf, aber Kugelschreiber und zu spät und Esel und so.
Ich lege den Strauß vor einer Tür ab, die zur vier gehören könnte, und die Autonummer des Wagens vor der Tür passt auch. Die Initialen zumindest, oder wenigstens einer davon, und was tut man nicht alles.
Dann düse ich los, und schleiche ab der ersten Kreuzung zurück durch den Feierabendverkehr. Pflügen, pflügen, und spät am Abend dann die Erlösung: Umwerfend, mit Ausrufungszeichen!
Nelken - mehr braucht kein Mensch.
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