26.04.10, 00:26 | 'Das Auge des Betrachters'
Laut irgendeiner Studie leben verheiratete Paare dann am längsten, wenn die Frau ihren Mann als ebenso unverzichtbar wie umgekehrt der Mann seine Frau als austauschbar empfindet.
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"Warum ficken Frauen?" fragt Updike ebenso unverblümt wie er später feststellt, daß kein Mann eine Frau verdient. (Übrigens wünsche ich mir eben zum ersten Mal ein Ebook, weil ich keinen Zettel eingelegt habe und die Seite nicht mehr finde. Verfluchtes wissenschaftliches Zitieren, daß ihr das nur wisst!)
" Er fühlte sich sogar vertraut genug, um ihr die Frage zu stellen: 'Warum ficken Frauen?'
Sie lachte und hustete den Zigarettenrauch weg, bevor sie ihn inhalierte. 'Warum tun es Männer?'
'Das liegt auf der Hand. Frauen sind so schön.'
'Und Männer nicht?'
'Nein. Nicht, soweit ich sehe.'" (John Updike, Landleben, S. 263f.)
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"Jetzt machen wir eben einen großen Haken dran", sagt er, und daß er zu gern jemanden verprügeln würde.
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Die Geduld und die Ungeduld, und sowieso immer nach vorn.
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Für harte Arbeit muß man nur einen Takt finden. Hat man den, kann einem nur noch das Ende des Tages etwas anhaben.
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Der "Rocky" und der "Wichser", und wie jeder Bautrupp seine eigene Sprache mitbringt. "Kommst Du her, machst Du so, zeig ich Dir."
Als mir der Kranfahrer die Finger zwischen zwei Bewehrungsmatten einklemmt und ich mich lautstark zu Wort melde, schaut er verwundert auf seine Hände. "Brauchst Du nicht zu schreien. Tut mir gar nicht weh."
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Gebückt laufe ich an der Schalung entlang und schlage Bolzen und Keile ein, als vor mir im Schotter ein Loch aufgeht, Steinchen spritzen und oben jemand "Vorsicht" schreit. Ich werfe den Fäustel zurück nach oben, und erst Stunden später denke ich daran, meinem Schutzengel mal wieder für wenige Zentimeter zu danken.
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"Angebermuskeln" sagt sie, und ich lasse das so unkommentiert stehen.
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"Warum ficken Frauen?" fragt Updike ebenso unverblümt wie er später feststellt, daß kein Mann eine Frau verdient. (Übrigens wünsche ich mir eben zum ersten Mal ein Ebook, weil ich keinen Zettel eingelegt habe und die Seite nicht mehr finde. Verfluchtes wissenschaftliches Zitieren, daß ihr das nur wisst!)
" Er fühlte sich sogar vertraut genug, um ihr die Frage zu stellen: 'Warum ficken Frauen?'
Sie lachte und hustete den Zigarettenrauch weg, bevor sie ihn inhalierte. 'Warum tun es Männer?'
'Das liegt auf der Hand. Frauen sind so schön.'
'Und Männer nicht?'
'Nein. Nicht, soweit ich sehe.'" (John Updike, Landleben, S. 263f.)
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"Jetzt machen wir eben einen großen Haken dran", sagt er, und daß er zu gern jemanden verprügeln würde.
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Die Geduld und die Ungeduld, und sowieso immer nach vorn.
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Für harte Arbeit muß man nur einen Takt finden. Hat man den, kann einem nur noch das Ende des Tages etwas anhaben.
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Der "Rocky" und der "Wichser", und wie jeder Bautrupp seine eigene Sprache mitbringt. "Kommst Du her, machst Du so, zeig ich Dir."
Als mir der Kranfahrer die Finger zwischen zwei Bewehrungsmatten einklemmt und ich mich lautstark zu Wort melde, schaut er verwundert auf seine Hände. "Brauchst Du nicht zu schreien. Tut mir gar nicht weh."
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Gebückt laufe ich an der Schalung entlang und schlage Bolzen und Keile ein, als vor mir im Schotter ein Loch aufgeht, Steinchen spritzen und oben jemand "Vorsicht" schreit. Ich werfe den Fäustel zurück nach oben, und erst Stunden später denke ich daran, meinem Schutzengel mal wieder für wenige Zentimeter zu danken.
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"Angebermuskeln" sagt sie, und ich lasse das so unkommentiert stehen.
06.04.10, 10:44 | 'Das Auge des Betrachters'
Irgendwann in dieser Diskussion argumentiert er mich erstmals an die Wand, und da beginnt dieser Künstler, dieser Begeisterungsfähige auch für mich zu leuchten.
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Hormone, sagt er, die hast selbst Du nicht im Griff. Und das liegt gleichzeitig so falsch und so richtig, daß ich ihm von Ewigkeiten erzähle, und davon, daß ich noch nie welche versprochen habe. Seine beiden Jungs stürmen in den Raum und plündern die Küche. Ich höre mir die Geschichten von erstem Moped und erster Freundin an und denke an daran, daß Kinder Ewigkeiten darstellen, oder Verewigungen meinetwegen, und das nicht nur in ihrer Person, sondern in ihren Auswirkungen auf die eigene Endlosigkeit. Man diffundiert ja hinein in so ein Kind, und überträgt die eigene Endlosigkeit, Freiheit, wasweißdennich, beschneidet sich selbst und verewigt sich dabei. Muß man auch wollen, denke ich, muß man sehr genau nachdenken. Darf man nicht tun, wenn man keine Ewigkeiten anerkennt, und das alles sage ich ihm, als die beiden wie Böen wieder hinausgestürmt sind, man verzeihe mir die Wortspielfalle.
Egozentrik, sagen wir, und das meinen wir beide nicht so. Er mußte auf dem Kilimandjaro finden, wo er hingehört, und es brauchte eine Chance von nullkommazwei Prozent, um ihn von einer Familie zu überzeugen und von seiner endlosen Weltreise heimzuholen. Man kann also, so schließen wir, mit neunundneunzigkommaacht Prozent auch anders leben. Oder mit hundert, sage ich, aber diese Konsequenz (da ist es wieder, das Wort), die glaube ich mir selbst ja auch nicht.
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Ich brauche lange, um mit der Maschine zu verwachsen.
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ATF-Öl und GL5. Getriebe und Differential. Machen wir einfach so, als ließe sich damit der Motor beschwören.
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Muß man besonders sein, um hier zu sein? frage ich mich die ganze Nacht an dieser langen Theke. Ich sollte längst in zweiter Reihe sein und Kisten schleppen und Kleingeld organisieren, anstatt an der Front auszuharren. Immer wieder stürme ich die Küche, in der sie an den Wänden kleben, und rufe "Fern der Front macht alte Krieger", und dann rafft sich vielleicht wieder einer auf. Aber daß sie mir die Getränke wegtragen, damit sich die Sperrstunde wenigstens irgendwann durchsetzen lässt, darauf kämen sie nie.
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"Millionenbauer!" schreit ein Betrunkener, und "Millionenschuldner!" lache ich ihn aus. "Wie wäre es, wenn ihr beiden heiraten würdet?"
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Die ergebenen Gesichter der Sanitäter, die die Leichen abtransportieren. Drink responsibly.
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Morgens um halb sechs ist die Welt wieder in Ordnung.
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Sie steuern auf mich zu, und Mädchen, die sich am Arm halten, die sind sowieso verdächtig. Doch ihr erster Satz ist gar nicht schlecht.
Arbeitest Du auch in dieser Firma? und schon bin ich sprachlos. Matt mit zwei Damen, und wieso komme ich mir so unköniglich vor?
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"Die Geschichte des Mähdreschers", und das sind so Filme, da hätte ich gern einen Münzschlitz im Fernseher.
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Daß die Hässlichen hier normal sind, denke ich zwischendurch, aber das wäre arrogant und böse. Daß es nicht so tragisch ist, alles. Die Ideale anders sind. Ferner, vielleicht. Unnötiger. Vielleicht sind sie hier mehr sie selbst, auch wenn das Sabbern bedeutet und spuckendes Reden und besudelte Trunkenheit. Man müßte das alles auftrennen, aber vielleicht darf man das auch gar nicht.
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Ich selbst in den zerschlissensten Hosen und einem weiten weißen Pullover. Und trotzdem.
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Die beiden Glatzen sind so klein.
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"Geh mit zur Lehrfahrt!" sagt sie, "da triffst Du auch sie wieder." Jetzt werde ich schon mattgesetzt, da sind die Damen nicht einmal auf dem Feld, was soll denn das?
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Neben meinem Namen auf der Liste steht "nicht bis zum Schluß, hat Stalldienst", und vielleicht ist es das.
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Habe ich mich echt für euch so herausgeputzt? Die Architektin und die Betriebswirtschaftlerin, und endlich steige ich in dieser Familienwirrnis einigermaßen durch. Kann mir jemand ein Diagramm malen? frage ich und verheddere mich gleich wieder. Zum Abschied: Wie heißt Du nochmal?
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Heilige Erstkommunion des Kleinsten. Ich beim Kaffee, und spreche Mut zu. Rate zur Universität, weil sie da sowieso schon ist. Da kann ich ja gar nicht mehr ehrlich sein.
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Ich in der Kirche, zur abendlichen Andacht. Der Pfarrer verheddert sich auch, in Rosenkranz und Islam, und wahrscheinlich hat er mich gesehen und gedacht, Ostern und Weihnachten seien heute. Ich sitze in der leeren Reihe auf dem Platz meines Großvaters. Erste Empore, und ich bin viel zu groß für die niedrige Decke.
Die Kinder kenne ich alle, und schöner kanns gar nie werden. In der Kirche sollte man andächtig umhergehen, und vielleicht werde ich das einmal tun.
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Ach Zimmerer, sage ich, als wir beim Klowagen stehenbleiben, und er nickt.
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Der Spaß am Telefonieren. Schein, sagt er, und Tiertransport. Und ich winke ab, Dann laufe ich halt, da kann mir keiner was. Und so kommen wir ins Bräkeln, von hier nach dort und zurück. Ich kann ja eigentlich keine halbe Stunde reden.
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Die Gräfin ist ja Viehkutscherin, neuerdings, und ich rufe ihr ein "Frau Ministerialdirigenzassistent" zu. "Rechne mal schnell", antwortet sie und ruft hastig Zahlen in den Hörer. Ich rechne und gebe durch, und dann höre ich einen ganzen Tisch lachen. Wirtshausseligkeit, wo die Bedienung nebenbei telefoniert, und ohne dort zu sein, bin ich dabei und kläre auch die Frage nach dem Schein, denn schließlich sitzt ein Viehhändler am Tisch, an den ich gereicht werde, und großes Hallo, als er mir einen Husel abzuluchsen versucht, aber Luchs bin ich selber, Luchs und Has', und schließlich einigen wir uns darauf, daß er anrufen darf. Und Schein: Führerschein reicht, da kein Gewerbe und keine sechzig Kilometer. Und daß ich ja wohl niemals nicht einen Führerschein brauchen werde, darüber ist sich der Tisch einig. Vom Lachenknistert das Telefon und schweigt.
Feierabend.
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Hormone, sagt er, die hast selbst Du nicht im Griff. Und das liegt gleichzeitig so falsch und so richtig, daß ich ihm von Ewigkeiten erzähle, und davon, daß ich noch nie welche versprochen habe. Seine beiden Jungs stürmen in den Raum und plündern die Küche. Ich höre mir die Geschichten von erstem Moped und erster Freundin an und denke an daran, daß Kinder Ewigkeiten darstellen, oder Verewigungen meinetwegen, und das nicht nur in ihrer Person, sondern in ihren Auswirkungen auf die eigene Endlosigkeit. Man diffundiert ja hinein in so ein Kind, und überträgt die eigene Endlosigkeit, Freiheit, wasweißdennich, beschneidet sich selbst und verewigt sich dabei. Muß man auch wollen, denke ich, muß man sehr genau nachdenken. Darf man nicht tun, wenn man keine Ewigkeiten anerkennt, und das alles sage ich ihm, als die beiden wie Böen wieder hinausgestürmt sind, man verzeihe mir die Wortspielfalle.
Egozentrik, sagen wir, und das meinen wir beide nicht so. Er mußte auf dem Kilimandjaro finden, wo er hingehört, und es brauchte eine Chance von nullkommazwei Prozent, um ihn von einer Familie zu überzeugen und von seiner endlosen Weltreise heimzuholen. Man kann also, so schließen wir, mit neunundneunzigkommaacht Prozent auch anders leben. Oder mit hundert, sage ich, aber diese Konsequenz (da ist es wieder, das Wort), die glaube ich mir selbst ja auch nicht.
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Ich brauche lange, um mit der Maschine zu verwachsen.
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ATF-Öl und GL5. Getriebe und Differential. Machen wir einfach so, als ließe sich damit der Motor beschwören.
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Muß man besonders sein, um hier zu sein? frage ich mich die ganze Nacht an dieser langen Theke. Ich sollte längst in zweiter Reihe sein und Kisten schleppen und Kleingeld organisieren, anstatt an der Front auszuharren. Immer wieder stürme ich die Küche, in der sie an den Wänden kleben, und rufe "Fern der Front macht alte Krieger", und dann rafft sich vielleicht wieder einer auf. Aber daß sie mir die Getränke wegtragen, damit sich die Sperrstunde wenigstens irgendwann durchsetzen lässt, darauf kämen sie nie.
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"Millionenbauer!" schreit ein Betrunkener, und "Millionenschuldner!" lache ich ihn aus. "Wie wäre es, wenn ihr beiden heiraten würdet?"
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Die ergebenen Gesichter der Sanitäter, die die Leichen abtransportieren. Drink responsibly.
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Morgens um halb sechs ist die Welt wieder in Ordnung.
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Sie steuern auf mich zu, und Mädchen, die sich am Arm halten, die sind sowieso verdächtig. Doch ihr erster Satz ist gar nicht schlecht.
Arbeitest Du auch in dieser Firma? und schon bin ich sprachlos. Matt mit zwei Damen, und wieso komme ich mir so unköniglich vor?
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"Die Geschichte des Mähdreschers", und das sind so Filme, da hätte ich gern einen Münzschlitz im Fernseher.
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Daß die Hässlichen hier normal sind, denke ich zwischendurch, aber das wäre arrogant und böse. Daß es nicht so tragisch ist, alles. Die Ideale anders sind. Ferner, vielleicht. Unnötiger. Vielleicht sind sie hier mehr sie selbst, auch wenn das Sabbern bedeutet und spuckendes Reden und besudelte Trunkenheit. Man müßte das alles auftrennen, aber vielleicht darf man das auch gar nicht.
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Ich selbst in den zerschlissensten Hosen und einem weiten weißen Pullover. Und trotzdem.
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Die beiden Glatzen sind so klein.
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"Geh mit zur Lehrfahrt!" sagt sie, "da triffst Du auch sie wieder." Jetzt werde ich schon mattgesetzt, da sind die Damen nicht einmal auf dem Feld, was soll denn das?
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Neben meinem Namen auf der Liste steht "nicht bis zum Schluß, hat Stalldienst", und vielleicht ist es das.
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Habe ich mich echt für euch so herausgeputzt? Die Architektin und die Betriebswirtschaftlerin, und endlich steige ich in dieser Familienwirrnis einigermaßen durch. Kann mir jemand ein Diagramm malen? frage ich und verheddere mich gleich wieder. Zum Abschied: Wie heißt Du nochmal?
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Heilige Erstkommunion des Kleinsten. Ich beim Kaffee, und spreche Mut zu. Rate zur Universität, weil sie da sowieso schon ist. Da kann ich ja gar nicht mehr ehrlich sein.
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Ich in der Kirche, zur abendlichen Andacht. Der Pfarrer verheddert sich auch, in Rosenkranz und Islam, und wahrscheinlich hat er mich gesehen und gedacht, Ostern und Weihnachten seien heute. Ich sitze in der leeren Reihe auf dem Platz meines Großvaters. Erste Empore, und ich bin viel zu groß für die niedrige Decke.
Die Kinder kenne ich alle, und schöner kanns gar nie werden. In der Kirche sollte man andächtig umhergehen, und vielleicht werde ich das einmal tun.
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Ach Zimmerer, sage ich, als wir beim Klowagen stehenbleiben, und er nickt.
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Der Spaß am Telefonieren. Schein, sagt er, und Tiertransport. Und ich winke ab, Dann laufe ich halt, da kann mir keiner was. Und so kommen wir ins Bräkeln, von hier nach dort und zurück. Ich kann ja eigentlich keine halbe Stunde reden.
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Die Gräfin ist ja Viehkutscherin, neuerdings, und ich rufe ihr ein "Frau Ministerialdirigenzassistent" zu. "Rechne mal schnell", antwortet sie und ruft hastig Zahlen in den Hörer. Ich rechne und gebe durch, und dann höre ich einen ganzen Tisch lachen. Wirtshausseligkeit, wo die Bedienung nebenbei telefoniert, und ohne dort zu sein, bin ich dabei und kläre auch die Frage nach dem Schein, denn schließlich sitzt ein Viehhändler am Tisch, an den ich gereicht werde, und großes Hallo, als er mir einen Husel abzuluchsen versucht, aber Luchs bin ich selber, Luchs und Has', und schließlich einigen wir uns darauf, daß er anrufen darf. Und Schein: Führerschein reicht, da kein Gewerbe und keine sechzig Kilometer. Und daß ich ja wohl niemals nicht einen Führerschein brauchen werde, darüber ist sich der Tisch einig. Vom Lachenknistert das Telefon und schweigt.
Feierabend.
28.03.10, 20:32 | 'Das Auge des Betrachters'








17.03.10, 20:15 | 'Das Auge des Betrachters'
Je schlechter es mir geht, umso besser kann ich mich konzentrieren. Voller Bauch studiert eben nicht gern, und volles Herz hat eben alles andere zu tun.
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Fünfhundert, sagt er, das ist eine Woche Urlaub irgendwo, und ich nicke lächelnd. Ich weiß nicht, was eine Woche Urlaub kostet. Doch hier werde ich die Fassade nicht einreißen. Ich möchte auch einmal wissen, wie das ist.
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Gekrümmte Flächen, und die schwierigste Geometrie versteckt sich im Innern, aber das ist ja oft so.
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Fünfhundert, sagt er, das ist eine Woche Urlaub irgendwo, und ich nicke lächelnd. Ich weiß nicht, was eine Woche Urlaub kostet. Doch hier werde ich die Fassade nicht einreißen. Ich möchte auch einmal wissen, wie das ist.
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Gekrümmte Flächen, und die schwierigste Geometrie versteckt sich im Innern, aber das ist ja oft so.
09.03.10, 14:28 | 'Das Auge des Betrachters'
Auf dem Frühstückstisch liegt ein Brief vom Dorfgymnasium, das auch ich einst besucht habe. Abgedruckt ist in einem Kasten ein einziger Satz, in rundlichen einzelnen Buchstaben. Es wird für morgen ein "A." angekündigt. Gespräche mit der Polizei werden geführt, es werden weitere Informationen versprochen, der Verfasser des Satzes wird aufgefordert, sich zu melden. Es drohe eine Hausdurchsuchung, die sehr kostspielig werden könne.
Was tun? fragt die Mutter, und ich denke kurz daran, wie schnell man ein System wie die Schule lahmlegen kann, und aus welchen Gründen. Ich denke an die möglichen Reaktionen, an die Folgen.
Dann denke ich kurz an mein Engelchen, und "Lasst sie zu hause". Der Idealismus wächst nicht nur mit der Entfernung zum Problem. Die Ideale können auch ganz andere sein.
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Vögel, Pferde und Muffins. Wie eine Frau die Menschen einteilt, in Updikes "Landleben".
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Ganz kurz nur auf der Ausstellung. Einer, der mit mir früher gefahren ist. Früher der Kompagnon war, der mich besänftigte. Jetzt beim Bauhof der Stadt, und sein leichtes Lispeln hat er noch. Er riecht leicht nach Bier, und ich denke, daß man sowas nie wertfrei wahrnimmt, sondern daß dieser Geruch nur den Zeiger der Waage weiter ausschlagen lässt.
Mit vierzig will er nicht mehr arbeiten, sagt er mit seinem andauernden Lächeln, seinen ausholenden Armen, seiner leicht vornüber gebeugten Haltung. Das reicht, wenn er nur zweiundachtzig würde.
Ich lächle und verabschiede mich, und vielleicht hat er für sich ja recht.
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Das Spielzeug kommt am Donnerstag.
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Mir träumt von gutem Werkzeug.
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Jetzt habe ich zwei Pakete bekommen. Am 23. wurde versandt, am 28. habe ich nachgefragt, am 5. wurde neu verschickt, heute sind beide Pakete da. 'Zefix.
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Am Sonntagabend tatsächlich gedöst. Glühend vor Körperwärme von der Stallarbeit gedöst. Ich werde wohl alt.
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"Die sollen einen Wintersporttag einlegen", sagt der Bauer mit seiner gewohnt schnellen Sicht für einfache Lösungen.
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Am Weltfrauentag stehen wir beide da, dick vermummt in der Kälte, um einen halbzerlegten, wütend fiependen Durchlauferhitzer der Tränkewasserzirkulation, mit einem Fläschchen Kaffeemaschinenreiniger, das wir aus der Speis gemopst haben, und sind ziemlich hilflos. Ging dann aber doch, wie so oft.
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Als ich vom Pflügen wiederkomme, frage ich nach Garbenseilen, und da wissen schon alle um die Häufen dicker Senfstengel, die ich mit den Scharen zusammengezogen und mühsam mit den Händen wieder herausgezerrt habe.
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Arbeit als Anstrengung. Nicht nur. Aber schon auch.
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Da stehen wir nun, der Freund und ich. Er redet ganz langsam, im schweren Zungenschlag unserer Sprache. Neun Jahre. Das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich sage nicht, daß ich das nachvollziehen kann. Der Zeitpunkt, sagt er, und deutet hinaus ins Dunkel, wo das ausgebeinte alte Haus steht. Der Gedanke, man hätte alles gefunden, und dann verliert man alles. Der Schlaf. Das Kreisen um Gründe, um Möglichkeiten: um Lächerlichkeiten, keine von Belang.
Da denkt man noch an ganz andere Sachen, sagt er unvermittelt in die Stille. Seine Augen werden trüb, das Glitzern darin gefriert, wie mürbes Eis. Ich erzähle nicht von denen, die mich schon verlassen haben. Ich sage nur, daß davon nichts besser wird. Für niemanden.
Mehr kann ich nicht sagen und gehe.
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Die Gräfin am Telefon, sie erkennt mich sofort. "Hey Texaner", ruft sie, und da ist kein Fragen, warum ich an dieses Telefon gehe. Ich habe ihr ein Kalb, und eine halbe Stunde später fährt sie mit dem Lastwagen in den Hof. "Frau Viehhändler!" rufe ich ihr lachend vom Silo zu, wo ich die Folien unterm Schnee suche.
"Fahr doch mit", sagt sie, und warum nicht. Und so zuckeln wir durch die Gegend und reden, bestaunen die Sonne und die Gegend und den Schnee und sind uns einig, daß es nur hier, am schönsten Fleck, sich lohnt zu leben.
Ihr neuer Freund trägt eine Schiebermütze, gelbe Zähne und treibt die Kälber, die ich sanft bugsiere, mit wildem Rufen an.
"Alle Bauern sind Lumpen", sagt er wie einen Lehrsatz zu ihr, und "Viehhändler werden nur die, bei denen es zum Bauern nicht gereicht hat", sage ich ihm, und das trifft, sowas sehe ich ja mittlerweile.
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Als ich nach draußen komme, ist sie im Auto in der Sonne eingenickt.
Was tun? fragt die Mutter, und ich denke kurz daran, wie schnell man ein System wie die Schule lahmlegen kann, und aus welchen Gründen. Ich denke an die möglichen Reaktionen, an die Folgen.
Dann denke ich kurz an mein Engelchen, und "Lasst sie zu hause". Der Idealismus wächst nicht nur mit der Entfernung zum Problem. Die Ideale können auch ganz andere sein.
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Vögel, Pferde und Muffins. Wie eine Frau die Menschen einteilt, in Updikes "Landleben".
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Ganz kurz nur auf der Ausstellung. Einer, der mit mir früher gefahren ist. Früher der Kompagnon war, der mich besänftigte. Jetzt beim Bauhof der Stadt, und sein leichtes Lispeln hat er noch. Er riecht leicht nach Bier, und ich denke, daß man sowas nie wertfrei wahrnimmt, sondern daß dieser Geruch nur den Zeiger der Waage weiter ausschlagen lässt.
Mit vierzig will er nicht mehr arbeiten, sagt er mit seinem andauernden Lächeln, seinen ausholenden Armen, seiner leicht vornüber gebeugten Haltung. Das reicht, wenn er nur zweiundachtzig würde.
Ich lächle und verabschiede mich, und vielleicht hat er für sich ja recht.
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Das Spielzeug kommt am Donnerstag.
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Mir träumt von gutem Werkzeug.
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Jetzt habe ich zwei Pakete bekommen. Am 23. wurde versandt, am 28. habe ich nachgefragt, am 5. wurde neu verschickt, heute sind beide Pakete da. 'Zefix.
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Am Sonntagabend tatsächlich gedöst. Glühend vor Körperwärme von der Stallarbeit gedöst. Ich werde wohl alt.
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"Die sollen einen Wintersporttag einlegen", sagt der Bauer mit seiner gewohnt schnellen Sicht für einfache Lösungen.
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Am Weltfrauentag stehen wir beide da, dick vermummt in der Kälte, um einen halbzerlegten, wütend fiependen Durchlauferhitzer der Tränkewasserzirkulation, mit einem Fläschchen Kaffeemaschinenreiniger, das wir aus der Speis gemopst haben, und sind ziemlich hilflos. Ging dann aber doch, wie so oft.
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Als ich vom Pflügen wiederkomme, frage ich nach Garbenseilen, und da wissen schon alle um die Häufen dicker Senfstengel, die ich mit den Scharen zusammengezogen und mühsam mit den Händen wieder herausgezerrt habe.
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Arbeit als Anstrengung. Nicht nur. Aber schon auch.
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Da stehen wir nun, der Freund und ich. Er redet ganz langsam, im schweren Zungenschlag unserer Sprache. Neun Jahre. Das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich sage nicht, daß ich das nachvollziehen kann. Der Zeitpunkt, sagt er, und deutet hinaus ins Dunkel, wo das ausgebeinte alte Haus steht. Der Gedanke, man hätte alles gefunden, und dann verliert man alles. Der Schlaf. Das Kreisen um Gründe, um Möglichkeiten: um Lächerlichkeiten, keine von Belang.
Da denkt man noch an ganz andere Sachen, sagt er unvermittelt in die Stille. Seine Augen werden trüb, das Glitzern darin gefriert, wie mürbes Eis. Ich erzähle nicht von denen, die mich schon verlassen haben. Ich sage nur, daß davon nichts besser wird. Für niemanden.
Mehr kann ich nicht sagen und gehe.
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Die Gräfin am Telefon, sie erkennt mich sofort. "Hey Texaner", ruft sie, und da ist kein Fragen, warum ich an dieses Telefon gehe. Ich habe ihr ein Kalb, und eine halbe Stunde später fährt sie mit dem Lastwagen in den Hof. "Frau Viehhändler!" rufe ich ihr lachend vom Silo zu, wo ich die Folien unterm Schnee suche.
"Fahr doch mit", sagt sie, und warum nicht. Und so zuckeln wir durch die Gegend und reden, bestaunen die Sonne und die Gegend und den Schnee und sind uns einig, daß es nur hier, am schönsten Fleck, sich lohnt zu leben.
Ihr neuer Freund trägt eine Schiebermütze, gelbe Zähne und treibt die Kälber, die ich sanft bugsiere, mit wildem Rufen an.
"Alle Bauern sind Lumpen", sagt er wie einen Lehrsatz zu ihr, und "Viehhändler werden nur die, bei denen es zum Bauern nicht gereicht hat", sage ich ihm, und das trifft, sowas sehe ich ja mittlerweile.
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Als ich nach draußen komme, ist sie im Auto in der Sonne eingenickt.
21.02.10, 11:51 | 'Das Auge des Betrachters'
Meine abgrundtiefe Verachtung gegenüber den Jungen und Schönen, den Städtern, die dort sitzen in diesem ach so mexikanischen Restaurant, und vergeblich erzähle ich, daß hier die selbe Franscheiße verkauft wird wie überall. Nachdem man uns hat stehen lassen, trotz des reservierten Tisches. Zur Seite gebeten, zur Seite gedrängt, weil wir im Weg standen. Und da muß man ja immer erst laut werden, den Jovialität mit den Fremden, die liegt mir nicht, die geht aber sicher auch. Das Auftreten, als kenne man, als sein man bekannt. Das allfällige Grüßen, und wie sie sich beim Eintreten gegenseitig versichern, daß sie hier den "Chef" kennen, der sich wahrscheinlich über alle lustig macht, mit seinen Preisen und dem bemüht mexikanischen Deutsch-Englisch-Durcheinander auf der Speisekarte. Ich will doch nicht mit der Bedienung um mein Getränk würfeln, wie arm ist das denn? Ich würfle mit Freunden, und wer chikt, der bezahlt eben die Runde, so ist das nun mal.
Wir sitzen da zu viert, und ich bin sehr ruhig. Ich sehe mich um, und ich merke, daß mir die Nervosität fehlt. Die der Leute, die die ganze Woche vor dem Fernseher verbringen, aber der Samstag, der muß dann, und da wird dann auch schon mal Aufhebens um ein Schirmchen auf einem Glas gemacht, denn Ordnung muß ja sein, beim perfekten Amüsement. Auch die fehlt mir desjenigen, der sich beweisen muß, der dazugehören möchte und deshalb hier ist. Ich bin gefallenhalber hier, und das ist ja sowieso Schwachsinn, ebenso wie der Schneefall draußen. Bei solchem Wetter gehöre ich auf die Feldwege rund ums Dorf, wo man mich beiläufig bergen kann, wenn den Beemes doch der Schlupf überkommt, und nicht auf Bundesstraßen mit Halbwilden in Fronttrieblern und ohne Respekt vor dem Tod.
Überhaupt gefallenhalber. Ich wußte nichts besseres, also habe ich zugesagt. Das Beste erfährt man ja immer erst hinterher, also sitze ich hier in dem, was Unternehmer den worst case nennen. Und ich würde es ja ganz anders nennen, aber hier drin zu fluchen, das würde euch so passen. Es ist seltsam: Wenn ich einen Vorschlag zur Samstagabendreise mache, möchte ich, daß es allen gefällt. Dann gefällt es mir auch. Wenn ich einen Vorschlag annehme, möchte ich entweder mit - weil es mir gefällt - oder gefallenhalber. Eine seltsame Art von Ausgleich, aber wer hat schon behauptet, das Leben sei gerecht?
Mir gegenüber ein Pärchen, und immer wieder ein hoffender Blick von der Seite. Es soll auch mir gefallen, was ihr gefällt. Sie bittet, und sowas bricht mir ja immer das Herz. Also rede ich. Nein.
Zuerst denke ich nach. Ich kenne meine Gegenüber nicht - den schlaksigen Jungen mit den schlauchförmig schlaff herabhängenden Armen. Das Mädchen mit den glatten Haaren und den Beinen wie Saustallpfosten, verzeihen Sie bitte, aber da kenn ich mich aus. Was möchte ich wissen, überlege ich, aber ich kann ja schlecht fragen, wann wir wieder gehen. Sie haben ja noch ihre Jacken an. Überhaupt Jacken, denke ich und sehe mich um. Skijacken aus Materialien, mit denen man sicher zum Mond fliegen könnte. Daß es zum Skifahren nicht reicht, ist ein ganz anderes Ding. Dann die Mäntel der Herren. Herrenmäntel. Mit Kragen, aus Filz und mit Schal. Wie alt seid ihr eigentlich und was glaubt ihr überhaupt? Zu lange Jacken mit pelzbesetzten Kapuzen, hallo Roald Amundsen.
Und die geschleckten Haare, oder doch lieber die Skimütze auflassen? Im geschlossenen, überheizten Raum beim Essen, na wohl bekomm's. Scheint ja nicht viel drin zu sein, was eure Köpfe wärmen könnte. Dann Hemden. Extravagant, so hat man euch das sicher verkauft. Darin fallt ihr auf, und in einem Schwarm Kanarienvögel kann einer noch so gelb sein, es bleibt doch ein Kanarienvogel. Die Mädchen, hergerichtet wie für den Opernball, und ich bin mir sicher, daß die Prozedur ein Drama war. Stiefel, Fickmichstiefel, wieder Stiefel. Und dann draußen im Matsch ausrutschen.
Das Essen kommt, und später werden sie mit billigen Gutscheinen bezahlen. Solchen, die ich wegwerfe, damit ich nicht in diese Läden muß. Irgendwas kompliziertes, das die Aushilfe in der Küche sehr schick aus der Gefrierverpackung geholt hat. Anspruch verkauft man hier, und mexikanische Küche.
Tapas, so schätze ich, sind dort ein Arme-Leute-Essen. Schmecken nach nix. Oder sind es Tortillas? Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Gleichgültigkeit wird von der Zunge direkt in den Kopf übertragen, aha. Jedenfalls kenne ich mich aus mit regionalem Essen, dem hiesigen zwar nur, aber darin bin ich Experte, da bin ich durch. Und ich erkenne ein Arme-Leute-Essen, wenn ich es sehe. Nichts gegen die Armen, nichts gegen das Essen, aber wenn ich sehe, was hierzulande eine solche Mahlzeit war, dann bin ich lieber hier arm als in Mexiko. Oder ich kann hier gar nicht so arm werden wie die da schon sind. Sägemehl esse ich schließlich nur unfreiwillig, wenn es beim Aufladen staubt. Und die Soßen nennen sich ganz anders, haben giftige Farben und sind direkt aus der Flasche. Einheitsbrei, aber danach geht ihr noch Fischmäc und Chicken Nuggets essen, aber Kaninchen verweigern, das ginge gar nicht, da habt ihr Mitleid. Häckseldelphin und Presshuhn gehen, solange nur Panade drumherum ist, und die Form viereckig. Welt. Echt.
Aber am ärmsten sind doch die, die sich das verkaufen lassen. Als echt, und dazu brummt stampfende Musik aus zu kleinen, zu teuren Lautsprechern. Zwei Geschosse, etwa zweihundert Quadratmeter, und ihr macht dumpfen Krach aus Brüllwürfelchen? Es macht nichts, daß ich das Mädchen gegenüber nicht verstehe. Ich habe sie inzwischen nach dem Kinofilm gefragt, den die beiden sich angesehen haben, als klassischen Pärchenabend, auf den sie sich stundenlang vorbereitet haben. Fünfmal telefoniert, besprochen, organisiert, geändert, und das sind Leute, die das wirklich für einen Beruf halten. Organisationsassistent. Betriebswirtschaft. Habt ihr schon mal was bewegt? Sie schaut mich an und denkt nach. Der Film. Aha. Ist ja schon eine halbe Stunde her, das muß man nicht mehr wissen. Filme, die einem jahrelang nachgehen, die kennt ihr gar nicht. "Schon" sagt sie, und das war ihre Filmkritik, halb ihrem Freund zugewandt. Die beiden reden miteinander, er erzählt ihr, welches der um uns sitzenden Mädchen ihm gefällt. Das muß ich nun wieder alles hören und verstehen, da kann die Musik nicht laut genug sein.
Weißt Du noch? sagen sie Mal um Mal, als hätten sie die Welt erlebt.
Und ich denke an den Morgen zurück, als ich auf meine Finger sehe. Wie ich da im Tran die Mädels holte, die genauso schwerfällig waren wie ich. Ich bin da nicht so hart zu ihnen, ich kenne das ja selbst. Stehe auf dem Futtertisch und sehe einen Kuhfladen. Nichts, was nur einmal im Jahr vorkommt, aber auch nicht jeden Tag. Auf dem Futtertisch. Ich räume ihn weg und mache weiter. Treibe irgendwann die zweite Gruppe hinaus zum Melken. Wundere mich, daß ich eine vergessen habe. Muhend steht sie da. Auf dem Futtertisch.
"Wie bist Du denn da hingekommen?" frage ich sie, aber Antworten auf wichtige Fragen muß man sich ja sowieso immer selber geben. Ich mache das Tor auf und winke die Dame herein. Nun komm schon. Irgendwann im Melkstand erzähle ich das, und es klärt sich so, daß am Vorabend sechs Damen ausgebüchst waren, und nur fünf wieder eingefangen. Eine ging verschütt, die ist ja auch ganz schwarz, und hat sich, wie die Mädels nun mal so sind, wenn man sie alleine lässt, nicht weggetraut. Mehr nicht, eine Anekdote des Halbschlafes, wenn morgens die Groschen noch etwas schwerfällig sind, aber hier würde ich sie nicht erzählen wollen, und deswegen mag ich nicht hier sein.
Ich schaue nach draußen ins Schneegestöber. Schwere, nasse Flocken. Eine Straßenlampe, gelb genug für eine große Kreuzung. An einem gebogenen Mast eine Ampel, die von Zeit zu Zeit durchschaltet. Meist ist sie rot. Wie gern säße ich auf dem Ausleger des Mastes, finge Schneeflocken mit der Zunge und schaute dem Verkehr zu, der sich mühselig durch die Straßen plagt und sich aufhalten lässt, von einem roten Licht.
Ich lasse irgendwann die Prozedur des getrennten Bezahlens über mich ergehen, und dann dürfen wir uns verabschieden. Ich bleibe unumarmt, und dabei hilft es sehr, wenn man die Arme vor der Brust verschränkt. Wenn sonst nichts hilft. Wir lassen die beiden allein, die weiter mit sich selbst reden und sich gegenseitig bestätigen, was -ach!- das nun wieder für ein schöner Abend war. Es ist eins, und ich muß eh gleich wieder raus.
Aber eins noch. Im Jugendhaus ist Geburtstag, und als wir eintreffen, wimmert eine Dame ihrem Conny Kramer nach, und ich bin alt genug, um das lustig zu finden. Der Kleine, das rote Unglück, und von überall Flaschen, die auf mich gerichtet sind. Wir verbringen die gleiche Zeit hier, die wir auch dort saßen, doch sie ist hundert, tausend Mal mehr.
"Einmal durchdrehen, bitte", sage ich, und wir machen die Bohlgassbrasilianer, jonglieren zur Musik und tanzen ausgedachte Figuren. Nur Spaß muß es machen, und bitte das Blut selber aufwischen, das war einmal der einzige Tagesordnungspunkt.
Hier bin ich so voll Liebe wie dort voll Abscheu, und wahrscheinlich ist das umgekehrt genauso. Aber ich habe Recht, und ihr täuscht euch nur. Lasst euch täuschen, werdet getäuscht. Ihr werdet keine Freunde haben, und keine Erinnerungen. Ihr werdet nie jung und dumm gewesen sein, sondern ihr wolltet immer nur spielen. So tun als ob. Sie spielen Beziehung, sagen "Schatzi"; sie spielen Krieg, sagen "Bring isch disch um"; sie spielen Freundschaft, sagen "Kollege", und sie wissen es, daß das alles nicht wahr ist. Daß das alles nichts ist gegen die zwei Sätze, die ich zwischendurch, auf einer Bierkiste sitzend, sage. "Der Wald meiner Tante. Hast Du Zeit?" Und da grinst einer und schlägt ein, mit seiner breiten Pranke, und ich weiß, ich könnte keine besseren Freunde haben. So wie alles kommt Freundschaft wohl von Schaffen, aber das werde ihr wohl nie verstehen, die ihr noch nie nach Tag und Nacht und Tag und Nacht ein Silobier in der Hand hattet, schwankend und beseelt, und eine Stunde später schon wieder auf dem Weg.
Wir sitzen da zu viert, und ich bin sehr ruhig. Ich sehe mich um, und ich merke, daß mir die Nervosität fehlt. Die der Leute, die die ganze Woche vor dem Fernseher verbringen, aber der Samstag, der muß dann, und da wird dann auch schon mal Aufhebens um ein Schirmchen auf einem Glas gemacht, denn Ordnung muß ja sein, beim perfekten Amüsement. Auch die fehlt mir desjenigen, der sich beweisen muß, der dazugehören möchte und deshalb hier ist. Ich bin gefallenhalber hier, und das ist ja sowieso Schwachsinn, ebenso wie der Schneefall draußen. Bei solchem Wetter gehöre ich auf die Feldwege rund ums Dorf, wo man mich beiläufig bergen kann, wenn den Beemes doch der Schlupf überkommt, und nicht auf Bundesstraßen mit Halbwilden in Fronttrieblern und ohne Respekt vor dem Tod.
Überhaupt gefallenhalber. Ich wußte nichts besseres, also habe ich zugesagt. Das Beste erfährt man ja immer erst hinterher, also sitze ich hier in dem, was Unternehmer den worst case nennen. Und ich würde es ja ganz anders nennen, aber hier drin zu fluchen, das würde euch so passen. Es ist seltsam: Wenn ich einen Vorschlag zur Samstagabendreise mache, möchte ich, daß es allen gefällt. Dann gefällt es mir auch. Wenn ich einen Vorschlag annehme, möchte ich entweder mit - weil es mir gefällt - oder gefallenhalber. Eine seltsame Art von Ausgleich, aber wer hat schon behauptet, das Leben sei gerecht?
Mir gegenüber ein Pärchen, und immer wieder ein hoffender Blick von der Seite. Es soll auch mir gefallen, was ihr gefällt. Sie bittet, und sowas bricht mir ja immer das Herz. Also rede ich. Nein.
Zuerst denke ich nach. Ich kenne meine Gegenüber nicht - den schlaksigen Jungen mit den schlauchförmig schlaff herabhängenden Armen. Das Mädchen mit den glatten Haaren und den Beinen wie Saustallpfosten, verzeihen Sie bitte, aber da kenn ich mich aus. Was möchte ich wissen, überlege ich, aber ich kann ja schlecht fragen, wann wir wieder gehen. Sie haben ja noch ihre Jacken an. Überhaupt Jacken, denke ich und sehe mich um. Skijacken aus Materialien, mit denen man sicher zum Mond fliegen könnte. Daß es zum Skifahren nicht reicht, ist ein ganz anderes Ding. Dann die Mäntel der Herren. Herrenmäntel. Mit Kragen, aus Filz und mit Schal. Wie alt seid ihr eigentlich und was glaubt ihr überhaupt? Zu lange Jacken mit pelzbesetzten Kapuzen, hallo Roald Amundsen.
Und die geschleckten Haare, oder doch lieber die Skimütze auflassen? Im geschlossenen, überheizten Raum beim Essen, na wohl bekomm's. Scheint ja nicht viel drin zu sein, was eure Köpfe wärmen könnte. Dann Hemden. Extravagant, so hat man euch das sicher verkauft. Darin fallt ihr auf, und in einem Schwarm Kanarienvögel kann einer noch so gelb sein, es bleibt doch ein Kanarienvogel. Die Mädchen, hergerichtet wie für den Opernball, und ich bin mir sicher, daß die Prozedur ein Drama war. Stiefel, Fickmichstiefel, wieder Stiefel. Und dann draußen im Matsch ausrutschen.
Das Essen kommt, und später werden sie mit billigen Gutscheinen bezahlen. Solchen, die ich wegwerfe, damit ich nicht in diese Läden muß. Irgendwas kompliziertes, das die Aushilfe in der Küche sehr schick aus der Gefrierverpackung geholt hat. Anspruch verkauft man hier, und mexikanische Küche.
Tapas, so schätze ich, sind dort ein Arme-Leute-Essen. Schmecken nach nix. Oder sind es Tortillas? Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Gleichgültigkeit wird von der Zunge direkt in den Kopf übertragen, aha. Jedenfalls kenne ich mich aus mit regionalem Essen, dem hiesigen zwar nur, aber darin bin ich Experte, da bin ich durch. Und ich erkenne ein Arme-Leute-Essen, wenn ich es sehe. Nichts gegen die Armen, nichts gegen das Essen, aber wenn ich sehe, was hierzulande eine solche Mahlzeit war, dann bin ich lieber hier arm als in Mexiko. Oder ich kann hier gar nicht so arm werden wie die da schon sind. Sägemehl esse ich schließlich nur unfreiwillig, wenn es beim Aufladen staubt. Und die Soßen nennen sich ganz anders, haben giftige Farben und sind direkt aus der Flasche. Einheitsbrei, aber danach geht ihr noch Fischmäc und Chicken Nuggets essen, aber Kaninchen verweigern, das ginge gar nicht, da habt ihr Mitleid. Häckseldelphin und Presshuhn gehen, solange nur Panade drumherum ist, und die Form viereckig. Welt. Echt.
Aber am ärmsten sind doch die, die sich das verkaufen lassen. Als echt, und dazu brummt stampfende Musik aus zu kleinen, zu teuren Lautsprechern. Zwei Geschosse, etwa zweihundert Quadratmeter, und ihr macht dumpfen Krach aus Brüllwürfelchen? Es macht nichts, daß ich das Mädchen gegenüber nicht verstehe. Ich habe sie inzwischen nach dem Kinofilm gefragt, den die beiden sich angesehen haben, als klassischen Pärchenabend, auf den sie sich stundenlang vorbereitet haben. Fünfmal telefoniert, besprochen, organisiert, geändert, und das sind Leute, die das wirklich für einen Beruf halten. Organisationsassistent. Betriebswirtschaft. Habt ihr schon mal was bewegt? Sie schaut mich an und denkt nach. Der Film. Aha. Ist ja schon eine halbe Stunde her, das muß man nicht mehr wissen. Filme, die einem jahrelang nachgehen, die kennt ihr gar nicht. "Schon" sagt sie, und das war ihre Filmkritik, halb ihrem Freund zugewandt. Die beiden reden miteinander, er erzählt ihr, welches der um uns sitzenden Mädchen ihm gefällt. Das muß ich nun wieder alles hören und verstehen, da kann die Musik nicht laut genug sein.
Weißt Du noch? sagen sie Mal um Mal, als hätten sie die Welt erlebt.
Und ich denke an den Morgen zurück, als ich auf meine Finger sehe. Wie ich da im Tran die Mädels holte, die genauso schwerfällig waren wie ich. Ich bin da nicht so hart zu ihnen, ich kenne das ja selbst. Stehe auf dem Futtertisch und sehe einen Kuhfladen. Nichts, was nur einmal im Jahr vorkommt, aber auch nicht jeden Tag. Auf dem Futtertisch. Ich räume ihn weg und mache weiter. Treibe irgendwann die zweite Gruppe hinaus zum Melken. Wundere mich, daß ich eine vergessen habe. Muhend steht sie da. Auf dem Futtertisch.
"Wie bist Du denn da hingekommen?" frage ich sie, aber Antworten auf wichtige Fragen muß man sich ja sowieso immer selber geben. Ich mache das Tor auf und winke die Dame herein. Nun komm schon. Irgendwann im Melkstand erzähle ich das, und es klärt sich so, daß am Vorabend sechs Damen ausgebüchst waren, und nur fünf wieder eingefangen. Eine ging verschütt, die ist ja auch ganz schwarz, und hat sich, wie die Mädels nun mal so sind, wenn man sie alleine lässt, nicht weggetraut. Mehr nicht, eine Anekdote des Halbschlafes, wenn morgens die Groschen noch etwas schwerfällig sind, aber hier würde ich sie nicht erzählen wollen, und deswegen mag ich nicht hier sein.
Ich schaue nach draußen ins Schneegestöber. Schwere, nasse Flocken. Eine Straßenlampe, gelb genug für eine große Kreuzung. An einem gebogenen Mast eine Ampel, die von Zeit zu Zeit durchschaltet. Meist ist sie rot. Wie gern säße ich auf dem Ausleger des Mastes, finge Schneeflocken mit der Zunge und schaute dem Verkehr zu, der sich mühselig durch die Straßen plagt und sich aufhalten lässt, von einem roten Licht.
Ich lasse irgendwann die Prozedur des getrennten Bezahlens über mich ergehen, und dann dürfen wir uns verabschieden. Ich bleibe unumarmt, und dabei hilft es sehr, wenn man die Arme vor der Brust verschränkt. Wenn sonst nichts hilft. Wir lassen die beiden allein, die weiter mit sich selbst reden und sich gegenseitig bestätigen, was -ach!- das nun wieder für ein schöner Abend war. Es ist eins, und ich muß eh gleich wieder raus.
Aber eins noch. Im Jugendhaus ist Geburtstag, und als wir eintreffen, wimmert eine Dame ihrem Conny Kramer nach, und ich bin alt genug, um das lustig zu finden. Der Kleine, das rote Unglück, und von überall Flaschen, die auf mich gerichtet sind. Wir verbringen die gleiche Zeit hier, die wir auch dort saßen, doch sie ist hundert, tausend Mal mehr.
"Einmal durchdrehen, bitte", sage ich, und wir machen die Bohlgassbrasilianer, jonglieren zur Musik und tanzen ausgedachte Figuren. Nur Spaß muß es machen, und bitte das Blut selber aufwischen, das war einmal der einzige Tagesordnungspunkt.
Hier bin ich so voll Liebe wie dort voll Abscheu, und wahrscheinlich ist das umgekehrt genauso. Aber ich habe Recht, und ihr täuscht euch nur. Lasst euch täuschen, werdet getäuscht. Ihr werdet keine Freunde haben, und keine Erinnerungen. Ihr werdet nie jung und dumm gewesen sein, sondern ihr wolltet immer nur spielen. So tun als ob. Sie spielen Beziehung, sagen "Schatzi"; sie spielen Krieg, sagen "Bring isch disch um"; sie spielen Freundschaft, sagen "Kollege", und sie wissen es, daß das alles nicht wahr ist. Daß das alles nichts ist gegen die zwei Sätze, die ich zwischendurch, auf einer Bierkiste sitzend, sage. "Der Wald meiner Tante. Hast Du Zeit?" Und da grinst einer und schlägt ein, mit seiner breiten Pranke, und ich weiß, ich könnte keine besseren Freunde haben. So wie alles kommt Freundschaft wohl von Schaffen, aber das werde ihr wohl nie verstehen, die ihr noch nie nach Tag und Nacht und Tag und Nacht ein Silobier in der Hand hattet, schwankend und beseelt, und eine Stunde später schon wieder auf dem Weg.
07.02.10, 13:52 | 'Das Auge des Betrachters'

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Wie könnte ich, der ich nicht einmal der einzigen Begleiterin, der einzigen Geliebten, die mich mein ganzes Leben begleitet, genug glauben kann, um ihr mein Leben anzudienen, wie könnte ich Zauderer mich so schnell und so definitiv entscheiden, mehr noch, wie könnte ich eine so schnelle und so definitive Entscheidung eines anderen akzeptieren?
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"An Fascheng derfsch koi Alde han! Abr a Jonga, ällaweil."
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"Was klopft denn da so?"
- "Ich haue einen Nagel in die Wand."
- "Wozu?"
- "Wir hängen ein Bild von Dir auf. Sonst sieht man Dich ja gar nicht mehr."
Die allerschönste Einladung zum Sonntagskaffee.
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Ton in Ton gehen alte und neue Dreckspritzer in einander über, und ich komme mir ein wenig vor wie Pop-Art, wenn ich nicht so riechen würde.
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Irgendwann verstummt mein Eifer, und ich frage mich plötzlich, warum ich das Mögen denn begründen muß.
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Fläschnerarbeiten, denke ich, als ich fluchend die alte Dachrinne, die viel zu tief und viel zu verrostet und verdellt herabhängt, vollends abreiße, und da muß ich dann doch grinsen, und meine Gedanken nehmen den leeren Hof ein, wie der Hof sie einnimmt.
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Ein hagerer Langhaariger mit dürren Ärmchen und einem seltsam geknöpften Hemd. Das schwarze, lange Haar ist gefärbt und so unecht zerwühlt wie sein Hochdeutsch unecht gestriegelt ist. Mühsam versteckt er, auf was ich so stolz bin, und so sage ich mehrfach Kreizkrabbasackabrao, während er erzählt und fuchtelt, und einmal lasse ich die flache Hand auf den Tisch fallen, daß er erschrocken verstummt und nach seiner Freundin fasst, die mich fasziniert und verstohlen ansieht. Ich verstehe die beiden plötzlich, und der Gedanke an seine nächtlichen Bemühungen, mit den dürren Ärmchen und dem schwachen Fundament macht mich seltsam wohlig grinsen in meiner Boshaftigkeit. Mit Trauben und Bier winke ich ihr zu, als die beiden gehen, und es war schon immer so, daß ich viel genauer wusste, was ich nicht wollte.
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Der Versuch, mich zu beschreiben.
09.01.10, 17:26 | 'Das Auge des Betrachters'
Zwischen irgendwelchen Saufliedern, die eigentlich Besoffenlieder heißen sollten, weil man sie nur betrunken hören kann, spielen sie den "Schrei nach Liebe". Das kleine Kofferradio ächzt.
"Das ist ein ganz tolles Lied, um sich abzureagieren", sagt das Mädchen neben mir. "Ganz laut mitsingen, dann gehts wieder." Ich lächle und würde mich so gern überlegen fühlen. Doch dieses Lied war schon ein alter Hut, als ich es herausgebrüllt hatte. Auf dem Heimweg läuft irgendein alter Schinken im Radio, den ich mitsumme, und da geht sie auch hin, die Überlegenheit.
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Auf diesem Geburtstag nur ein Bursche unter all den Mädchen.
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Die Eltern sind betrunken. Eines der Mädchen rutscht auf den glatten Fliesen aus und stürzt. Die Eltern lachen und trinken noch eins.
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"Du und Dein Wasser."
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Der pensionierte Schreiner, der mich auf einen Schwatz einlud.
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Das Geburtstagskind bekommt eine Backform mit Bauchmuskeln, und jetzt kann ich mir endlich vorstellen, wie Konsum funktioniert. Verbrauch. Erneuerung. Haltbarkeit als Wegwerfhindernis. Sinn vs. Spaß. Deshalb tue ich mich mit Geschenken also so schwer. Vielleicht bin ich aber auch nur ein zynisches Arschloch.
"Im Moment kann ich keinen brauchen", sagt sie lachend, und ich begreife, daß das Thema ist, mit siebzehn, und was ich alles nicht gelernt habe.
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Auf einer großen Tafel sind unzählige Fotos von ihr aufgeklebt. Eine Collage. Oft tanzend, immer lachend. Mit Freunden, die eine Collage für sie basteln. Sie betrachtet die vielen Fotos und deutet lachend hierhin und dorthin, während um sie die grellen Blitze der Knipskästen zucken.
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Die Fußballerin gegenüber, und ich mag sie, wie sie immer ein wenig unglücklich schaut. Weiter entfernt ein Mädchen mit blondem Deck- und rotem Unterhaar, mit roten Nägeln mit "Applikationen", und sie erzählt von der Pediküre. Sie ist noch jung genug, ihre Sommersprossen zu verfluchen.
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L-Town Abfahrtslauf, und ich brauche dringend alte Skier.
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Eine, die nie weg darf. Sie redet wenig, schaut sich aufmerksam um. "Das ist etwas Besonderes. Und ich will meine Eltern nicht enttäuschen." Und ich denke an die Erziehung meiner Kinder.
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Eine reißt einen Witz über Männer, die immer zu früh kommen. Ich bringe ihn leider nicht mehr zusammen, so schlecht war er gar nicht. Im ersten Moment möchte ich wieder die Brauen hochziehen, doch dann denke ich, daß das vielleicht so ist, mit siebzehn, und da wird mir elend. "Seventeen as twenty-six can" hatte ich mal da stehen, und jetzt prügelt mich die Erkenntnis, daß ich nie so siebzehn war.
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Wir trinken nur anders. Verschütten mehr. Lachen anders. Ansonsten - sitzen auch wir in Grüppchen auf Bierbänken, und die einen mögen einander, die anderen nicht. Nicht einmal die Musik ist besser. Womöglich nicht viel anders. Ist das alles, was wir entwickelt haben? Das lange Sitzen, das grobe Trinken, und womöglich Rangeleien im Schnee?
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Immer bin ich davon ausgegangen, daß es ungefähr ebenso viele Männlein wie Weiblein gibt. Nur, wo die alle waren, das wußte ich nicht. Und welch Glück für den Burschen neben mir, als einziger dabei sein zu dürfen. Begreifen wird er das erst in zehn Jahren, heute begleitet er seine Freundin und versucht, mürrisch auszusehen, wie das eben so geht, an einem gackernden Tisch, mit roten, flaumlosen Wangen.
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Das Lachen, das Tanzen, es fühlt sich an wie eine Übung. Als übten diese Mädchen für die Welt, die auf sie wartet. Auf die sie warten, selbstverständlich, ich möchte hier keinen Pathos. Weg weg, kusch!
Jedenfalls, die Übung. Es scheint nur so, es ist keine. Es ist eine simple Entwicklung, basierend auf dem, was einem Freude macht, und denjenigen, die einen begleiten. So gibt es Spieleabende und wilde Besäufnisse. Und irgendwann, zwischen all den Stricken, die an einem reißen, ist man dann. Nimm. Friß. Stirb.
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"Wenn es keine Umstände macht", sagt sie mehrfach, als wäre ein Autokilometer durch die verschneite Nacht ein Umstand.
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Sie erzählen von Hamburg und Berlin und nassen Schuhen. Ich sehe die Augen leuchten, und jetzt begreife ich auch, was sie Reisen macht.
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Ich habe da etwas ausgelassen, irgendwann. Irgendwo muß ich abgebogen sein, denke ich, weil stehengeblieben zu sein, das möchte ich mir nicht vorwerfen. Das wird wohl noch zehn Jahre dauern.
"Das ist ein ganz tolles Lied, um sich abzureagieren", sagt das Mädchen neben mir. "Ganz laut mitsingen, dann gehts wieder." Ich lächle und würde mich so gern überlegen fühlen. Doch dieses Lied war schon ein alter Hut, als ich es herausgebrüllt hatte. Auf dem Heimweg läuft irgendein alter Schinken im Radio, den ich mitsumme, und da geht sie auch hin, die Überlegenheit.
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Auf diesem Geburtstag nur ein Bursche unter all den Mädchen.
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Die Eltern sind betrunken. Eines der Mädchen rutscht auf den glatten Fliesen aus und stürzt. Die Eltern lachen und trinken noch eins.
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"Du und Dein Wasser."
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Der pensionierte Schreiner, der mich auf einen Schwatz einlud.
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Das Geburtstagskind bekommt eine Backform mit Bauchmuskeln, und jetzt kann ich mir endlich vorstellen, wie Konsum funktioniert. Verbrauch. Erneuerung. Haltbarkeit als Wegwerfhindernis. Sinn vs. Spaß. Deshalb tue ich mich mit Geschenken also so schwer. Vielleicht bin ich aber auch nur ein zynisches Arschloch.
"Im Moment kann ich keinen brauchen", sagt sie lachend, und ich begreife, daß das Thema ist, mit siebzehn, und was ich alles nicht gelernt habe.
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Auf einer großen Tafel sind unzählige Fotos von ihr aufgeklebt. Eine Collage. Oft tanzend, immer lachend. Mit Freunden, die eine Collage für sie basteln. Sie betrachtet die vielen Fotos und deutet lachend hierhin und dorthin, während um sie die grellen Blitze der Knipskästen zucken.
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Die Fußballerin gegenüber, und ich mag sie, wie sie immer ein wenig unglücklich schaut. Weiter entfernt ein Mädchen mit blondem Deck- und rotem Unterhaar, mit roten Nägeln mit "Applikationen", und sie erzählt von der Pediküre. Sie ist noch jung genug, ihre Sommersprossen zu verfluchen.
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L-Town Abfahrtslauf, und ich brauche dringend alte Skier.
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Eine, die nie weg darf. Sie redet wenig, schaut sich aufmerksam um. "Das ist etwas Besonderes. Und ich will meine Eltern nicht enttäuschen." Und ich denke an die Erziehung meiner Kinder.
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Eine reißt einen Witz über Männer, die immer zu früh kommen. Ich bringe ihn leider nicht mehr zusammen, so schlecht war er gar nicht. Im ersten Moment möchte ich wieder die Brauen hochziehen, doch dann denke ich, daß das vielleicht so ist, mit siebzehn, und da wird mir elend. "Seventeen as twenty-six can" hatte ich mal da stehen, und jetzt prügelt mich die Erkenntnis, daß ich nie so siebzehn war.
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Wir trinken nur anders. Verschütten mehr. Lachen anders. Ansonsten - sitzen auch wir in Grüppchen auf Bierbänken, und die einen mögen einander, die anderen nicht. Nicht einmal die Musik ist besser. Womöglich nicht viel anders. Ist das alles, was wir entwickelt haben? Das lange Sitzen, das grobe Trinken, und womöglich Rangeleien im Schnee?
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Immer bin ich davon ausgegangen, daß es ungefähr ebenso viele Männlein wie Weiblein gibt. Nur, wo die alle waren, das wußte ich nicht. Und welch Glück für den Burschen neben mir, als einziger dabei sein zu dürfen. Begreifen wird er das erst in zehn Jahren, heute begleitet er seine Freundin und versucht, mürrisch auszusehen, wie das eben so geht, an einem gackernden Tisch, mit roten, flaumlosen Wangen.
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Das Lachen, das Tanzen, es fühlt sich an wie eine Übung. Als übten diese Mädchen für die Welt, die auf sie wartet. Auf die sie warten, selbstverständlich, ich möchte hier keinen Pathos. Weg weg, kusch!
Jedenfalls, die Übung. Es scheint nur so, es ist keine. Es ist eine simple Entwicklung, basierend auf dem, was einem Freude macht, und denjenigen, die einen begleiten. So gibt es Spieleabende und wilde Besäufnisse. Und irgendwann, zwischen all den Stricken, die an einem reißen, ist man dann. Nimm. Friß. Stirb.
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"Wenn es keine Umstände macht", sagt sie mehrfach, als wäre ein Autokilometer durch die verschneite Nacht ein Umstand.
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Sie erzählen von Hamburg und Berlin und nassen Schuhen. Ich sehe die Augen leuchten, und jetzt begreife ich auch, was sie Reisen macht.
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Ich habe da etwas ausgelassen, irgendwann. Irgendwo muß ich abgebogen sein, denke ich, weil stehengeblieben zu sein, das möchte ich mir nicht vorwerfen. Das wird wohl noch zehn Jahre dauern.
27.12.09, 13:36 | 'Das Auge des Betrachters'
Wir sind wieder auf Tour, der Zimmerer und ich, und die Anlage pfeift, der abgefallene Endtopf liegt auf dem Rücksitz, und wir lachen uns an, als wir über die vereisten Sträßchen fliegen.
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I don't want to miss a thing.
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Die drei Vettern und das Cousinchen. Je älter wir werden, aber das sagte ich ja bereits. Einer, der krank ist, und so schweigsam. Ruhig. Entschlossen.Wie hilflos es mich macht, nicht helfen zu können. Sein Annehmen, sein Akzeptieren.
Einer, der mir erzählt, von den vier Jahren und dem plötzlichen Ende. Ich höre ihm zu, wie er die Zeit neu begreifen mußte, wie er begann, Gitarre zu spielen, stundenlang. Behutsam erzähle ich davon, daß ich ganz andere Dinge liebe, und daß man alles verlieren kann. Kein Grund. Was bleibt, ist die Zeit und ihr Verbringen, und dann kann man sich nichts vorwerfen.
Wie sie sich all das gemerkt haben, was ich ihnen erzählt habe. Unter den bissigen Anekdoten versteckt das Wenige, das ich gelernt habe.
Schauspiel studiert er, und beklagt, er bilde seinen Geist nicht. Redet dann von Brechts Stücken, und ich sage ihm, daß er sich unterschätzt, daß unsere Zahlenschiebereien auch nicht das sind, wonach wir suchen.
Einer erzählt von der durchgearbeiteten Nacht und dem Morgen, und ich zähme mich, nicht überheblich zu werden, mit all meinen Nächten.
#
Spät, sehr spät die Alten im Club, und ich bin heute noch froh um jeden. Der, der aus Australien zurück ist. Der, der mit mir trinkt und singt und schwankt, und wie er dabei doch so zärtlich zu seinem Mädchen ist.
Ich treffe einen, der für die Bild-Zeitung schreibt. Das Mädchen, das mich von früher kennt. So viele Menschen.
Ein soziales Wesen zu sein. Sich zu interessieren. Interessant sein.
#
Hektik an Heiligabend. Das Geschenk für meine Mutter ist in letzter Minute aufgetaucht. Ich hole es ab und bedanke mich bei der Gräfin. Sie sind beide am Werkeln, und es spannt schon wieder, denke ich. Wortlos steige ich auf und nehme ihr das Fahren ab. Lern ein andermal, denke ich, und lass es mich jetzt tun. Dann sitze ich da, im neuen grünen Overall, und die beiden dirigieren, während ich deichsle. Sie bedanken sich, in ihrer lauten Art, und ich trage das Lächeln über die Landstraße, daß mir ganz warm wird.
#
Ich kann mich kaum aufraffen. Die Glieder sind schwer, die Geschenke noch unverpackt. Ich sehe der Uhr zu, wie sie die Sekunden hinaufzählt. Unermüdlich, und ich wünsche mir manchmal, ich hätte auch Batterien.
#
Das kleine Cousinchen, das mir von seinen "Erfahrungen" erzählt. Vom Vater, und wie sie die Mutter ausklammert. Auf ihrer Handtasche ein Aufnäher der "onkelz", und wie sie von den Hoppsern redet, verächtlich die Nase rümpfend. Zehn Jahre, denke ich mir, und klopfe ihr auf die Schultern. Der Weg ist noch lang, sage ich. Verausgabe Dich nicht.
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Draußen trinken sie aus Schwenkern. Ich mache Musik, und irgendwann gehe ich.
Einen Tag später erzählt er davon, wie sein Vater den Rucksack packte und ging, auf unbestimmte Zeit, an Heiligabend.
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"Ach Kleiner, jetzt muß ich Dir auch noch die Bettgeschichten heranschaffen?"
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"Ostalb zwei an Ostalb drei!"
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Stallarbeit, und ich richte die Liegeboxen her. Die lange Reihe beruhigt mich, wie immer. Nicht zu schnell, nur stetig. In der Mitte bleibe ich stehen, inmitten der ersten Mädels, die vom Melken zurück sind. Eine schrubbt mir den Rücken, und ich lehne mich an sie.
Ein Wasserhahn ist zu ersetzen, und so laufen der Bauer und ich durch die Dunkelheit über die Wiese zum alten Stall. Mir ist sehr weihnachtlich in meinen Thermostiefeln.
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"Komm doch mit rauf", sagt die Bäurin, und da sitze ich in der Familie, und wir lachen und reden, von Löwen und Mädchen und Sehnen und Bändern. "Ich würde ja sagen, wir versuchen das mal", sagt sie, und ich grinse, daß ich dabei auch gern gefragt würde. Gefragt sein und gefragt werden, sagt sie, und ich bilde mir ihren schwülen Blick nur ein, denn sie spielt mindestens so gut wie ich.
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Beständiges Klingeln.
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Mit Dir habe ich nicht das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein.
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Der Gutschein im Kanister.
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Biogasessen, und wie wir driften. Stumm suche ich nach Worten. Die beiden Zwerge bekommen Lippenstifte, biologische, weil sie die sowieso essen.
Ich bedanke mich für die Einladung, wie er sich für die Hilfe bedankt. Wir sind sehr trocken.
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I don't want to miss a thing.
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Die drei Vettern und das Cousinchen. Je älter wir werden, aber das sagte ich ja bereits. Einer, der krank ist, und so schweigsam. Ruhig. Entschlossen.Wie hilflos es mich macht, nicht helfen zu können. Sein Annehmen, sein Akzeptieren.
Einer, der mir erzählt, von den vier Jahren und dem plötzlichen Ende. Ich höre ihm zu, wie er die Zeit neu begreifen mußte, wie er begann, Gitarre zu spielen, stundenlang. Behutsam erzähle ich davon, daß ich ganz andere Dinge liebe, und daß man alles verlieren kann. Kein Grund. Was bleibt, ist die Zeit und ihr Verbringen, und dann kann man sich nichts vorwerfen.
Wie sie sich all das gemerkt haben, was ich ihnen erzählt habe. Unter den bissigen Anekdoten versteckt das Wenige, das ich gelernt habe.
Schauspiel studiert er, und beklagt, er bilde seinen Geist nicht. Redet dann von Brechts Stücken, und ich sage ihm, daß er sich unterschätzt, daß unsere Zahlenschiebereien auch nicht das sind, wonach wir suchen.
Einer erzählt von der durchgearbeiteten Nacht und dem Morgen, und ich zähme mich, nicht überheblich zu werden, mit all meinen Nächten.
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Spät, sehr spät die Alten im Club, und ich bin heute noch froh um jeden. Der, der aus Australien zurück ist. Der, der mit mir trinkt und singt und schwankt, und wie er dabei doch so zärtlich zu seinem Mädchen ist.
Ich treffe einen, der für die Bild-Zeitung schreibt. Das Mädchen, das mich von früher kennt. So viele Menschen.
Ein soziales Wesen zu sein. Sich zu interessieren. Interessant sein.
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Hektik an Heiligabend. Das Geschenk für meine Mutter ist in letzter Minute aufgetaucht. Ich hole es ab und bedanke mich bei der Gräfin. Sie sind beide am Werkeln, und es spannt schon wieder, denke ich. Wortlos steige ich auf und nehme ihr das Fahren ab. Lern ein andermal, denke ich, und lass es mich jetzt tun. Dann sitze ich da, im neuen grünen Overall, und die beiden dirigieren, während ich deichsle. Sie bedanken sich, in ihrer lauten Art, und ich trage das Lächeln über die Landstraße, daß mir ganz warm wird.
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Ich kann mich kaum aufraffen. Die Glieder sind schwer, die Geschenke noch unverpackt. Ich sehe der Uhr zu, wie sie die Sekunden hinaufzählt. Unermüdlich, und ich wünsche mir manchmal, ich hätte auch Batterien.
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Das kleine Cousinchen, das mir von seinen "Erfahrungen" erzählt. Vom Vater, und wie sie die Mutter ausklammert. Auf ihrer Handtasche ein Aufnäher der "onkelz", und wie sie von den Hoppsern redet, verächtlich die Nase rümpfend. Zehn Jahre, denke ich mir, und klopfe ihr auf die Schultern. Der Weg ist noch lang, sage ich. Verausgabe Dich nicht.
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Draußen trinken sie aus Schwenkern. Ich mache Musik, und irgendwann gehe ich.
Einen Tag später erzählt er davon, wie sein Vater den Rucksack packte und ging, auf unbestimmte Zeit, an Heiligabend.
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"Ach Kleiner, jetzt muß ich Dir auch noch die Bettgeschichten heranschaffen?"
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"Ostalb zwei an Ostalb drei!"
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Stallarbeit, und ich richte die Liegeboxen her. Die lange Reihe beruhigt mich, wie immer. Nicht zu schnell, nur stetig. In der Mitte bleibe ich stehen, inmitten der ersten Mädels, die vom Melken zurück sind. Eine schrubbt mir den Rücken, und ich lehne mich an sie.
Ein Wasserhahn ist zu ersetzen, und so laufen der Bauer und ich durch die Dunkelheit über die Wiese zum alten Stall. Mir ist sehr weihnachtlich in meinen Thermostiefeln.
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"Komm doch mit rauf", sagt die Bäurin, und da sitze ich in der Familie, und wir lachen und reden, von Löwen und Mädchen und Sehnen und Bändern. "Ich würde ja sagen, wir versuchen das mal", sagt sie, und ich grinse, daß ich dabei auch gern gefragt würde. Gefragt sein und gefragt werden, sagt sie, und ich bilde mir ihren schwülen Blick nur ein, denn sie spielt mindestens so gut wie ich.
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Beständiges Klingeln.
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Mit Dir habe ich nicht das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein.
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Der Gutschein im Kanister.
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Biogasessen, und wie wir driften. Stumm suche ich nach Worten. Die beiden Zwerge bekommen Lippenstifte, biologische, weil sie die sowieso essen.
Ich bedanke mich für die Einladung, wie er sich für die Hilfe bedankt. Wir sind sehr trocken.
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26.12.09, 13:07 | 'Das Auge des Betrachters'
Im Traum ging ich durchs Nachbarhaus, das komplett umgebaut war, und in dem andere Menschen wohnten.
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